Die Besucherin

Die Besucherin

Die Besucherin

Originaltitel: Die Besucherin – Regie: Lola Randl – Drehbuch: Lola Randl – Kamera: Philipp Pfeiffer – Schnitt: Natali Barrey – Musik: Maciej Sledziecki – Darsteller: Sylvana Krappatsch, Samuel Finzi, André Jung, Jule Böwe, Isabell Metz u.a. – 2008; 100 Minuten

Inhaltsangabe

Die Radiologin Agnes, die den Lebensunterhalt für sich, ihren Ehemann und die Tochter verdient, hat sich von ihren Angehörigen entfremdet. Sie sehnt sich danach, aus ihrem Alltagsleben auszubrechen, und als sie auf eine fremde Wohnung aufpassen soll, schafft sie sich dort einen Freiraum. Das geht so weit, dass sie mit dem zurückgekehrten Mieter eine sexuelle Affäre beginnt ...
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Kritik

Lola Randl erklärt in ihrem unaufgeregt inszenierten Debütfim "Die Besucherin" nichts, sondern beobachtet ihre Figuren nur. Einiges wirkt surreal, vieles bleibt rätselhaft.
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Köln, 2007. Als die Radiologin Agnes Langer (Sylvana Krappatsch) von ihrer Praxis nach Hause fährt, stürzt ihr ein vom Balkon gesprungener Selbstmörder vors Auto. Sie erschrickt kurz, steigt dann aus, handelt überlegt und wartet teilnahmslos auf die Polizei.

Zu Hause warten ihr Ehemann Walter (Samuel Finzi) und ihre jüngere Schwester Karola (Jule Böwe) mit den Freunden Rainer, Jill, Anne und Helmut (Stephan Ullrich, Melanie Spielmann, Maria Faust, Konrad Domann) auf sie, um ihren Geburtstag zu feiern. Ihre dreizehnjährige Tochter Leni (Isabel Metz) sitzt währenddessen lustlos vor dem Fernsehgerät. Agnes bedankt sich für das Geschenk – ein Kimono – und gibt sich freundlich, ist aber froh, als die Gäste fort sind. Sie sei müde, erklärt sie Walter, und müsse früh aufstehen.

In der Tat verdient Agnes das Geld, während Walter an einem Kriminalroman schreibt, sich um die Erziehung der Tochter und den Haushalt kümmert, putzt und kocht.

Am nächsten Tag kommt Karola zu Agnes in die Praxis. Sie will sofort zu einem Bekannten nach Andalusien fliegen, leiht sich von ihrer Schwester 2000 Euro und drängt sie, an ihrer Stelle die Blumen in einer Wohnung zu gießen, deren Mieter verreist sind.

Widerstrebend sucht Agnes die Adresse. Auf dem Türschild steht „Bruno und Theresa Vorberg“. Die Pflanzen sind bereits verwelkt, und in einem Käfig liegt ein toter Kanarienvogel. Agnes reißt erst einmal die Fenster auf.

Als es nachts regnet, fällt ihr ein, dass sie die Fenster in der fremden Wohnung offen gelassen hat. Sie steht auf, fährt hin und wischt die Pfütze auf, die sich bereits auf dem Boden gebildet hat. Bruno Vorberg ruft an und spricht auf den Anrufbeantworter: Offenbar nimmt er an, seine Frau Theresa sei da, hebe jedoch nicht ab.

Eine Lehrerin (Christina Caspers) verdächtigt Leni, den Meteoriten gestohlen zu haben, den sie während des Unterrichts in der Klasse herumgeben ließ. Leni leugnet, und ihr Vater glaubt ihr.

Während Agnes wieder einmal in der fremden Wohnung ist, klingeln ein Junge (Felix Bröckling) und dessen Eltern (Karolin Stern, Steffen Will) an der Tür. Julius Brunner, so heißt der Junge, hat Frau Vorberg vor längerer Zeit etwas geliehen und möchte es jetzt, wo sie tot ist, zurückhaben. So erfährt Agnes, dass die Mieterin der Wohnung nicht mehr lebt. Sie entwickelt mehr Interesse für die fremde Frau, als für ihren Mann und ihre Tochter, hört den Anrufbeantworter ab und liest Briefe, die sie in einer Schachtel fand. Daraus geht hervor, dass Theresa zu ihrem Geliebten Wolf Schneider (Sebastian Weber) nach Korsika flog und auf dem Weg dorthin bei einem Autounfall am 26. Mai ums Leben kam.

Einmal entdeckt Agnes in der fremden Wohnung einen Fleck auf ihrer Bluse. Sie wäscht das Kleidungsstück, hängt es zum Trocknen ans Fenster und zieht etwas aus dem Kleiderschrank an.

Als Karola enttäuscht aus Spanien zurückkommt und den Schlüsselbund zurückhaben möchte, behält Agnes ihn unter einem Vorwand. Sie und Walter nehmen Karola vorübergehend bei sich auf.

