Nele Neuhaus : Wer Wind sät

Wer Wind sät
Wer Wind sät Originalausgabe: Ullstein Taschenbuch, Berlin 2011 ISBN: 978-3-548-28351-7, 559 Seiten
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Bei der Firma WindPro in Kelkheim wird die Leiche eines Nachtwächters gefunden. Ob er durch einen Unfall starb oder ermordet wurde, lässt sich zunächst nicht sagen. Kurz darauf stößt Heinrich Graf von Bodenstein, der Vater des Kriminalkommissars Oliver Bodenstein, auf einen weiteren Toten: Ludwig Hirtreiter, der Initiator einer Bürgerinitiative gegen den von der WindPro geplanten Bau eines Windparks im Taunus, wurde erschossen ...
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Kritik

Wer gerne Krimis mit komplexem Handlungsgefüge liest und die Spannung genießt, die sich aus der geschickten Verteilung von Informationshäppchen ergibt, wird durch "Wer Wind sät" von Nele Neuhaus gut unterhalten.
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Am 11. Mai 2009 kehrt die Kriminaloberkommissarin Pia-Luise Kirchhoff mit ihrem Lebensgefährten Christoph Sander, dem Direktor des Opel-Zoos in Kronberg, von einem dreiwöchigen Urlaub aus China zurück. Der Flug von Shanghai nach Frankfurt am Main hat neun Stunden Verspätung. Sobald Pia ihr Handy im Abfertigungsgebäude wieder einschaltet, ruft ihr Chef an, Kriminalhauptkommissar Oliver von Bodenstein, der Leiter des Dezernats für Gewaltverbrechen bei der Regionalen Kriminalinspektion in Hofheim am Taunus. Weil Lorenz, der Sohn Bodensteins und seiner Ex-Ehefrau Cosima, an diesem Tag in Kelkheim seine Verlobte Thordis Hansen heiratet, schickte der Kommissar den neuen Mitarbeiter Kriminalobermeister Cemalettin Altunay nach Kelkheim, wo im Treppenhaus der Firma WindPro ein Toter gefunden wurde. Und er bittet Pia, ebenfalls hinzufahren.

Eine Buchhalterin der WindPro stieß an diesem Montagmorgen auf die Leiche des Nachtwächters Rolf Grossmann. Es sieht so aus, als sei der Mann durch einen Sturz auf der Treppe ums Leben gekommen. Dr. Henning Kirchhoff, der stellvertretende Direktor des Instituts für Rechtsmedizin in Frankfurt, dessen Ehe mit Pia vor drei Jahren geschieden worden war, zweifelt jedoch daran, denn der Tote hat einen kleinen Fetzen in der Hand, der von einem Latexhandschuh stammen könnte, und Kriminalhauptkommissar Christian Kröger, der Leiter des Erkennungsdienstes, fand auf einer Stufe einen Schuhabdruck in einem Blutfleck. Der Verwesungsgeruch ist unerträglich. Kirchhoff schätzt, dass der Tod in der Nacht von Freitag auf Samstag zwischen 3 und 6 Uhr eintrat. Auch im Chefbüro stinkt es fürchterlich. Dort liegt der Kadaver eines Hamsters.

Stefan Theissen, der Chef der Firma WindPro, sagt aus, er habe Rolf Grossmann trotz seiner Alkoholkrankheit beschäftigt, weil sie Schulfreunde gewesen seien. Dass es sich bei Grossmann um den Bruder seiner Ehefrau handelte, verschweigt er. Ebenso wenig erwähnt er, dass er am späten Freitagabend in der Firma war. Das findet die Polizei beim Überprüfen der Aufzeichnungen der Überwachungskameras heraus. Theissen kam um 23.26 Uhr durch die Tiefgarage. Gut drei Stunden später, um 2.41 Uhr, wurde ein vermummter Einbrecher gefilmt. Weil es keine Beschädigungen an Türen und Fenstern gibt, muss der Einbrecher über einen Schlüssel verfügt haben oder von jemandem eingelassen worden sein. Von 2.43 Uhr bis 3.14 Uhr wurde ein Kopiergerät benützt.

