Palmetto

Palmetto

Palmetto

Originaltitel: Palmetto - Regie: Volker Schlöndorff - Drehbuch: E. Max Frye, nach dem Roman "Just Another Sucker" ("Dumme sterben nicht aus") von James Hadley Chase - Kamera: Thomas Kloss - Schnitt: Peter Przygodda - Musik: Klaus Doldinger - Darsteller: Woody Harrelson, Elisabeth Shue, Gina Gershon, Chloë Sevigny, Michael Rapaport, Rolf Hoppe, Tom Wright u.a. - 1998; 115 Minuten

Inhaltsangabe

Harry Barber ist ein Verlierertyp. Nachdem er zwei Jahre unschuldig im Gefängnis gesessen hat, lässt er sich von einer scharfen Blondine überreden, eine Entführung vorzutäuschen und begreift viel zu spät, dass er in dem Spiel nur als Marionettenfigur missbraucht wird.
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Kritik

Aus einem Groschenroman von James Hadley Chase machte Volker Schlöndorff eine augenzwinkernde Hommage an den film noir, ein vertracktes und erotisch aufgeladenes Verwirrspiel: "Palmetto".
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Harry Barber (Woody Harrelson) ist ein Verlierertyp. Nachdem der Journalist einen Artikel über einen Korruptionsfall in seiner Heimatstadt Palmetto, Florida, geschrieben hat, wird er zum Herausgeber der Zeitung gerufen. Der zeigt ihm ein Häufchen Asche, das von dem Manuskript übriggeblieben ist, fordert ihn auf, die Angelegenheit rasch zu vergessen und überweist ihm für sein Schweigen einen größeren Geldbetrag. Anschließend sorgen die Schuldigen dafür, dass man die Gutschrift auf Harrys Konto vor Gericht als Indiz für seine Verstrickung in ein Verbrechen wertet, das er gar nicht begangen hat. Nachdem der Unglücksrabe die Hälfte seiner vierjährigen Haftstrafe verbüßt hat, stellt sich aufgrund der Aussage eines Kronzeugen seine Unschuld heraus und er kommt frei. Natürlich freut er sich darüber, aber er verlangt auch einen gerechten Ausgleich für die zwei verlorenen Jahre. Darauf geht der Richter nicht ein.

Harry will eigentlich nach Miami oder San Francisco, nur nicht zurück nach Palmetto, lässt sich jedoch überreden, bei seiner Freundin Nina (Gina Gershon) einzuziehen, die ihr Geld in Palmetto mit zusammengeschweißten Kunstwerken verdient. Vergeblich sucht er einen Job. Missmutig brütet er in einer Kneipe über den Stellenanzeigen. Da betritt eine scharfe Blondine (Elisabeth Shue) den Raum und fragt nach dem Telefon. Als sie wieder geht, scheint sie in der Telefonkabine ihre Handtasche vergessen zu haben. Harry findet darin ein Bündel Geldscheine und steckt es gerade ein, als sie zurückkommt. Sie lädt ihn auf einen Drink ein, fordert ihn auf, ihr das gestohlene Geld zurückzugeben und bietet ihm einen riskanten, aber gut bezahlten Job an.

Rhea, so heißt die Einunddreißigjährige, ist die Ehefrau eines alten Mannes, dem das teuerste Anwesen weit und breit gehört: Felix Malroux (Rolf Hoppe). Sie und ihre Stieftochter Odette (Chloë Sevigny) beabsichtigen, eine Entführung vorzutäuschen und Felix Malroux um eine halbe Million Dollar zu erpressen. Harry soll die Rolle des Kidnappers spielen und das Geld in Empfang nehmen. Dafür bietet sie ihm zehn Prozent, also 50 000 Dollar. Kidnapping sei ein Kapitalverbrechen, gibt Harry zu bedenken, doch Rhea weist ihn darauf hin, dass es gar keine wirkliche Entführung geben wird.

