Thomas Rosenboom : Das Liebeswerk

Das Liebeswerk
Originalausgabe: Gewassen vlees Em. Querido's Uitgeverij, Amsterdam 1994 Das Liebeswerk Übersetzung: Waltraud Hüsmert Suhrkamp Verlag, Frankfurt/M 2000 ISBN: 3-518-41186-1, 714 Seiten
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Der 35-jährige Jurist Willem Augustijn van Donck möchte Catharina, die Tochter des Staatsanwalts Saffraan, damit beeindrucken, dass er als Erster weißen Rübenzucker herstellt. Er raubt Notizen über den Gewinnungsprozess, doch bevor er sein Vorhaben verwirklichen kann, erpresst ihn der gerissene Steuerpächter Adrianus Bergsma dazu, die Erfindung in den Dienst eines illegalen Spekulationsgeschäftes zu stellen ...
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Kritik

Mit "Liebeswerk", einer Mischung aus historischem Roman, Sittengemälde, Familiengeschichte, Wirtschaftskrimi und Groteske, verlangt Thomas Rosenboom den Lesern sehr viel Geduld ab, denn er schwelgt in einer barocken Motivfülle.
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Am 18. September 1747 teilt der fünfunddreißigjährige Jurist Willem Augustijn van Donck seiner Angebeteten Catharina, der Tochter des Staatsanwalts Saffraan, in einem Brief mit, dass es dem Berliner Apotheker Marggraf gelungen sei, Zucker in der Wurzel des weißen Mangolds nachzuweisen [Die Entdeckung des Rübenzuckers durch Andreas Sigismund Marggraf].

Willem Augustijn van Donck bekleidet zwar seit dem Vorjahr das Amt des Vogts von Hulst und Hulsterambacht, kann es jedoch wegen der Besetzung des Orts durch die Franzosen nicht ausüben. Sein Vater Frederik van Donck repräsentiert die Heimatstadt Workum im Landtag.

Während Willem Augustijn Catharina vergeblich den Hof macht, versucht ein gewisser Dorrius in seinem Auftrag, aus Runkelrüben Zucker zu gewinnen. Ende 1748 ist Dorrius am Ziel. Als Willem Augustijn eine Tüte mit weißem Zucker vor sich sieht, schwärmt er:

„Fürwahr, der Rohrzucker, gelb, braun oder schwarz, wird für die Gelben sein, die Braunen und die Schwarzen; die Weißen aber besitzen jetzt weißen Zucker, Rübenzucker aus weißem Boden, Christlichen Zucker!“ (Seite 87)

In der Silvesternacht des Jahres 1748 verlangt Willem Augustijn von dem für seinen Vater arbeitenden Bauern Bertijn, am Neujahrsmorgen damit anzufangen, die Wiesen umzupflügen, denn er will Rüben säen. Bertijn gibt zu bedenken, dass der Boden um diese Zeit zu schwer sei, die Kühe nach dem Verbrauch des Heus im Frühjahr ohne das Gras nicht mehr gefüttert werden könnten und man Rüben erst im April aussäe, aber Willem Augustijn duldet keine Widerrede.

Willem Augustijns Mutter soll gestorben sein, als er zwei Jahre alt gewesen war. Er erinnert sich an seinen zwölften Geburtstag. Damals schenkte ihm sein Vater ein zu 3 Prozent Zinsen angelegtes Kapital von 6000 Gulden. Der Ertrag sollte es Willem Augustijn ermöglichen, einen gleichaltrigen Jungen, einen angeblichen Findling, den sein Vater aus dem Waisenhaus geholt hatte, für die Dauer von sechs Jahren zu adoptieren und ihn auf die Lateinschule zu schicken. Der entsprechende Vertrag wurde von dem Notar van Vulpen beurkundet. Der Junge, der froh war, nicht mehr in der Gerberei schuften zu müssen, wählte aus Dankbarkeit den Namen seines Wohltäters Willem Augustijn.

