Philip Roth : Mein Mann, der Kommunist

Mein Mann, der Kommunist
Originaltitel: I Married a Communist Houghton Mifflin, Boston 1998 Mein Mann, der Kommunist Übersetzung: Werner Schmitz Carl Hanser Verlag, München / Wien 1999
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

"Mein Mann, der Kommunist" ist ein politischer Roman über die von Joseph Raymond McCarthy zu Beginn der Fünfzigerjahre geführte Hetzjagd gegen Kommunisten. Doch Philip Roth erzählt auch und vor allem von einem Idealisten, der die Welt verändern will, sich zugleich nach einer eigenen Familie sehnt und dabei auf tragische Weise weder das eine noch das andere erreicht.
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Kritik

Philip Roth erzählt die komplexe Geschichte nicht chronologisch, sondern er entwickelt sie auf meisterhafte Weise aus Erinnerungen von zwei Romanfiguren: Die eine schildert, wie die andere ihr vom Schicksal des vor 30 Jahren verstorbenen Protagonisten erzählt und fügt eigene Gedanken und Erinnerungen hinzu.
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Der vierundsechzigjährige Literaturwissenschaftler Dr. Nathan Zuckerman, der sich 1993 – vor vier Jahren – in ein einsames Haus im westlichen New England zurückgezogen hat, trifft zufällig seinen Englischlehrer von der Highschool wieder. Murray Ringold ist inzwischen neunzig Jahre alt. Nathan erinnert sich noch immer daran, was Mr Ringold seinen Schülern damals gesagt hatte:

„In der menschlichen Gesellschaft“, lehrte uns Mr Ringold, „stellt das Denken die größere Grenzüberschreitung von allen dar.“ „Kri-ti-sches Den-ken“, sagte Mr Ringold und klopfte zu jeder Silbe mit den Knöcheln auf sein Pult, „das ist die äußerste Subversion.“ (Seite 10f)

Vor Mr Ringolds Haus in Newark war Nathan am 12. Oktober 1948 erstmals dessen sechs Jahre jüngerem Bruder Ira begegnet, der unter dem Namen Iron Rinn in der beliebten Rundfunksendung „Frei und tapfer“ mit Hörspielepisoden aus der US-Geschichte auftrat. Jetzt, im Jahr 1997, erzählt Murray Ringold seinem ehemaligen Schüler an sechs aufeinander folgenden Abenden vom Schicksal Iras.

Murray und Ira Ringold kamen aus armseligen Verhältnissen. Ihre Mutter starb 1920, als Murray 13 und sein Bruder 7 Jahre alt waren. Der Vater kümmerte sich nicht um die beiden Söhne, und die Stiefmutter schikanierte sie. Während Murray studierte und Lehrer wurde, verließ Ira mit 15 die Highschool, lief von zu Hause fort und suchte sich in Newark Arbeit. Mit sechzehn – 1929 –, als er Kellner in einer Taverne war, überfiel ihn eines Nachts auf dem Heimweg ein Italiener und wollte ihn ausrauben, doch Ira gelang es, dem Angreifer die Schaufel zu entreißen, die dieser als Waffe benutzt hatte. Er schlug ihn zusammen und ließ ihn liegen. Dann kehrte er noch einmal zurück und zertrümmerte dem bewusstlos am Boden Liegenden mit der Schaufel den Schädel. Anschließend rannte Ira zu seinem Bruder, der ihn ins Auto packte und mit ihm wegfuhr. Der Mörder wurde nicht nur von der Polizei gesucht, sondern auch von dem Mafiaboss Ritchie Boiardo, zu dessen „Familie“ der Bruder des Opfers gehörte. Doch Ira entkam seinen Verfolgern und schlug sich als Hallenkehrer, Landarbeiter, Nachtwächter, Bote und Kumpel in einem Zinkbergwerk durchs Leben. Unmittelbar nach dem japanischen Überfall auf Pearl Harbor meldete er sich zum Kriegsdienst. In der Armee lernte er den zehn Jahre älteren Stahlarbeiter Johnny O’Day kennen, der ihn vom Kommunismus überzeugte. Deshalb schloss Ira sich nach dem Krieg in Chicago der kommunistischen Partei an und kämpfte gegen kapitalistische Ausbeutung, imperialistische Kriege, Ungerechtigkeit, Antisemitismus und Rassendiskriminierung. Aufgrund seiner schauspielerischen Begabung kam er schließlich zum Rundfunk und zog nach New York.

