Stewart O'Nan : Westlich des Sunset

Westlich des Sunset
Originalausgabe: West of Sunset Viking, Penguin Group, New York 2015 Westlich des Sunset Übersetzung: Thomas Gunkel Rowohlt Verlag, Reinbek 2016 ISBN: 978-3-498-05045-0, 416 Seiten ISBN: 978-3-644-04231-5 (eBook) ISBN: 978-3-499-26937-0 (Taschenbuch)
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Weil er den mehrjährigen Aufenthalt seiner Frau Zelda in einer Privatklinik und das Internat für die Tochter bezahlen muss, nimmt der ohnehin verschuldete 41-jährige Schriftsteller F. Scott Fitzgerald 1937 einen Halbjahresvertrag als Drehbuchautor in Hollywood an. Die Zeit bis zu seinem Tod dreieinhalb Jahre später ist ein Niedergang. Daran ändert auch seine konfliktreiche Liebesbeziehung mit der Klatschkolumnistin Sheila Graham nichts ...
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Kritik

"Westlich des Sunset" ist eine Romanbiografie über F. Scott Fitzgerald. Stewart O'Nan erzählt allerdings nur vom Niedergang in den letzten drei Lebensjahren des Schriftstellers, und das tut er chronologisch, unpathetisch und ohne Effekthascherei.
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F. Scott und Zelda Fitzgerald (tabellarische Biografie)

Anlässlich des 17. Hochzeitstages darf die 37-jährige Zelda Fitzgerald im April 1937 das Highland Mental Hospital in Asheville/North Carolina vorübergehend verlassen und mit ihrem vier Jahre älteren Ehemann F. Scott Fitzgerald einen Ausflug zum Chimney Rock unternehmen. Scottie, die 15-jährige Tochter, wohnt seit Herbst 1936 im Internat der Ethel Walker School in Simsbury/Connecticut. Eigentlich kann sich F. Scott Fitzgerald die Unterbringung seiner an einer bipolaren Störung leidenden Frau in einer Privatklinik und die seiner Tochter in einem Internat gar nicht leisten. Deshalb bleibt der alkoholkranke Schriftsteller zwei Tage lang nüchtern und fährt mit der Bahn von Asheville nach New York zu einem Vorstellungsgespräch. Metro-Goldwyn-Mayer bietet ihm einen Halbjahresvertrag als Drehbuchautor in Hollywood an. F. Scott Fitzgerald hätte lieber an einem Roman gearbeitet, aber er benötigt das Geld. Drei Tage dauert die Zugfahrt quer über den Kontinent, von Ost nach West.

Das Studio reservierte ihm ein Zimmer in Santa Monica, aber er zieht ins Hotel The Garden of Allah in West-Hollywood um. Tagsüber arbeitet er wie die anderen Drehbuchautoren in einer MGM-Etage, die „Eiserne Lunge“ genannt wird. Abends trifft er das Liebespaar Marlene Dietrich und Ernest Hemingway oder andere Stars. Mit Humphrey Bogart freundet er sich an.

In nächster Nähe zu Ronald Colman verschlang Spencer Tracy ein Club Sandwich; neben ihm, die berühmten Lippen gespitzt, blies Katherine Hepburn auf einen Löffel Tomatensuppe. Mayer und Cukor schüttelten theatralisch einen sanduhrförmigen Würfelbecher, um zu sehen, wer bezahlen musste.

Als er die 33-jährige Klatschkolumnistin Sheilah Graham erblickt, erinnert sie ihn an Zelda in früheren Zeiten. Aber im Gegensatz zu Zelda, die sich in den Roaring Twenties gern in der Öffentlichkeit auszog, lässt Sheilah ihn beim Sex nicht an ihren BH. Zunächst vermutet er, dass sie etwas Unschönes verbergen will, aber als er sie beim Duschen überrascht, stellt er fest, dass das nicht der Grund sein kann. Im Juni war sie von John Gillam geschieden worden und hatte sich mit Dermot Richard Claud Chichester, dem 7th Marquess of Donegall, verlobt.

Nach ein paar Wochen wird er bei der Arbeit am Drehbuch für „A Yank in America“ von dem Briten Julian Layton abgelöst. Das schmerzt F. Scott Fitzgerald, denn es geht ihm nicht nur ums Geld, sondern auch darum, endlich wieder Erfolg zu haben.