Bald darauf wurde Willem Augustijn von seinem Namensvetter mit einem Messer gezwungen, im Stall die Hose herunterzulassen. Er war noch kaum behaart. Nachdem ihm Willem II. zu einer Erektion verholfen hatte, forderte er ihn auf, sich nicht zu bewegen; er sei gleich wieder da. Eine Minute später kam er mit dem Steuerpächter Adrianus Bergsma zurück, der sich wunderte, Willem Augustijn mit heruntergelassener Hose und erigiertem Penis vorzufinden. Die peinliche Situation wird Willem Augustijn nie vergessen.

Willem II. lief einige Zeit später fort und verschwand.

Als der fünfzigjährige Steuerpächter Adrianus Bergsma 1749 erfährt, dass es Willem Augustijn trotz zweijährigen Werbens noch nicht gelungen ist, Catharina Saffraan ins Bett zu bekommen, tröstet er ihn:

„Der Schatz, den Ihre Dame Ihnen vorenthalten hat, ist ja der gleiche wie der Schatz aller anderen Damen! Was sie als ihren intimsten Besitz hüten, ist gerade das, was sie alle gemeinsam haben! Gewiss, es ist sehr bedauerlich, dass Ihre Dame unberührt davongekommen ist, ich verstehe Ihren Kummer, aber um ihr Geheimnis doch noch kennenzulernen, brauchen Sie nur an das Geheimnis einer anderen Dame zu denken … Verstehen Sie? Es gibt nur ein Geheimnis, und das kennen Sie längst!“ (Seite 306)

Willem Augustijn hat jedoch auch noch mit keiner anderen Frau geschlafen.

Unerwartet stirbt Dorrius. Willem Augustijn bricht daraufhin mit seinem Diener Perk in das Laboratorium ein. Er findet die Aufzeichnungen des Forschers in einer Foliomappe aus braunem Kalbsleder, aber bevor er und Perk das Gebäude wieder durchs zerbrochene Fenster verlassen können, taucht Dorrius‘ Witwe mit ihrem kleinen Sohn auf. Der weiß offenbar, wo die Mappe seines Vaters lag, aber er sucht nun vergeblich danach. Warum der Advokat die Notizen haben wolle, fragt er seine Mutter, die ihm darauf antwortet, ein Unbekannter habe dafür so viel Geld geboten, dass sie davon leben könnten.

Willem Augustijn, der Bergsma verdächigt, hinter den Aufzeichnungen her zu sein, gerät mit der Mappe in einen Straßenkampf zwischen Aufständischen und Soldaten. Unter den Gefangenen entdeckt er Abe, den neunzehnjährigen Sohn des Bauern Bertijn. Abe sollte eigentlich an der Universität studieren – sein Vater hatte eigens 1000 Gulden gespart, um es zu ermöglichen –, aber nun muss er sich als einer der Aufrührer verantworten. Er bittet Willem Augustijn, seiner Freundin Jeltse zu bestellen, dass er sie liebe. Im nächsten Augenblick wird Willem Augustijn, der sich wegen des Einbruchs mit einem Lumpenmantel verkleidet hat und deshalb nicht als Aristokrat erkannt wird, von Soldaten mit Peitschenhieben weggejagt.

Abe wird zu Auspeitschen, Brandmarken, zehn Jahren Zuchthaus und anschließender Verbannung verurteilt.

Nacht für Nacht blättert Willem Augustijn in Dorrius‘ Aufzeichnungen, aber die Schrift ist nahezu unlesbar, und bald weiß Willem Augustijn auch nicht mehr, in welcher Reihenfolge er die Zettel vorfand.

Als Frederik van Donck von dem Diebstahl der Notizen über die Zuckergewinnung erfährt, erklärt er seinem Sohn, dass Dorrius‘ Witwe das dafür gebotene Geld dringend für den Lebensunterhalt benötigt hätte. Willem Augustijn fühlt sich jedoch im Recht, denn das Laboratorium gehört ihm, er finanzierte die Forschungen, und Dorrius hatte ohnehin vorgehabt, für ihn eine Reinschrift der Notizen anzufertigen.

Willem Augustijn, der unter permanenter Konstipation leidet, hat sich angewöhnt, jeden Morgen mit einem Klistier für Abhilfe zu sorgen.

