An ihrer Seite

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An ihrer Seite – Originaltitel: Away from her – Regie: Sarah Polley – Drehbuch: Sarah Polley, nach der Kurzgeschichte "Der Bär kletterte über den Berg" von Alice Munro – Kamera: Luc Montpellier – Schnitt: David Wharnsby – Musik: Jonathan Goldsmith – Darsteller: Julie Christie, Gordon Pinsent, Olympia Dukakis, Michael Murphy, Kristen Thomson, Wendy Crewson, Alberta Watson u.a. – 2006; 110 Minuten

Inhaltsangabe

Grant und Fiona Anderson sind seit 44 Jahren verheiratet, als sich Fionas Geisteszustand schleichend verändert. Die Konsultation einer Psychiaterin bestätigt den Verdacht, dass sie an Alzheimer erkrankt ist. Fiona beschließt deshalb, in ein Pflegeheim zu ziehen. Als Grant sie nach 30 Tagen erstmals besuchen darf, hält sie ihn für einen Neuzugang. Jeden Tag kommt er wieder, aber es schmerzt ihn, mit ansehen zu müssen, wie Fiona einen Patienten liebevoll umsorgt ...
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Kritik

"An ihrer Seite" ist keine deprimierende Krankheitsgeschichte, sondern ein ergreifender, überhaupt nicht rührseliger, verblüffend humorvoller und ganz und gar ungewöhnlicher Liebesfilm mit einer großartigen Hauptdarstellerin.
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In seiner Zeit als Universitätsprofessor hatte Grant Anderson (Jason Knight / Gordon Pinsent) die eine oder andere Affäre mit einer Studentin. Aber das ist lange her. Nach seiner Emeritierung vor zwanzig Jahren zog er sich mit Fiona (Stacey LaBerge / Julie Christie) in ein idyllisch gelegenes Landhaus in Kanada zurück. Inzwischen sind die beiden seit vierundvierzig Jahren verheiratet.

Als Fiona eine Bratpfanne nach dem Abtrocknen in den Kühlschrank stellt und die Küche verlässt, räumt Grant die Pfanne auf, ohne darüber ein Wort zu verlieren. Einige Zeit später kommt das Ehepaar William und Phoebe Hart (Thomas Hauff, Clare Coulter) zu Besuch. Fiona will die Weingläser nachschenken, bleibt jedoch unvermittelt stehen und starrt die Flasche an, weil ihr nicht mehr einfällt, wie das Getränk heißt. Immer mehr Wörter kommen ihr abhanden. In der Küche klebt sie Zettel an die Griffe der Schubladen und Schranktüren. Schließlich verirrt sie sich in der ihr eigentlich vertrauten Umgebung.

Eine Konsultation der Psychiaterin Dr. Fischer (Alberta Watson) bestätigt den Verdacht, dass Fiona an Alzheimer erkrankt ist. Sie beschließt, in ein Pflegeheim zu ziehen. Als Grant erfährt, dass die Patienten in den ersten dreißig Tagen nicht besucht werden dürfen, damit sie sich ungestört einleben können, ist er entsetzt und versucht, Fiona von ihrem Vorhaben abzubringen. Verglichen mit vierundvierzig Jahren Ehe seien dreißig Tage doch keine lange Zeit, tröstet sie ihn und hält an ihrem Plan fest.

Grant fährt Fiona zu dem Heim und trägt ihr Gepäck in das Zimmer, das die Leiterin Madeleine Montpellier (Wendy Crewson) ihr zugeteilt hat. Zum Abschied fordert Fiona ihren Mann auf, noch einmal mit ihr ins Bett zu gehen.

Nach dreißig qualvollen Tagen fährt Grant mit einem Blumenstrauß wieder hin. Fionas Zimmer ist leer. Er findet sie im Aufenthaltsraum. Sie sitzt neben einem Patienten im Rollstuhl und schaut ihm beim Bridge-Spielen zu. Ihren Mann hält sie für einen Neuzugang. Als er mit ihr spricht, erzählt sie ihm, Aubrey (Michael Murphy) sei ein langjähriger Freund von ihr. Verstört verlässt Grant das Heim.

Jeden Tag kommt er wieder. Dabei schmerzt es ihn, mit ansehen zu müssen, wie Fiona den anderen Mann liebevoll umsorgt. Sie glaubt, es handele sich bei dem täglichen Besucher um einen hartnäckigen Verehrer. Das irritiert sie. Trotzdem bleibt sie höflich und freundlich. Allerdings lässt sie Grant stehen, sobald Aubrey murrt. Was sie zu Aubrey hinziehe, fragt Grant. „Er verwirrt mich nicht“, antwortet sie.