Im September besucht er mit Scottie seine Frau in Asheville. Erschrocken stellt er fest, wie dick Zelda geworden ist. Außerdem stört ihn eine Zahnlücke.

Er war es so gewohnt, ihren Zustand zu beurteilen, jeder Schnitzer ein Symptom, dass er nicht damit aufhören konnte.

Ihr Leben spielte sich jetzt in einer anderen Welt ab, unter Menschen, die er nicht kannte – und das galt auch umgekehrt.

Er bringt es nicht fertig, Zelda von Sheilah zu erzählen, aber er weiß, dass er sich zeitlebens für seine Frau verantwortlich fühlen wird.

Nach zwei Wochen reisen Scott und Scottie wieder ab.

[…] nachdem er Scottie in ihre Maschine verfrachtet hatte, setzte er sich in die Flughafenbar und genehmigte sich einen doppelten Gin. Er konnte sich noch erinnern, dass er einen zweiten bestellte, und dann an nichts mehr bis Albuquerque. Er lag irgendwo ausgestreckt auf dem nassen Rasen, über ihm das Wasser eines Sprinklers. Sein Geld war weg, seine Jacke mit Blut bespritzt, und als er Sheilah anrief, erklärte sie, bevor er auch nur ein Wort sagen konnte, so lasse sie nicht mit sich reden, und legte auf.

Während seiner Abwesenheit wurde er in Hollywood erneut durch einen anderen Drehbuchautor ersetzt, durch Ted Paramore aus New York.


Wenn Sie noch nicht erfahren möchten, wie es weitergeht,
überspringen Sie bitte vorerst den Rest der Inhaltsangabe.


Ginevra King aus Chicago besucht ihren Sohn Buddy in einer Klinik in Santa Barbara und erfährt, dass F. Scott Fitzgerald in der Nähe lebt. Die beiden hatten sich 1915 kennengelernt und eine keusche Romanze begonnen, die endete, als Ginevra sich 1918 mit William Mitchell verlobte, dem Sohn eines Geschäfts­partners ihres Vaters. Scott und Ginevra verabreden sich, und sie erzählt ihm, dass sie angereist sei, um ihrem Sohn mitzuteilen, dass sie sich von William scheiden lassen werde.

Kurz nachdem Ginevra King nach Chicago zurückgekehrt ist, löst Sheilah ihre Verlobung mit Donegall und sagt zu Scott:

„Er hat mir vertraut, und ich habe ihn betrogen. Wir sind keine ehrenwerten Menschen, sondern Lügner! Was tun wir? Du liebst mich nicht, du hast mich bloß begehrt. Und jetzt begehrst du mich nicht mal mehr. Lieber trinkst du und läufst einer alten Freundin nach, die dir den Laufpass gegeben hat.“

Scott hat geglaubt, was Sheilah ihm über sich sagte: Er hält sie für eine Tochter aus einer reichen englischen Familie, deren Vater kurz nach ihrer Geburt starb und deren Mutter bei einem Autounfall ums Leben kam, als Sheilah 13 Jahre alt war. Während sie seinen gestohlenen Wagen aus Mexiko zurückholen, gesteht sie ihm, dass sie in Wirklichkeit Lily Sheil heißt und als jüngstes von sechs Geschwistern im Londoner East End aufwuchs. Die Eltern waren Juden aus der Ukraine. Ihr Vater starb tatsächlich, als sie noch ein Säugling war. Die analphabetische Witwe verdiente den Lebensunterhalt für sich und die Kinder als Waschfrau. Als sie schwer erkrankte, kam Lily im Alter von sechs Jahren in ein jüdisches Waisenhaus. Zehn Jahre später wurde sie Revuetänzerin. Seither ist Sheilah Graham ihr Künstlername. Sie schlug sich als Näherin, Kellnerin, Fließbandarbeiterin und Zimmermädchen durch, bis sie den deutlich älteren Major John Gillam kennenlernte und mit 18 seine Frau wurde. 1933 verließ sie ihn und versuchte ihr Glück in den USA.

Noch überraschter ist Scott Fitzgerald, als er erfährt, dass MGM seinen Halbjahresvertrag verlängert.

