Mitte Ende August

Mitte Ende August

Mitte Ende August

Originaltitel: Mitte Ende August – Regie: Sebastian Schipper – Drehbuch: Sebastian Schipper, nach dem Roman "Die Wahlverwandtschaften" von Johann Wolfgang von Goethe – Kamera: Frank Blau – Schnitt: Horst Reiter – Musik: Vic Chesnutt – Darsteller: Marie Bäumer, Milan Peschel, André Hennicke, Anna Brüggemann, Gert Voss, Agnese Zeltina u.a. – 2009; 90 Minuten

Inhaltsangabe

Hanna und Thomas, beide Mitte 30, kaufen ein verwahrlostes Haus und beginnen es zu renovieren. Während Hanna dabei planmäßig vorgehen möchte, neigt Thomas zu spontanen Aktionen. Trotz der Arbeit fühlen sich die beiden wie im Paradies. Das ändert sich, als Thomas' Bruder Friedrich und Hannas Patentochter Augustine kommen. Anfangs empfindet Hanna ihren Schwager als störend, aber dann entdeckt sie Gemeinsamkeiten mit ihm, und Thomas fühlt sich zu dem unbekümmerten jungen Mädchen hingezogen ...
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Kritik

Sebastian Schipper hat den Plot von Goethes Romans "Die Wahlverwandtschaften" in die heutige Zeit verlegt. Er beschränkt sich in den stilistischen Mitteln, überlädt "Mitte Ende August" jedoch mit Symbolik.

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Ein Paar aus Hamburg – Hanna (Marie Bäumer) und Thomas (Milan Peschel) – kauft für 80 000 Euro ein abgelegenes, heruntergekommenes Haus in der Nähe von Berlin. Nachdem die beiden Mitdreißiger es entrümpelt haben, beginnen sie mit der dringend erforderlichen Renovierung. Thomas schlägt mit einem Vorschlaghammer ein Loch in eine Wand, um eine zusätzliche Türe einbauen zu können. Hanna befürchtet, dass es sich um eine tragende Wand handeln könnte und hätte lieber erst einmal die Statik berechnen lassen. Im Gegensatz zu ihrem schnell begeisterten und spontan handelnden Lebensgefährten zieht sie es vor, nach Plänen zu arbeiten, von deren Funktionsfähigkeit sie sich überzeugt hat.

Ohne sich mit Hanna abzusprechen, lädt Thomas seinen älteren Bruder Friedrich (André Hennecke) ein, als er am Telefon erfährt, dass dieser von seiner Frau und den beiden Töchtern verlassen wurde, mit seinem Architekturbüro Bankrott anmelden musste und einen Hörsturz erlitt. Hanna empfindet Friedrich zunächst als lästigen Eindringling in das neue Paradies, obwohl er bei den Renovierungsarbeiten mit anpackt. Mit der Begründung, es sei zu dunkel im Haus, fällen die beiden Männer eine der beiden prächtigen Blautannen auf dem Grundstück.

Um sich für die eigenmächtige Einladung Friedrichs zu rächen, lässt Hanna ihre deutlich jüngere Patentochter Augustine (Anna Brüggemann) kommen.

Als sie alle zusammen im nahen See baden, entdecken sie einen leckgeschlagenen Kahn und ziehen ihn an Land. Am Abend trinken sie zunächst die Alkoholvorräte leer, dann fahren sie zu einer Tankstelle, kaufen vier Tetrapackungen Wein und saufen um die Wette.

Augustine trinkt Kaffee wie Thomas, Hanna teilt dagegen Friedrichs Vorliebe für Tee, und während sie und ihr Schwager veganisch essen, schwärmen Thomas und Augustine von Fastfood. Im Gegensatz zu seinem Bruder ist Friedrich zurückhaltend und nachdenklich. Ebenso wie Hanna hat er eine gescheiterte Ehe hinter sich. Thomas dagegen versteht sich gut mit Augustine, die ebenso ausgelassen und unangepasst ist wie er. Sie bringt ihm beispielsweise von einem Einkauf eine Seifenblasenpistole mit, und er freut sich über das Spielzeug.

Am Tag vor Hannas 36. Geburtstag kommt ihr Vater Bo (Gert Voss) mit seiner Geliebten Galina Petrova (Agnese Zeltina) aus Hamburg. Der jungen Russin gehört der PS-starke Sportwagen, mit dem sie vorfahren. Friedrich bewirtet die Gäste mit Wolfsbarsch mit Salzkartoffeln. Bo tönt beim Essen, dass er von Ehe und lebenslanger Treue nichts halte. Ohne Galina um Erlaubnis zu fragen, unternimmt Thomas mit Augustine am Nachmittag eine Spritztour mit dem teuren Auto. Aufgebracht beschwert Galina sich darüber und reist mit Bo ab.

Am Abend entdeckt Hanna in der nahen Kleinstadt Thomas‘ geparktes Auto. Er sitzt mit Augustine in einem Schnellrestaurant. Nach ihrer Rückkehr rauchen die beiden einen Joint und küssen sich. Später entdeckt Thomas im Zimmer seines Bruders zwei Teetassen und vermutet deshalb, dass Friedrich und Hanna ihn betrogen haben.

Nach Mitternacht wird Hannas Geburtstag gefeiert. Friedrich schenkt ihr den in mühevoller Arbeit reparierten Kahn. Thomas hat Silvesterkracher besorgt. Als er anfängt, das Feuerwerk aufzubauen, rastet Hanna aus. Sie rennt zum See. Friedrich folgt ihr. Nachdem Augustine Thomas beim Zünden der Silvesterkracher geholfen hat, ziehen sich die beiden aus und fallen übereinander her. Danach betrinkt Thomas sich und zertritt seine Gitarre. Als Hanna im Morgengrauen erwacht, sitzt er am Seeufer. Sie geht zu ihm.

Friedrich fährt weg und nimmt Augustine mit. Hanna und Thomas sind wieder allein im Haus.

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Sebastian Schipper hat den Plot des 1809 von Johann Wolfgang von Goethe veröffentlichten Romans „Die Wahlverwandtschaften“ in die heutige Zeit verlegt und lässt den tragischen Schluss der ursprünglichen Geschichte in „Mitte Ende August“ weg. Ob Hanna und Thomas am Ende wieder zusammenfinden oder nicht, bleibt offen. Immerhin keimt Hoffnung auf.

Obwohl es sich bei „Mitte Ende August“ um eine Literaturverfilmung handelt, wird der Film nicht von Dialogen, sondern von Blicken, Mimik und Gesten getragen. Sebastian Schipper setzt auf ausgebleichte Farben, grobkörnige Bilder einer Handkamera und ruhige Schnitte. Als ob er das Dogma 95-Manifest unterschrieben hätte, verzichtet er auf Scheinwerfer. Im Gegensatz zu diesen Beschränkungen überlädt Sebastian Schipper „Mitte Ende August“ mit Symbolik, etwa wenn eine von zwei nebeneinander stehenden Tannen gefällt wird, um das Zerbrechen einer Liebesbeziehung zu spiegeln. (Es ist zu hoffen, dass der herrliche Baum nicht eigens für „Mitte Ende August“ gefällt wurde.)

Kritisch anzumerken ist auch die blasse Rolle der Augustine.

Bei dem Song, den wir zu Beginn hören, als Thomas das Radio einschaltet, handelt es sich übrigens um „Come into My World“ (2007) von Kylie Minogue.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2012

Johann Wolfgang von Goethe: Die Wahlverwandtschaften

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