1948 lernte er die sechs Jahre ältere Schauspielerin Eve Frame kennen, die mit siebzehn nach Hollywood gegangen war und bereits vor dem Krieg große Erfolge am Broadway gefeiert hatte. Im Alter von sechzehn Jahren war sie mit einem ungebildeten Rüpel namens Mueller durchgebrannt. Nach der Scheidung von ihm lebte sie zwölf Jahre lang an der Seite ihres zweiten Ehemanns Carlton Pennington, der trotz seiner Homosexualität eine Tochter namens Sylphid mit ihr gezeugt hatte. Als Eve und Ira sich begegneten, hatte sie sich gerade von Jumbo Freedman, ihrem dritten Ehemann, getrennt. Sylphid, die inzwischen eine viel versprechende Karriere als Harfinistin vor sich hatte, verbrachte den Sommer 1948 bei ihrem Vater in Frankreich. So konnte Eve sich ganz auf die neue Beziehung konzentrieren. Ira, dem von seinem siebten Lebensjahr an die Mutter gefehlt hatte, sehnte sich nach Eves fürsorglicher Aufmerksamkeit und kam sich der Wohnung der gefeierten Schauspielerin in der West Eleventh Street von Manhattan wie im Märchen vor.

Ira fuhr mit Eve nach Newark, um sie seinem Bruder Murray, seiner Schwägerin Doris und seiner Nichte Tochter Lorraine vorzustellen. Sie gingen zusammen in eine schicke Taverne. Dabei erzählte Ira davon, dass er 1929 ein paar Wochen lang in dem Restaurant als Hilfskellner gearbeitet hatte, erwähnte aber nichts von dem Mord. Sam Teiger, der Besitzer, erkannte Eve Frame, kam mit einer Flasche Champagner an den Tisch und machte ein Foto von der Tischgesellschaft, das er später in der Lobby aufhing.

Iras utopischer Traum hieß Kommunismus, der von Eve hieß Sylphid. Die Utopie der Mutter vom perfekten Kind, die Utopie der Schauspielerin vom Als-ob, die Utopie der Jüdin vom Kein-Jude-Sein, um nur die hochtrabendsten ihre Pläne zu nennen, das Leben zu parfümieren und schmackhaft zu machen. (Seite 208)

Sylphid empfand kein bisschen Liebe für ihre Mutter und trachtete nur danach, ihrer Mutter die Utopien mit allen Mitteln auszutreiben. Als Eve von Ira schwanger wurde, setzte Sylphid ihr so lange zu, bis sie sich zur Abtreibung entschloss. Das war ein harter Schlag für Ira, der sich so sehr einen Sohn gewünscht hatte.

„Nach seiner Entlassung aus der Armee wollte Ira Leute um sich haben, in deren Gegenwart er nicht explodieren konnte. Er hat richtiggehend danach gesucht. Die Gewalt, die in ihm brodelte, hatte ihn selbst erschreckt. Er hatte Angst, dass sie wieder aus ihm hervorbrechen könnte. […] Das war auch der Grund, warum Ira heiraten wollte. Warum Ira dieses Kind haben wollte. Warum diese Abtreibung ihn so niedergeschmettert hat.“ (Seite 341)

Am 11. Oktober 1948 erfuhr Ira, dass Eve sein Kind abtreiben lassen wollte. Tags darauf begegnete er dem damals fünfzehnjährigen Nathan, dem Schüler seines Bruders Murray, der alles verkörperte, was Ira sich von einem Sohn gewünscht hätte.

Nathan wechselte 1950 von der Highschool aufs College. Als er im Oktober 1951 erfuhr, dass man einige Mitglieder aus dem Team der Rundfunksendung „Frei und tapfer“ entlassen hatte, rief er bei Ira und Eve an, aber die schwarze Bedienstete erklärte ihm kurz angebunden, Ira wohne nicht mehr da. Sechsundvierzig Jahre später erfährt Nathan von Murray, was damals geschehen war.