Ostern 1938 holt er Zelda in Asheville ab. Nachdem ihm der behandelnde Arzt eingeschärft hat, welche Medikamente Zelda einnehmen muss, reist er mit ihr nach Virginia Beach. Sie zertrümmert im Hotel eine große Vase, schreit, er wolle sie umbringen und behauptet, er sei aus einer Irrenanstalt ausgebrochen. Während Zelda dann zu ihrer Mutter Minnie Sayre nach Montgomery/Alabama fliegt, kehrt Scott nach Hollywood zurück.

Im Film „Three Comrades“ von Frank Borzage wird F. Scott Fitzgerald zum ersten und einzigen Mal als Drehbuchautor genannt. Zur Premiere in Grauman’s Egyptian Theatre begleitet ihn Sheilah. Am selben Tag findet auf der anderen Seite des Kontinents Scotties Schul­abschluss­feier statt, an der Zelda mit ihrer älteren Schwester Rosalind teilnimmt.

Im September beginnt Scottie am Vassar College in Poughkeepsie/New York zu studieren.

Einen Monat später entscheidet MGM, dass Anita Loos statt F. Scott Fitzgerald am Drehbuch für „The Women“ weiterarbeiten soll und beauftragt ihn, aus einem Treatment von Aldous Huxley das Drehbuch für „Madame Curie“ zu entwickeln. Aber bald darauf wird ihm auch „Madame Curie“ entzogen. Stattdessen soll er für Louis Burt Mayers Schwiegersohn David O. Selznick arbeiten, der „Vom Winde verweht“ drehen will und bereits acht andere Drehbuchautoren verschlissen hat. Scott Fitzgerald wird auch gleich wieder durch John Van Druten ersetzt.

Er spielt mit dem Gedanken, als Korrespondent nach Europa zu gehen, wo der Zweite Weltkrieg droht. Sheilah hält das für verrückt, denn er hat schon beim Treppensteigen Schwierigkeiten. Statt das Land zu verlassen, mietet F. Scott Fitzgerald das Haus „Belly Acres“ in Encino, einem Stadtteil von Los Angeles.

Als er Zelda zum 19. Hochzeitstag in der Klinik besucht, sagt ihm der Arzt, ihr Zustand sei seit fünf Monaten stabil. Sie ahnt, dass er in Kalifornien eine andere Frau hat und bietet ihm die Scheidung an, aber darauf geht er nicht ein.

Als sich sein langjähriger Literaturagent Harold Ober weigert, ihm erneut mit Geld auszuhelfen, überwirft Scott Fitzgerald sich im Juli 1939 mit ihm. Die Rechnung für eine Blinddarmoperation seiner Tochter kann er nur in Raten zahlen.

Weil er es nicht schafft, mit dem Trinken aufzuhören, zieht Sheilah sich von ihm zurück und engagiert eine Haushälterin für ihn. Sie heißt Erleen.

Doch jetzt sah sie [Sheilah] ihn, wie er Zelda sah, als hilflosen Chaosstifter.

Er beginnt an dem Roman „The Love of the Last Tycoon. A Western“ zu arbeiten und stellt eine belesene 23-Jährige aus New York als Privatsekretärin ein. Frances Kroll wird zu seiner Vertrauten.

Er ließ nicht zu, dass die Ungewissheit seine Arbeit beeinträchtigte, doch wenn Frances und Erleen am Ende des Tages gingen, war er allein und begann aus Verzweiflung zu trinken.
Er riss sich zusammen, verständigte den Arzt und stellte eine Krankenschwester ein, bevor er zu viel Schaden anrichtete, doch direkt nach Thanksgiving, als es ihm fast wieder gutging, machte er eine Flasche auf, stritt sich mit der Schwester und randalierte, jagte sie aus dem Haus und zertrümmerte dabei eine Lampe. Sie rief Sheilah an, die ihn mit Mozart und Tomatensuppe zu beruhigen versuchte. Wie ein kleines Kind warf er die Schüssel gegen die Wand.
Die Schwester stand mit ihrer nutzlosen Spritze da.
„Sie heißt in Wirklichkeit Lily Sheil. Sie hat Ihnen nicht erzählt, dass sie Jüdin ist, oder? Nein. Lily Sheil. Ihre königliche Hoheit aus dem East End, die ihre Titten über ganz London schwingt.“
Er wackelte mit den Hüften und lief lachend davon. Als ihm die Schwester die Tür zu seinem Zimmer versperrte, trat er sie ans Schienbein und kramte in der Kommode nach seiner Pistole. Sheilah verständigte die Polizei, aber da sie auf dem Land waren, war das nächste Revier meilenweit entfernt. Während der Streifenwagen mit heulender Sirene durch das Tal gebraust kam, schloss er sich im Bad ein und schluckte ein Röhrchen Schlaftabletten.
Später, sediert und reumütig, konnte er sich an nichts mehr erinnern, was seine Scham nur noch größer machte. Die Schwester kehrte zurück. Sheilah nicht.