Die siebzehnjährige Odette Malroux kommt selbst vorbei und bestätigt Harry, dass es ihre Idee gewesen sei, auf diese Weise ihren Vater zu schröpfen. Der wolle sie auf ein Internat schicken. Das Geld werde es ihr ermöglichen, bis zu ihrem achtzehnten Lebensjahr zu verschwinden, und dann könne er ihr keine Vorschriften mehr machen.

Endlich sieht Harry eine Möglichkeit, auf offenbar recht einfache Weise an eine Menge Geld zu kommen und glaubt, das sei auch nur ein gerechter Ausgleich für die zwei Jahre im Gefängnis. „Wir brauchen eine gute Geschichte“, meint er eifrig. Er versteckt Odette in einer eigens für diesen Zweck gemieteten Strandhütte und verlangt von ihrem Vater das Lösegeld.

Als Felix Malroux darauf besteht, sich eine halbe Million Dollar in kleinen Scheinen auszahlen zu lassen, obwohl Sonntag ist, informiert der Bankdirektor die Polizei. Der Staatsanwalt, der einen lästigen Medienrummel auf sich zukommen sieht, will vorübergehend jemand einstellen, der ihm die Journalistenmeute vom Leib hält, eine Art Pressesprecher. Sein Assistent, der Ex-Polizist John Renick (Tom Wright), ist der Ehemann von Ninas Freundin und weiß deshalb, dass Harry Barber arbeitslos ist. Der ehemalige Journalist scheint genau der Richtige für den Job zu sein.

Das erste Telefongespräch in seinem Büro führt Harry mit Odette. Er will mit der vorgetäuschten Entführung nichts mehr zu tun haben, aber sie droht ihm damit, zur Polizei zu gehen und zu behaupten, er habe sie – eine Minderjährige! – in dem Strandhaus vergewaltigt.

Also arrangiert Harry die Geldübergabe: Felix Malroux fährt mit seinem Wagen los und wirft an einer vorher angegebenen Stelle einen Koffer aus dem Seitenfenster. Harry lauert in den Büschen neben der Straße, nimmt den Koffer auf und fährt zum Strandhaus. Da stößt er auf Odettes Leiche. Jemand hat das Mädchen auf dem Bett erstochen.

Harry zerrt die Leiche in den Kofferraum, um sie irgendwo zu verstecken. Unterwegs verliert er kurz die Kontrolle über den Wagen und kommt mit einem platten Vorderreifen zum Stehen. Ein Streifenpolizist fordert ihn auf, den Reservereifen aus dem Kofferraum zu holen und will ihm beim Reifenwechsel helfen. Harry bleibt nichts anderes übrig, als den Schlüssel im Schloss des Kofferraums abzubrechen. Der Polizist ruft ihm einen Abschleppwagen, der das defekte Fahrzeug in Harrys Garage bringt.

Inzwischen hat Felix Malroux die Polizei eingeschaltet, weil seine Tochter trotz der Geldübergabe nicht aufgetaucht ist. Er führt die Beamten zu der Stelle, wo er den Koffer aus dem Fenster geworfen hat, und dort findet man Zigarettenkippen, Reifenspuren und Fußabdrücke des Täters. Es müsse sich um einen dilettantischen Amateur handeln, vermutet John Renick.

Nina ertappt Harry mit dem Koffer, und als er sie davon abhalten will, in die Garage zu gehen, ahnt sie, dass er nicht nur als Pressesprecher mit der Entführung von Odette Malroux zu tun hat. Er gesteht ihr die Wahrheit und öffnet den Koffer. Der enthält nur Zeitungspapier!

Jetzt ergreift Nina die Initiative. Sie setzt sich mit Donnelly (Michael Rapaport) in Verbindung. Der Ex-Polizist, dessen Kronzeugen-Aussage Harrys Freilassung bewirkte, arbeitet inzwischen als Leibwächter für Felix Malroux. Sie spielt ihm eine Bandaufnahme vor, die Harry heimlich gemacht hatte, als Rhea Malroux bei ihm gewesen war, um ihm den Plan zu erklären. Er soll dabei helfen, Odettes Leiche zu beseitigen. Donnelly kommt vorbei, lässt sich die Kassette aushändigen, gießt dann Säure in die Badewanne und legt zusammen mit Harry die Leiche hinein. In wenigen Stunden werden nicht einmal mehr die Knochen übrig sein, versichert er.