Weil Ira wusste, dass Sylphid ihn und ihre Mutter hasste, hatte er aus Sorge um seine Ehe Eve vorgeschlagen, für die inzwischen Vierundzwanzigjährige ein eigenes Apartment in der Nachbarschaft zu mieten. Eve weigerte sich, weil sie glaubte, er wolle sie von ihrer abgöttisch geliebten Tochter trennen, und als er daraufhin selbst eine Wohnung in der Nähe bezog, befürchtete sie, er wolle sich von ihrer scheiden lassen. Nachdem sie das großzügig ausgestattete Apartment jedoch gesehen hatte, war sie überzeugt, dass es für ihre Tochter genau richtig sei, aber als sie mit Sylphid darüber reden wollte, warf diese ihr wütend vor, sich nicht gegenüber Ira durchsetzen zu können – und stimmte sie dadurch um. Frustriert ging Ira zu Pamela Solomon, einer mit Sylphid befreundeten Flötistin aus England, die seit einiger Zeit seine Geliebte war. Ausgerechnet an diesem Abend gestand sie ihm, dass sie längst mit ihm Schluss hatte machen wollen.

Ira zog zu seinem Bruder und dessen Familie. Eve rief ein paar Mal an, aber Murray machte ihr klar, dass Ira nicht mit ihr sprechen wollte. Ihre Briefe schickten sie ungeöffnet zurück. Dreimal in der Woche kam die aus Estland stammende Masseuse Helgi Pärn zu Ira. Eve, die von den Massagen ihres von Gelenkschmerzen geplagten Mannes wusste, bat die Frau, die zehn oder zwölf Jahre älter war als Ira, eines Tages zu sich, um ihr einen Brief für ihn mitzugeben. Weil sie immer wieder zerriss, was sie geschrieben hatte, musste Helgi eineinhalb Stunden lang in Eves Wohnzimmer warten. In dieser Zeit betrank sie sich, und als Eve endlich auftauchte, beschimpfte Helgi sie, warf ihr vor, dass sie ihren Mann offenbar nicht hatte befriedigen können und prahlte damit, wie sehr er es schätzte, wenn sie ihm nach der Massage einen blies. Eve ließ die betrunkene Besucherin von der Polizei abführen. Dieses Erlebnis gab möglicherweise den Ausschlag dafür, dass sie Iras Schreibtisch durchwühlte und alles, was sie fand, dem republikanischen Politiker Bryden Grant und seiner Ehefrau, der Journalistin Katrina van Tassel Grant, übergab.

So entstand das Buch „Mein Mann, der Kommunist, von Eve Frame, aufgezeichnet von Bryden Grant“, das im März 1952 in den Buchhandel kam und zum Bestseller wurde. Darin wurde behauptet, der „kommunistische Irre“ Ira Ringold habe die berühmte Schauspielerin nur geheiratet, um die kommunistische Unterwanderung der US-Unterhaltungsindustrie vorbereiten zu können. Zu Hause habe er ständig agitative Vorträge gehalten und damit Sylphid vom Üben auf der Harfe abgehalten. Iras einsame Hütte bei Zinc Town im Nordwesten von New Jersey sei nichts anderes als ein kommunistisches Geheimversteck, und in der Nähe ihrer gemeinsamen Wohnung in Greenwich Village habe er eigens ein Apartment für konspirative Kadertreffen angemietet. Das Buch half Grant bei seiner Wahl ins Repräsentantenhaus.

Von ihm ließ Eve sich überreden, ihren privaten Rachefeldzug gegen Ira „in der grandiosen Maske eines selbstlosen Kampfs zur Rettung Amerikas vor der roten Flut“ zu führen.

Die Sache hat nur einen Haken: in den glücklichen Zeiten des Kalten Kriegs jemanden bei den Behörden als sowjetischen Spion anzuschwärzen, das konnte bedeuten, ihn direkt auf den elektrischen Stuhl zu bringen. Eve hat Ira beim FBI schließlich nicht als schlechten Ehemann angezeigt, der es mit seiner Masseuse trieb. Verrat ist ein unvermeidlicher Bestandteil des Lebens – wer begeht schon niemals Verrat? –, aber die abscheulichste Form von öffentlichem Verrat, den Landesverrat, mit irgendeiner anderen Form von Verrat zu verwechseln, das war im Jahre 1951 keine so gute Idee. Landesverrat ist im Gegensatz zu Ehebruch ein Kapitalverbrechen … (Seite 304)

Als Pamela Solomon erfuhr, dass Eve die Sachen ihres Mannes durchwühlt hatte, fürchtete sie, darunter könne auch ein Foto von ihr in Badesachen am Teich neben Iras Hütte gewesen sein. Deshalb ging sie zu Eve und verriet ihr zwar nicht, dass sie häufig in Iras Hütte gewesen war, sondern erzählte nur von einem einzigen Besuch dort, und den habe sie auch nur gemacht, weil sie angenommen hatte, auch Eve dort vorzufinden.