Mit diesen Erkenntnissen konfrontiert, bleibt Theissen nichts anderes übrig, als zuzugeben, dass er da war. Angeblich holte er nur kurz Unterlagen, die er vergessen hatte und verließ dann das Gebäude über die Feuertreppe, die nicht von einer Kamera überwacht wird.

Der Sicherheitschef des Unternehmens weist darauf hin, dass mehrere ausgeschiedene Mitarbeiter ihre Schlüssel nicht zurückgaben, darunter auch der im August 2008 entlassene Jannis Theodorakis, der das Unternehmen vergeblich vor dem Arbeitsgericht verklagte und es seither hasserfüllt verfolgt und sich zu diesem Zweck in der Bürgerinitiative „Keine Windräder im Taunus“ engagiert.

Die zweihundert Mitglieder der Bürgerinitiative wollen einen von der WindPro geplanten Windpark in Eppstein-Ehlhalten verhindern. Zu diesem Thema soll am 13. Mai eine Bürgerversammlung in der Dattenbachhalle in Eppstein stattfinden.

Jannis, der am 12. Mai seinen 43. Geburtstag feiern wird, wohnt bei seiner ein Jahr jüngeren Lebensgefährtin Friederike („Ricky“) Franzen in Schneidhain. Seit Anfang des Jahres beherbergt Ricky in ihrem Haus auch ihre frühere Schulfreundin Nika, die sich angeblich von einem Burn Out erholt.

Nika hilft Ricky im „Tierparadies“, einer Tierhandlung mit Hundesalon und
-schule in Königstein. Dort beschäftigt Ricky außerdem Frauke Hirtreiter, die von ihr die Wohnung darüber gemietet hat und froh ist, nicht mehr bei ihrem Vater Ludwig Hirtreiter auf dem Rabenhof zwei Kilometer oberhalb von Ehlhalten leben zu müssen.

Ludwig Hirtreiter gründete die Bürgerinitiative „Keine Windräder im Taunus“. Für die Pfaffenwiese, die zu seinem Besitz gehört, hat ihm die Firma WindPro 3 Millionen Euro geboten, weil der Zugang zum geplanten Windpark nur über dieses Stück Land möglich wäre.

An diesem Montag erhält der Witwer, dessen Ehefrau Elfi vor zwei Jahren an Krebs starb, Besuch von seinen beiden erwachsenen Söhnen, die sonst ebenso wenig wie Frauke von ihm wissen wollen. Rasch durchschaut der Greis, warum Gregor aus Glashütten und dessen jüngerer Bruder Matthias aus Königstein gekommen sind. Sie haben von dem Angebot für die Pfaffenwiese erfahren und wollen, dass er es annimmt, denn sie befinden sich beide in massiven finanziellen Schwierigkeiten. Aber Ludwig Hirtreiter lässt nicht mit sich reden. Stattdessen wirft er seine beiden Söhne hinaus.

Bei der Obduktion der Leiche von Rolf Grossmann am Dienstag, 12. Mai, stellt sich heraus, dass er einen Infarkt erlitt und wohl deshalb im Treppenhaus stürzte. Dr. Henning Kirchhoff erklärt:

„Sein Herz war ziemlich im Eimer. Starke Linksherzvergrößerung und Vernarbungen.“

Es scheint sich also doch nicht um Mord zu handeln. Verletzungen lassen sogar darauf schließen, dass jemand versuchte, Grossmann wiederzubeleben. Aber wer war der Unbekannte?

An diesem Abend trifft sich der Vorstand der Bürgerinitiative im Gasthof Krone in Eppstein, um über das Vorgehen bei der Bürgerversammlung in der Dattenbachhalle zu beraten.

Auf dem Rabenhof warten derweilen Frauke, Gregor und Matthias auf ihren Vater. Die Brüder haben ihre Schwester inzwischen über das Angebot informiert, damit sie ihnen hilft, den Vater zum Verkauf der Pfaffenwiese zu überreden. Aber als Ludwig Hirtreiter spätabends noch immer nicht von der Vorstandssitzung zurückgekommen ist, fahren seine erwachsenen Kinder nach Hause.