Das Bedürfnis nach Darmspülungen, Einläufen, Klysmen, Purgationen war zur Obsession geworden, das Gefühl, auszufließen, zur Sucht, die kurzzeitige, jedoch mit dankbaren Tränen beträufelte Illusion der Gesundung sein Rausch. Kaum schloss sich sein Anus jedoch gegen einen erneuten Drang, wie leer und machtlos auch immer, wusste er, dass es nicht seine Melancholie war, die dort im Wasser schwamm, noch die zu Materie verfestigte Ursache all dessen, was er angerichtet hatte und was nicht wiedergutzumachen war. (Seite 362)

Frederik van Donck fährt 1749 mit dem Töpferwarenfabrikant Henson aus Makkum, dem Ratspensionär Oegema aus Bolsward und dem Reeder Tamsma aus Harlingen im Einspänner ein Stück weit aufs Land hinaus. Die Herren sollen in das von ihm geplante Liebeswerk investieren: die Gründung einer Armensiedlung. Sein Sohn fungiert nur als Kutscher.

„Wir bitten den Bauunternehmer nicht darum, gegen Bezahlung für uns Häuser zu errichten, im Gegenteil, wir gewähren ihm die Gunst, Häuser auf eigene Rechnung zu bauen, die er dann gegen Preise, die wir festlegen, vermieten darf. Für diese Konzession muss er selbstverständlich zahlen … aber er hat kein Geld! Nun gut, dann vereinbaren wir folgendes: Der Bauunternehmer erhält einen Pachtvertrag für den Boden, baut darauf Häuser, und sobald das Dorf steht, bezahlt er die im Pachtvertrag genannte Summe aus der Vermietung der Häuser … Was übrig bleibt, gehört ihm: So zieht er seinen Vorteil daraus und auch die Kompanie, die regelmäßige Einnahmen aus der Pacht bezieht; den größten Vorteil aber haben die Bewohner, denn sie wohnen in ordentlichen Häusern zu einer vernünftigen, von uns festgelegten Miete!“ (Seite 383f)

Obwohl van Donck seinen Verhandlungspartnern erklärt, dass sie mit dem Liebeswerk ebensoviel wie mit anderen Anlagen verdienen und sich dabei noch als Philantropen fühlen könnten, lassen sie sich nicht dafür gewinnen.

Als Willem Augustijn den ihm verhassten Bauern Bertijn mit einer Chaise ausfahren sieht, bringt er das Gespann mit einem Schuss seiner Hundepistole dazu, dass es durchgeht. Bertijn wird aus dem Fahrzeug geschleudert; die Pferde Luctor und Emergo galoppieren ins Wasser, bleiben dort mit der Kutsche stecken und ertrinken. Willem Augustijn unterrichtet den Steuerpächter Bergsma, dem die Tiere gehörten, brieflich über den Unfall und weist dem Bauern die Schuld zu. Dem rät er, Bergsma mit einem schriftlichen Schuldbekenntnis zu besänftigen. Danach werde man sich über Ratenzahlungen einigen können, redet er Bertijn ein, und nach ein paar Teilzahlungen über den Erlass des Restes. Mit der schriftlichen Erklärung, unter die Bertijn drei Kreuze als Unterschrift setzt, kann Willem Augustijn ihn jederzeit in den Ruin treiben, zumal sich der Jurist die Forderung von Bergsma übereignen lässt. Abgesehen hat er es auf die 1000 Gulden, die der Bauer für seinen Sohn sparte.

Wieder einmal schlägt Willem Augustijn sich mit der Klistierspritze in die Büsche. Er hört ein Kichern und entdeckt Jeltse, die mit blankem Hintern auf einem am Boden liegenden jungen Mann reitet. Die beiden merken nicht, wie er näherkommt.

In aller Gemütsruhe, da er hier gänzlich ausgeschlossen war, glaubte Willem Augustijn einfach husten oder sich räuspern zu können, ohne dass es die Vorstellung auch nur im geringsten unterbrechen würde, als sei er im Theater oder betrachte ein Gemälde. Er setzte sich zwischen die gespreizten Beine des jungen Burschen, legte die Arme um seine Knie und starrte in Jeltses Hintern wie ein Hirte ins Lagerfeuer. Die Fülle darunter, die zielgerichtete Biologie von Zapfen, Schlitz und Skrotum, nahm er schon nicht mehr wahr – es war die Leere, die ihn anzog, die unergründliche, stumme Suggestion des Hintergesichts.
[…] Mit stummer Ehrfurcht starrte er auf den pulsierenden, kerngesunden Anus, einen Talisman, dessen Zauberkraft ihm wie eine versengende Hitze ins Gesicht schlug […] (Seite 406f)