Als er zusammenbricht und von Frances ins Krankenhaus gebracht wird, eilt auch Sheilah an sein Bett, und von da an sind sie wieder zusammen.

Zelda Fitzgerald wird im April 1940 aus dem Highland Hospital in Asheville entlassen und kehrt zu ihrer Mutter nach Montgomery zurück. Scott zieht in eine Wohnung in Sheilas Nachbarschaft in Hollywood, aber nachdem er einen Herzinfarkt erlitten hat, holt sie ihn in ihr Gästezimmer. Er stirbt am 21. Dezember 1940 in ihrem Apartment an einem erneuten Herzinfarkt.

Sein letzter Gedanke lautet:

„Aber ich bin noch nicht fertig.“

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„Westlich des Sunset“ ist eine Romanbiografie über F. Scott Fitzgerald, in der Stewart O’Nan Fakten und Fiktion vermischt. Auf die ersten 40 Lebensjahre des Schriftstellers geht der Autor nicht weiter ein. Stattdessen beginnt er „Westlich des Sunset“ 1937, als der 41-jährige alkoholkranke Schriftsteller aus finanzieller Not mit einem Halbjahresvertrag nach Hollywood zieht, um dort Drehbücher zu überarbeiten. Mit F. Scott Fitzgeralds Tod am 21. Dezember 1940 endet das Buch.

Es dreht sich um dreieinhalb miserable Jahre im Leben des Schriftstellers, der mit dem Roman „Der große Gatsby“ einen Welterfolg erzielt hatte. Scott und seine Ehefrau Zelda waren wegen ihres ausschweifenden Lebens in den roaring twenties von den Medien zum Glamourpaar des jazz age stilisiert worden. Aber davon sind 1937 nur noch Schulden übrig. Zelda wird von April 1936 bis April 1940 im Highland Mental Hospital in Asheville/North Carolina behandelt, und ihr Mann lebt von Juli 1937 bis zu seinem Tod getrennt von ihr in Hollywood. Es ist die Geschichte eines Niedergangs. Billy Wilder soll über F. Scott Fitzgeralds Versuche, Drehbücher zu bearbeiten, gestöhnt haben:

„Für mich war es, als würde ein großer Bildhauer dafür engagiert werden, als Klempner zu arbeiten. Er hatte keine Ahnung, wie er die verdammten Rohre verlegen sollte.“

Stewart O’Nan setzt sich nicht mit dem Betrieb in Hollywood auseinander. Den nutzt er nur als Kulisse für das Psychogramm des Verlierers. Dabei konzentriert er sich auf die Schwächen des Mannes, der nicht vom Alkohol loskommt, seine Frau betrügt und seine Geliebte misshandelt, wenn er betrunken ist. Das schemenhafte Bild, das Stewart O’Nan von Zelda Fitzgerald skizziert, ist allerdings noch schlimmer: Sie wird nur als Verrückte dargestellt, die Vasen zertrümmert, Nasen bricht und schon mal vor Hotelgästen behauptet, ihr Mann sei aus einer Irrenanstalt ausgebrochen und wolle sie umbringen.

Obwohl Stewart O’Nan in der 3. Person Singular schreibt, erfasst er aus seiner Erzählperspektive die Gefühle und Gedanken des Protagonisten.

Es ist eine trostlose Geschichte, die Stewart O’Nan in „Westlich des Sunset“ chronologisch, unpathetisch und ohne Effekthascherei entfaltet. Aufregender und mitreißender wäre das Buch, wenn der Autor einen anderen Lebensabschnitt gewählt hätte und beispielsweise über die spektakulären Auftritte des Ehepaares Fitzgerald in den Zwanzigerjahren geschrieben hätte. Aus irgendwelchen Gründen hat Stewart O’Nan es vorgezogen, sich nur mit F. Scott Fitzgerald zu beschäftigen und auch da nur mit den drei Elendsjahren vor dem Tod.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2017
Textauszüge: © Rowohlt Verlag

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