Immer länger hält Agnes sich in der Wohnung auf und identifiziert sich mit der ihr unbekannten Mieterin. Die Räume bieten ihr die Möglichkeit, ihrem Alltagsleben zu entkommen. Sie legt sich sogar in das ungemachte Bett, und als ein Fremder auftaucht, bei dem es sich nur um Bruno Vorberg (André Jung) handeln kann, tut sie so, als schlafe sie. Bruno scheint sich auch nicht weiter über die Frau im Ehebett zu wundern. Wortlos legt er sich hinter sie und penetriert sie a tergo. Widerstandslos lässt Agnes es geschehen. Nachdem er gekommen ist, steht sie auf und zieht ihren Slip hoch, ohne ein Wort zu sagen. Erst kurz bevor Agnes zur Tür geht, erklärt sie, dass sie die Schlüssel von ihrer Schwester bekam, die auf die Wohnung aufpassen sollte. Bruno möchte, dass sie den Schlüsselbund behält, aber er fragt nicht, wer sie ist und ob sie wiederkommt.

Agnes lässt sich eine neue Frisur machen und fährt kurz darauf wieder zu der Wohnung. Bruno ist noch da. Sie schlafen wieder wortlos miteinander.

Als sie nach Hause kommt, tanzen Walter und Karola Tango.

Mitten in der Nacht steht Agnes auf, fährt zu der anderen Adresse und legt sich zu Bruno ins Bett. Ihre Sprechstundenhilfe Miriam (Lina Beckmann) wundert sich darüber, dass sie mehrere Stunden zu spät in die Praxis kommt, obwohl Patienten bestellt waren.

Auf ihren Vorschlag hin gehen Walter und Leni mit Agnes zum Pilzesammeln in den Wald, aber sie läuft plötzlich zur Straße, lässt sich von einer zufällig vorbeikommenden Autofahrerin mit in die Stadt nehmen und eilt zu Bruno. Der nimmt sie mit zu einer Gartenparty, wo er seinen Bruder Max nach fünfzehn Jahren erstmals wiedersieht und sich mit ihm prügelt. Während der Heimfahrt steigt Agnes an einer roten Ampel aus dem Auto und geht nach Hause.

Einige Tage später berichtet Walter seiner Frau, der Mieter der Wohnung, auf die Karola aufpassen sollte, habe ihm geholfen, die kaputte Waschmaschine zu reparieren. Bruno Vorberg sei vorbeigekommen, um nach Agnes zu fragen. Sie wundert sich darüber, woher Bruno ihre Adresse hatte. Er kannte doch nicht einmal ihren Namen.

Sie fährt zu ihm und verabschiedet sich ohne Kuss von ihm. Sie wussten beide von Anfang an, dass es für ihre rein sexuelle Beziehung keine Zukunft geben würde. Als Agnes wieder nach Hause kommt, scheint bei den Nachbarn etwas passiert zu sein, denn es sind Polizisten, Hilfskräfte und Reporter da. Agnes interessiert sich nicht dafür.

Karola will erneut nach Andalusien.

Beim Aufräumen findet Agnes den von der Lehrerin gesuchten Meteoriten. Sie wirft ihn weg.

Walter trennt sich von Agnes. Zum Abschied sagt er: „Wenn man ein neues Leben anfängt, kann es schon sein, dass man sich trotzdem wieder trifft. Im letzten Leben ist man sich ja auch begegnet.“

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Leni hat im Kunstunterricht aus einem Schuhkarton einen Guckkasten gebastelt, in dem ein Käfer in einem Miniaturwohnzimmer zu sehen ist. (Dabei denkt man an „Die Verwandlung“.) Agnes fühlt sich in ihrer Familie ebenso fehl am Platz wie der Käfer in seinem Gefängnis. Sie hat sich von ihrem Mann und ihrer Tochter entfremdet. Ohne dass sie ein bestimmtes Ziel anstreben würde, sucht Agnes nach einer Möglichkeit, aus ihrem Alltagsleben auszubrechen, und als sie vorübergehend auf eine fremde Wohnung aufpassen soll, nutzt sie die Gelegenheit dazu, sich einen Freiraum zu schaffen. Das geht so weit, dass sie mit dem zurückgekehrten Mieter eine sexuelle Affäre beginnt, ohne etwas von ihm zu wissen oder ihm auch nur ihren Namen zu sagen. Als sie in ihr altes Leben zurück möchte, ist es zu spät.

Lola Randl erklärt in ihrem Debütfim „Die Besucherin“ nichts, sondern sie beobachtet Agnes wie einen Käfer im Guckkasten. Vieles bleibt rätselhaft, und die Szene, in der Bruno und Agnes zum ersten Mal miteinander kopulieren, ohne sich zuvor angesehen oder auch nur ein Wort gesprochen zu haben, wirkt surreal. Dabei sind die Bilder nicht etwa geheimnisvoll verschattet, sondern klar ausgeleuchtet. Das zurückhaltend und unaufgeregt inszenierte Drama wird von guten Bühnenschauspielerin aus München und Berlin getragen.

„Die Besucherin“ ist der erste abendfüllende Kinofilm von Lola Randl (* 1980), die an der Kunsthochschule für Medien in Köln studierte und 2007 die Drehbuchwerkstatt München besuchte. Vor „Die Besucherin“ drehte sie mehrere Kurzfilme, von denen einige prämiert wurden.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2010

Carl Zuckmayer - Geschichte von einer Geburt
"Geschichte von einer Geburt", das ist nicht das Werk eines Schriftstellers, der die Welt nur vom Schreibtisch aus beobachtet, sondern eine volkstümliche, deftige, expressionistische Erzählung aus dem prallen Leben.
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