Ira war entsetzt, als er hörte, dass auch Pamela ihn verraten hatte. Der Rundfunksender entließ ihn; Iras Karriere war zerstört.

All seinen Hader richtete Ira nun gegen sich selbst. Wie konnte diese Farce sein Leben ruiniert haben? All das Zeug, das neben dem Wesentlichen gar nichts zählte, der ganze periphere Lebensplunder, vor dem Genosse O’Day ihn gewarnt hatte. Ein Zuhause. Heiraten. Familie. Geliebte. Ehebruch. Dieser ganze bourgeoise Scheiß! Warum hatte er nicht wie O’Day gelebt? Warum hatte er sich nicht wie O’Day Prostituierte genommen? Richtige Prostituierte, zuverlässige Profis, die die Regeln kennen, und keine plappermäuligen Amateurinnen wie seine estnische Masseuse. (Seite 323)

Nicht nur die Zeitungen in New York, sondern auch die in New Jersey schrieben über den Fall. Die Reporter stöberten Bekannte auf und brachten sie zum Reden, darunter den Tierpräparator Horace Bixton und dessen Sohn Frank. Horace Bixton behauptete, Ira sei eines Tages mit einem jungen Burschen bei ihm aufgekreuzt und die beiden hätten versucht, ihn und seinen Sohn gegen den Koreakrieg aufzuhetzen. Als Murray Nathan davon erzählt, erinnert dieser sich, wie er Ira einmal zu dem Tierpräparator begleitet hatte. Die Beschuldigung war schon wegen Frank Bixtons Taubheit unhaltbar. Aber Murray klärt ihn darüber auf, dass damals aufgrund von Bixtons Aussage Nathans Antrag auf ein Fulbright-Stipendium abgelehnt wurde. Murray selbst geriet in das Visier der Kommunistenhasser, weil Raymond Svecz, Iras Nachbar in Zinc Town, die Autonummern von dessen Besuchern aufgeschrieben und Bixton die Notizen dem FBI übergeben hatte. Man fand es auffällig, wie häufig Murray seinen Bruder besuchte. Wegen Murrays gewerkschaftlicher Aktivitäten hielt ihn der Schulinspektor ohnehin für einen Staatsfeind. Nachdem er sich 1955 geweigert hatte, vor dem Komitee für unamerikanische Umtriebe auszusagen, leitete die Schulbehörde ein Verfahren gegen ihn ein und entließ ihn. Der gerichtliche Prozess, den Murray dagegen anstrengte, dauerte sechs Jahre. Dann musste er wieder eingestellt werden und erhielt das Gehalt nachbezahlt – allerdings abzüglich des Einkommens, das er in diesen Jahren als Staubsaugervertreter gehabt hatte.

Ira wollte sich an Eve rächen, indem er sie durch ein altes Foto kompromittierte, aber Murray zerriss das Foto. Beim nächsten Besuch in Zinc Town ertappte Murray seinen Bruder bei Schießübungen. Er war wild entschlossen, Eve umzubringen. Nachdem Murray ihm die Waffen abgenommen hatte, besorgte Ira sich eine Drahtschere, mit der er Saiten aus Sylphids Harfe schneiden und die beiden Frauen damit erdrosseln wollte. Als Murray seiner Frau Doris davon erzählte, fuhr sie zu ihrem Schwager und überredete ihn, sich auf andere Weise an Eve zu rächen. Sie half ihm, Kontakte zu geeigneten Journalisten zu knüpfen, die das Lügengespinst in „Mein Mann, der Kommunist“ zerrissen. Jake Podell behauptete sogar, Eves wirklicher Name laute Chava Fromkin und sie sei 1907 in Brooklyn-Brownsville als Tochter eines aus Polen eingewanderten mittellosen jüdischen Anstreichers geboren worden. Aufgrund der Zeitungsartikel trennten sich Eves Freunde von ihr, sie wurde nicht mehr zu Partys eingeladen und erhielt keine Engagements mehr.

Später kam sie zusammen mit Sylphid in die Fernsehsendung „Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm“. Vor der Kamera beschwor sie ihre Liebe zu ihrer Tochter und himmelt sie an, obwohl Sylphid mit finsterer Mine alles in Frage stellte, was sie sagte und kein bisschen Mitgefühl zeigte. Gegen Ende der halbstündigen Sendung wurde Sylphids bevorstehendes Konzert erwähnt, und sie spielte ein Stück auf ihrer Harfe.