Einige Zeit später erfährt Harry von John Renick, dass die Polizei in einer Strandhütte Odettes Leiche gefunden hat. Sie fahren zusammen hin. Es handelt sich um die von Harry gemietete Hütte. Felix Malroux identifiziert gerade die Tote, als sie eintreffen. Es ist nicht das Mädchen, das Harry für Odette gehalten hat. Als Billy Holden (Richard Booker), der Vermieter der Strandhütten, dazukommt und aussagt, wer diese Hütte gemietet hat, flüchtet Harry.

Er dringt in die Villa von Felix Malroux ein, um ihm alles zu gestehen und seine Hilfe zu erbitten. Im Salon stößt er auf Rhea, die beteuert, keinen Mord gewollt zu haben. Harry lässt sich nicht aufhalten und geht ins Schlafzimmer des alten Mannes, der bereits im Bett liegt. Plötzlich taucht Donnelly neben dem Eindringling auf und hält ihm eine Pistole an den Kopf. Malroux greift zum Haustelefon und bittet seine Frau, heraufzukommen. Diese Frau (Ginger King) hat Harry noch nie zuvor gesehen! Felix Malroux fordert Donnelly auf, Harry zu fesseln, in den Kofferraum zu sperren und ihn verschwinden zu lassen.

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Donnelly fährt mit ihm zu einer Lagerhalle, in der Nina gefesselt auf einem Stuhl sitzt. Mit vor Furcht aufgerissenen Augen starrt sie Donnellys zweiten Gefangenen an. Der Verbrecher gießt mehrere Kanister Säure in einen Bottich und hievt dann Harry mit einem Flaschenzug hoch, um ihn in die Säure zu tauchen. Die Frau, die sich als Rhea Malroux ausgab, taucht ebenfalls auf. Sie führte nur den Haushalt von Felix Malroux, ist in Wirklichkeit Donnellys Geliebte und beabsichtigt, ihn demnächst in Las Vegas zu heiraten. Außerdem erzählt sie, dass es sich bei dem Mädchen, das Harry für Odette hielt, um eine für diesen Zweck angeheuerte Herumtreiberin gehandelt habe.

Bevor Donnelly seine Opfer in den Bottich tauchen kann, stürmt eine Polizeieinheit die Lagerhalle: Harry legte nämlich vor seinem Eindringen in die Villa von Felix Malroux ein Geständnis ab und trägt einen Sender am Körper, um den Mörder und dessen Komplizin zu überführen. Ungeachtet seines Protestes wird er auch selbst festgenommen.

Im Gefängnis tippt er seine Geschichte auf einer alten Schreibmaschine und meint verschmitzt: „Vielleicht wird sie sogar verfilmt.“

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Bei den Dreharbeiten für „Palmetto“ wollte Volker Schlöndorff sich möglicherweise von seinen anspruchsvolleren Filmprojekten etwas erholen. Statt auf eine literarische Vorlage von Robert Musil, Heinrich Böll, Marguerite Yourcenar, Günter Grass, Marcel Proust oder Max Frisch griff er dabei auf einen Groschenroman von James Hadley Chase zurück („Just Another Sucker“, deutsch: „Dumme sterben nicht aus“), mit dem er sorgloser umgehen konnte. Daraus machte er eine augenzwinkernde Hommage an den film noir, ein vertracktes und erotisch aufgeladenes Verwirrspiel mit überraschenden Wendungen aber ohne bedeutungsschwere Dialoge oder bildungsbürgerliche Ansprüche. Da spielt es auch keine Rolle, dass nicht alle Einzelheiten plausibel aufgeklärt werden. Dem Unterhaltungsfilm merkt man den Spaß an, den die Filmemacher damit hatten, etwa, wenn in einer Szene zu sehen ist, wie Connelly die Säure mit der Mädchenleiche umrührt, und von der Badewanne abrupt auf den Abfluss des Spülsteins in der Küche geschnitten wird, in dem ein paar Spaghetti mit Tomatensauce vergurgeln.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2004

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