Nach einer Weile zieht er Jeltses Hinterbacken auseinander und bohrt ihr einen Finger in den After. Sie bewegt sich nur noch heftiger, bis die Konvulsionen nach einem „furchterregenden Wiehern und Schnauben“ nachlassen. Erst als er „Abe liebt dich!“ schreit, fährt das Paar wie nach einem Peitschenhieb auseinander.

Der debile Diener Perk verliebt sich 1749 in die neue Küchenmagd Judith Bloem, eine Jüdin, deren Anblick auch Willem Augustijn erregt.

Was würde geschehen, wenn er sein vogtliches Kapital einmal in eine bescheidene Anlage wie eine Küchenmagd ausschüttete? (Seite 423)

Also belauert er die beiden, bis er sie im Alkoven in flagranti erwischt. Daraufhin sperrt er Perk in ein Zimmer und verständigt seinen Vater, der ihm zustimmt, dass Judith noch am selben Tag das Anwesen verlassen muss. Mit einem Empfehlungsschreiben schickt Frederik van Donck sie zu dem reichen Fabrikanten Henson nach Makkum.

Nachdem die Franzosen Hulst 1749 geräumt haben, begibt Willem Augustijn sich auf die Reise, um endlich das Amt des Vogts anzutreten. In Amsterdam, Haarlem und Den Haag macht er Station. Dabei trifft er Bergsma, der ihn darüber aufklärt, dass sein Vater das Amt nicht etwa verbotenerweise für ihn kaufte, sondern es beim Bridge gewann.

Bergsma überredet Willem Augustijn, eine höchstens vierzig Jahre alte Witwe zu besuchen, die in einer Kammer über der Werkstatt eines Schuhmachers wohnt. Sie verlangt von Willem Augustijn, dass er die Hose auszieht, sich eine Schürze umbindet und auf den Boden kniet, um wie ein Dienstmädchen den Staub von den Fußleisten zu wischen. Dann stellt sie sich mit geschürztem Rock über ihn, sodass er zu ihr hochschauen muss. Während er mit einem Finger ihre Schamlippen öffnet, schiebt er sich einen anderen in den After. In diesem Augenblick betritt Bergsma mit dem Schultheiß Crusio sowie den Herren de Wit und de Bruin den Raum. Wieder einmal wird Willem Augustijn in einer peinlichen Situation überrascht.

Weil die Herren ihn nun in der Hand haben, bleibt ihm nichts anderes übrig, als die Lizenz für die Zuckererzeugung in eine gemeinsam in Bergen op Zoom gegründete „Sozietät für Zuckerraffinage und Assekuranzen“ einzubringen, die auch das Liebeswerk der Armensiedlung finanzieren soll.

Sein Vater warnt ihn in einem Brief vor Bergsma und teilt ihm als Neuigkeiten mit, dass die Magd Judith auch bei Henson wegen eines Beischlafs verjagt worden sei, Jeltse geheiratet habe und Catharina einen Adeligen namens Gronsveld heiraten werde.

Bergsma hält es für erforderlich, den Zeichnungswilligen vor der Emisson der Aktien der neuen Gesellschaft nicht nur weißen Zucker zu präsentieren, sondern auch Dorrius‘ Notizen, denn sonst könnten sie das Unternehmen für imaginär halten. Die Tüte mit dem Zucker, die Bergsma von seinem Privatsekretär Breukje bewachen lässt, hat Willem Augustijn inzwischen heimlich durch eine gleich aussehende Tüte mit Asche ersetzt. Die Aufzeichnungen habe er in Workum zurückgelassen, erklärt Willem Augustijn, aber – wie er inzwischen von seinem Vater wisse – seien sie dort auch nicht mehr. Gelassen lässt Bergsma ihn daraufhin seine Reisetruhe auspacken. Ganz unten liegt die braune Ledermappe. Wie sich herausstellt, schlich Breukje sich in Bergsmas Auftrag in Workum ein, als Willem Augustijn reisefertig war. Er leerte die Truhe, legte die Mappe hinein und packte anschließend die Reisesachen wieder darauf.