Zwei Jahre nach diesem Auftritt zog Sylphid zu ihrem kranken Vater nach Frankreich. Als er bald darauf an Leberzirrhose starb, erbte sie die Villa, das Vermögen, die Autos, alles – und heiratete seinen Chauffeur.

Eve war damals längst zur Alkoholikerin geworden. Sie musste ihr Haus verkaufen und starb 1962 in einem Hotelzimmer.

Ira überlebte sie um fünf Jahre.

Murrays Tochter Lorraine erlag 1971 im Alter von dreißig Jahren einer Meningitis-Erkrankung. Sie hinterließ zwei Kinder und einen Mann. Seine an Skoliose erkrankte Frau Doris, die in einem Krankenhaus von Newark das Labor leitete, wurde auf dem Heimweg von einem Handtaschenräuber mit einem Ziegelstein erschlagen. Er selbst stirbt zwei Monate nach dem Gespräch mit Dr. Nathan Zuckerman in seinem Haus in Phoenix, Arizona, in das er nach dem Tod seiner Frau gezogen war.

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„Mein Mann, der Kommunist“ ist zunächst ein Roman über den von dem republikanischen Senator Joseph McCarthy zu Beginn der Fünfzigerjahre geführten paranoiden Feldzug gegen Kommunisten und ihre Sympathisanten. Das Buch ist ein Plädoyer gegen die Intoleranz im Allgemeinen sowie gegen den Antisemitismus und ideologisch verbrämte bzw. politisch motivierte Hetzjagden im Besonderen. Doch „Mein Mann, der Kommunist“ ist nicht nur ein politischer Roman, sondern Philip Roth erzählt darin auch von einem menschlichen Drama, von einem Idealisten, der die Welt verändern will, sich zugleich nach einer eigenen Familie sehnt und dabei weder das eine noch das andere erreicht. Die Figur des Protagonisten Ira Ringold alias Iron Rinn ist vielschichtig wie der Aufbau des Romans: Nachdem er mit sechzehn einen Menschen umgebracht hat und über die in ihm brodelnde Gewalt erschrocken ist, sucht er nach einem Umfeld, das ihn davor bewahrt, erneut zu explodieren. Doch er scheitert an seiner hasserfüllten Stieftochter. Idealismus und Desillusionierung, Liebe, Sehnsucht nach Geborgenheit, Hass, Verrat und Rache sind die Themen dieses mehrdimensionalen, trostlosen Romans.

„Die Welt, wie wir sie kennen, hat sich nicht aus der Tyrannei von Tyrannen entwickelt, sondern auch der Tyrannei der menschlichen Habgier, Unwissenheit, Brutalität und Gehässigkeit. Der böse Tyrann ist der Jedermann!“ (Seite  111)

Philip Roth erzählt die komplexe Geschichte nicht chronologisch, sondern er entwickelt sie auf meisterhafte Weise aus Erinnerungen von zwei Romanfiguren: Murray Ringold, dem Bruder des Protagonisten, und Dr. Nathan Zuckerman, einem ehemaligen Schüler Murrays, der Ira gekannt hatte und wohl auch ein Alter Ego des Autors ist. Nathan Zuckerman schildert, wie Murray Ringold ihm an sechs aufeinander folgenden Abenden von seinem vor dreißig Jahren verstorbenen Bruder Ira erzählt und fügt seine eigenen Gedanken und Erinnerungen hinzu. Es zeugt von Philip Roths Intelligenz und erzählerischer Brillanz, wie dabei Motive wiederholt, variiert und verdeutlicht werden. Beim Lesen hält man den Roman anfangs vielleicht für ausufernd, aber sobald man das rhythmische Anschwellen und Abflauen des Erzählflusses merkt und sich des geschickten Aufbaus des Romans bewusst wird, erkennt man das als Vorurteil.

Philip Roth rächt sich in „Mein Mann, der Kommunist“ wohl auch an seiner geschiedenen Ehefrau Claire Bloom, einer Schauspielerin wie die Romanfigur Eve Frame, die ihn in ihrer 1996 veröffentlichten Autobiografie „Leaving a Doll’s House“ als grausamen Chauvinisten dargestellt und ihre Ehe als Folter charakterisiert hatte.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2003
Textauszüge: © Carl Hanser Verlag

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