Stundenlang sitzt Grant im Aufenthaltsraum und sieht Fiona und Aubrey zu. Eine junge Besucherin glaubt, es handele sich bei den beiden um ein Ehepaar. Sie ist erschüttert, als sie begreift, dass Grant kein Heimbewohner ist, sondern Fionas still verzweifelter Ehemann.

Aubrey wird nach einiger Zeit von seiner Frau Marian (Olympia Dukakis) nach Hause geholt.

Daraufhin verfällt Fiona in eine Depression und verlässt kaum noch ihr Zimmer.

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Madeleine Montpellier weist Grant darauf hin, dass Fiona in diesem Zustand nicht länger in der allgemeinen Abteilung bleiben könne, sondern in einen besonderen Pflegebereich gebracht werden müsse. Um dies zu vermeiden, fährt Grant zu Marian. Zuerst denkt sie, er wolle sich über die enge Beziehung beschweren, die ihr Mann mit seiner Frau im Heim hatte, aber er versichert ihr, das sei nicht der Grund seines Besuches. Im Gegenteil: Er will sie vielmehr überreden, Aubrey wieder ins Heim zu bringen. Marian lehnt das ab, denn einen längeren Heimaufenthalt ihres Mannes könnte sie nur bezahlen, wenn sie ihr Haus verkaufen würde.

Einige Tage später überrascht sie ihn mit einer Nachricht auf seinem Anrufbeantworter: Sie schlägt ihm vor, gemeinsam eine Tanzveranstaltung zu besuchen. Danach bittet sie ihn, mit ihr ins Bett zu gehen.

Fiona wird in den Pflegebereich im Obergeschoss des Heims verlegt. Sie beachtet ihre Umgebung kaum noch.

Am Ende lässt Marian Aubrey von Grant wieder ins Heim bringen. Vor Fionas Zimmertür bittet er die Pflegerin Kristy (Kristen Thomson), die Aubrey im Rollstuhl schiebt, kurz zu warten. Fiona scheint ihn an diesem Tag zu erkennen, denn anders als sonst duzt sie ihn. Sie umarmt ihn sogar und sagt, sie sei glücklich, ihn zu sehen. Grant sagt ihr, er habe eine Überraschung für sie: Aubrey sei wieder da.

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„An ihrer Seite“ basiert auf der Kurzgeschichte „The Bear Came Over the Mountain“ der kanadischen Schriftstellerin Alice Munro, die 2001 in dem Buch „Hateship, Friendship, Courtship, Loveship, Marriage“ veröffentlicht wurde. Die deutsche Übersetzung von Heidi Zerning erschien unter dem Titel „Der Bär kletterte über den Berg“ in „Himmel und Hölle“ (S. Fischer Verlag, Frankfurt/M 2004, 380 Seiten, ISBN: 3-10-048819-9).

In ihrem Debütfilm als Regisseurin veranschaulicht die kanadische Schauspielerin Sarah Polley (* 1979) den schleichenden Beginn einer Alzheimer-Erkrankung und das allmähliche Verdämmern der Patientin. „An ihrer Seite“ macht zugleich deutlich, was es für einen liebenden Ehemann bedeutet, dass ihn seine Frau nicht mehr erkennt. Er muss lernen, ihrem Wohlbefinden den Vorrang gegenüber seinen eigenen Bedürfnissen einzuräumen.

Von einem Kinofilm über Alzheimer verspricht man sich wohl kaum einen lustigen Abend, aber bei „An ihrer Seite“ handelt es sich nicht um eine deprimierende Krankheitsgeschichte, sondern um einen ergreifenden, überhaupt nicht rührseligen, verblüffend humorvollen und ganz und gar ungewöhnlichen Liebesfilm.

Sarah Polley erzählt nicht streng chronologisch, sondern springt locker zwischen verschiedenen Zeitebenen hin und her. Neben einem intelligenten Drehbuch und einer einfühlsamen Inszenierung trägt vor allem Julie Christie mit einer ungewöhnlich sensiblen, nuancierten und facettenreichen schauspielerischen Leistung zum Erfolg von „An ihrer Seite“ bei.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2010

Alzheimer

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Gedanklich brillant beleuchtet Sebastian Haffner Gegensätze und Übereinstimmungen in Situationen, Motivationen und Aktionen und schildert ebenso pointiert wie leicht verständlich die Hauptlinien der komplexen Entwicklungen von September 1918 bis Januar 1919.
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