Wenn Sie noch nicht erfahren möchten, wie es weitergeht,
überspringen Sie bitte vorerst den Rest der Inhaltsangabe.

Offenbar ist Willem Augustijn dem gerissenen Steuerpächter Bergsma nicht gewachsen. Aber der eigentliche Coup steht erst noch bevor. Er beginnt mit der Ausgabe der Aktien. Bei der Geschäftsgründung handelt es sich um ein Schwindelunternehmen: Spekulanten treiben den Kurs zunächst in die Höhe und verpflichten sich gegenüber Unwissenden, ihnen zu einem bestimmten Zeitpunkt Aktien für einen niedrig erscheinenen Kurs abzutreten. Willem Augustijn versteht nicht, warum die Herren die gerade erworbenen Aktien unter Wert verkaufen wollen, aber Bergsma öffnet ihm die Augen:

„Ihre eigenen Aktien?“, schnaubte Bergsma. „Nein, Mijnheer, diese Kerle überschwemmen den Markt mit billigen Aktien, die sie überhaupt noch nicht besitzen. Sie verpflichten sich nur, diese Papiere übermorgen, oder nächste Woche, oder in zwei Wochen zu liefern … sagen wir, zu einem Limit von neunzig … Aber zu diesem Zeitpunkt haben sie den Kurs längst auf sechzig gedrückt … Die Aktien, die sie zu neunzig liefern müssen und für die sie also neunzig erhalten, kaufen sie selbst, eine Stunde vorher, zu diesen sechzig auf … Dreißig Prozent Gewinn pro Abschluss! Dreißig Prozent!“ (Seite 666)

Während Willem Augustijn begreift, dass es sich bei der geplanten Zuckerraffinerie um ein Scheingeschäft handelt, an dem Bergsma und einige andere Spekulanten auf Kosten anderer eine Menge Geld verdienen, erscheint der Staatsanwalt Saffraan mit einer Abteilung Soldaten, lässt alle Anwesenden registrieren, Geld und Bücher sicherstellen und ordnet an, Willem Augustijn als den für das Projekt Verantwortlichen zu verhaften. Bergsma sorgt jedoch dafür, dass der Gesuchte vermummt entkommt. Willem Augustijn wundert sich nicht nur darüber, sondern auch über Saffraan, der ihm zuzwinkert, als er an ihm vorbeigeht.

Auf der Treppe zu der Dachkammer, in der Willem Augustijn übernachten will, stößt er auf Bergsmas stark betrunkenen Privatsekretär Breukje. Den zerrt er mit in die Kammer und aufs Bett. Dabei begreift er, dass es es sich bei dem Ohnmächtigen um Willem II. handelt.

Inzwischen weiß er auch, dass seine Mutter nicht erst zwei Jahre nach seiner Geburt gestorben war, wie es immer hieß, sondern im Wochenbett. Deshalb kann sein Vater ihn nicht ausstehen. In seinem Kummer versuchte sich Frederik van Donck damals mit einer anderen Frau zu trösten und zeugte dabei einen Sohn, den er zwölf Jahre später aus dem Waisenhaus holte. Als Willem II. von Bergsma erfuhr, dass sein vermeintlicher Wohltäter nicht bereit war, ihn als Sohn anzuerkennen, lief er davon.

Nachdem Willem Augustijn seinem wehrlosen Halbbruder die Hose heruntergezogen hat, tut er das Gleiche, und während er ihn vergewaltigt, stirbt Willem II.

Am anderen Morgen kommen der Staatsanwalt Saffraan, der Schultheiß Crusio, der Pfarrer Lemstra, die Herren de Wit und de Bruin sowie Perk in die Dachkammer. Willem Augustijn liegt noch immer mit heruntergelassener Hose auf Willem II. Er kann nicht aufstehen, denn er steckt in der erstarrten Leiche fest. Gewaltsam reißen ihn die Herren hoch, und Saffraan lässt ihn abführen.

In einem Kellerverlies wartet Willem Augustijn auf den Scharfrichter. Nach einigen Tagen taucht sein Vater in Begleitung des Schultheißen Crusio und des Pfarrers Lemstra auf. Vor den beiden Zeugen richtet Frederik van Donck eine Pistole auf die Brust seines Sohnes und erschießt ihn.Der Sterbende hält den Mord für einen Liebesbeweis:

Sein Vater hatte ihn nicht niedergeschossen, weil er die Schande seines Sohnes nicht mehr ertragen konnte, sondern im Gegenteil, um diese zu übernehmen; sein Vater würde sich für ihn vor Gericht verantworten … alles für ihn ertragen … es war ein Liebesschuss gewesen … Gutenachtkuss … eiapopeia, Junge, schlaf … eiapoeia, schlaf … (Seite 710)

Nach dem Schuss lässt sich Frederik van Donck widerstandslos von Crusio Handschellen anlegen und abführen.

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Bei „Liebeswerk“ handelt es sich um eine Mischung aus historischem Roman, Sittengemälde, Familiengeschichte, Wirtschaftskrimi und Groteske. „Liebeswerk“ spielt zwar in der Mitte des 18. Jahrhunderts, aber einige Züge – etwa die Kaschierung raffgieriger Geldgeschäfte mit angeblich wohltätigen Motiven – mutet sehr viel moderner an. Thomas Rosenboom zeigt, dass weder die Geldgier noch die Jagd auf möglichst lohnende Renditen erst mit der Spekulationsblase um die Jahrtausendwende aufkam.

In die alten Formen nachempfundene Sprache fügt Thomas Rosenboom immer wieder fiktive Briefe ein, und das gut 41 Seiten lange zweite Kapitel des ersten Teils („Die Liebe“) besteht überhaupt nur aus Briefen. Thomas Rosenboom verlangt den Lesern sehr viel Geduld ab, denn er schwelgt in einer barocken Motivfülle und lässt sich außergewöhnlich viel Zeit bei der Entwicklung der Handlung. In Anlehnung an die ekelhafte Anal-Manie, von der Willem Augustijn van Donck in „Liebeswerk“ umgetrieben wird, könnte man von einer Logorrhö sprechen, zumal auch sprachliche Entgleisungen wie zum Beispiel die folgenden stören:

Wie gelähmt starrten sie auf die schwarze Türöffnung, dann ertönte, ganz nah beim Haus, ein krachender Schuss … (Seite 253)

Wie ein üppiger Blumenstrauß erhob sich ihr Oberkörper aus der Vase ihrer Hüften, wilde Sonnenblumen mit hundert brennenden Herzen in der Krone ihrer ungestümen, rotschwarzen Haarpracht. Immer, wenn ihre grazilen Knöchel kurz unter ihren Röcken hervorblitzten, schwiegen die Vögel. (Seite 419)

So heftig atmete sie, dass die zwei schlafenden Welpen ihrer Brüste dabei gewiegt wurden, auf und ab im Mieder. (Seite 465)

Die Kajüte würgte; wie Leckwasser schwappte die Dunkelheit in ihr hin und her; alles knirschte und rüttelte, die Eingeweide schwollen auf von Darmgasen, schrumpften dann wieder zusammen: Die berstende Barke wollte sich erbrechen, scheißen, furzen, aber Willem Augustijn lag eingeklemmt in seiner Koje, ein Stöpsel im Anus des Schiffs, ein Brocken Kot, ein wuchernder, sich selbst weiterzüchtender Anbau von Exkrementen: Er schiss, kotzte, furzte aus allen Öffnungen zugleich. (Seite 496)

Die Handlung des Romans „Liebeswerk“ ist zwar fiktiv, spielt aber in den Kulissen der niederländischen Geschichte am Ende des österreichischen Erbfolgekriegs (1740 – 1748) und im Jahr danach, die Thomas Rosenboom denn auch in drei Kapiteln repetiert. Auch die Entdeckung des Rübenzuckers durch Andreas Sigismund Marggraf ist historisch verbürgt.

 

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2008
Textauszüge: © Suhrkamp Verlag

Die Entdeckung des Rübenzuckers durch Andreas Sigismund Marggraf

Thomas Rosenboom: Neue Zeiten

Tanguy Viel - Das Verschwinden des Jim Sullivan
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