Am nächsten Morgen findet Heinrich Graf von Bodenstein, der Vater des Kriminalhauptkommissars, die Leiche seines besten Freundes unter einem Kirschbaum. Jemand hat Ludwig Hirtreiter in Kopf und Bauch geschossen und auch seinen Hund getötet. (Bei der gerichtsmedizinischen Untersuchung wird sich herausstellen, dass Ludwig Hirtreiter zwischen 23 und 24 Uhr ermordet wurde.)

Georg Kilb, der Wirt des Gasthofs Krone, berichtet von einem heftigen Streit zwischen Ludwig Hirtreiter und Jannis Theodorakis bei der Besprechung des Vorstands der Bürgerinitiative, weil Jannis verraten hatte, wieviel die WindPro Hirtreiter für die Pfaffenwiese bezahlen will. Dadurch erwachte bei den anderen Teilnehmern das Misstrauen gegen den ohnehin unbeliebten alten Mann. Niemand glaubte ihm, dass er das lukrative Angebot nicht annehmen wollte.

Am Abend des 13. Mai begrüßt Reinhold Herzinger, der Bürgermeister von Eppstein, fünfhundert Gäste zur Bürgerversammlung in der Dattenbachhalle. Auf dem Podium sitzen Dr. Stefan Theissen für die WindPro, Frau Dr. Neumann-Brandt vom Hessischen Umweltministerium in Wiesbaden sowie Jannis Theodorakis und Klaus Faulhaber von der Bürgerinitiative. Sie diskutieren über den geplanten Windpark. Jannis behauptet, Windräder oberhalb von Ehlhalten seien völlig nutzlos. Die WindPro wolle sie nur errichten, um über Fonds und Subventionen Geld einzustreichen. Theissen weist darauf hin, dass sein Vorredner seit seiner Entlassung einen Rachefeldzug gegen die WindPro führe. Aber Jannis lässt sich nicht bremsen. Er behauptet, mit E-Mails nachweisen zu können, dass das Unternehmen Entscheidungsträger in der Landesregierung und bei der Stadt Eppstein bestochen habe. Der durch diese Äußerungen ausgelöste Tumult eskaliert in einer regelrechten Saalschlacht, bei der eine Frau ums Leben kommt und vierundvierzig Menschen verletzt werden. Außerdem verschwinden in dem Chaos die von der Bürgerinitiative gesammelten Unterschriften gegen das Windpark-Projekt.

Obwohl Oliver Bodenstein Jannis vor dem Beginn der Veranstaltung das Versprechen abgenommen hatte, dass er anschließend für eine Befragung zur Verfügung stehen werde, versucht der Aktivist unbemerkt wegzukommen. Aufgehalten wird er von Stefan Theissen, der ihm mit einem wütenden Schlag die Nase bricht.

Bei der polizeilichen Vernehmung behauptet Jannis, in der Nacht vom 8./9. Mai in Büttelborn gewesen zu sein, weil sein psychisch kranker Vater nach einem Tobsuchtsanfall in die Vitos Klinik für forensische Psychiatrie in Riedstadt eingeliefert werden musste.

Als er nach Hause kommt, findet er an seinem PC ein Post-it mit der Aufforderung, zu Nika zu kommen. Seit er sie zufällig nackt sah, treibt ihn ohnehin die Begierde nach ihr um. Ohne lange nachzudenken, geht er in ihr Zimmer. Er rechnet damit, dass sie noch etwas mit ihm besprechen möchte, aber stattdessen fordert sie ihn auf, mit ihr zu schlafen.

Nika handelt nicht unüberlegt. Dem Verlaufsprotokoll seines Browsers entnahm sie, dass er ihren vollen Namen herausfand und im Internet über sie recherchierte. Allerdings ahnt Annika Sommerfeld nicht, dass Jannis auch ihre Sachen durchwühlte und Banknotenbündel im Wert von 250 000 Euro entdeckte.

Am 14. Mai erwischt Pia die Gebrüder Hirtreiter im Haus ihres toten Vaters. Offenbar suchten sie vergeblich nach einem Testament. Statt das Polizeisiegel aufzubrechen, benutzten sie eine Hintertür. Das Treppengeländer dieses Aufgangs ist an einer Stelle zerbrochen. Pia entdeckt Blutspuren und Vogelfedern. In der Regentonne schwimmen der tote Rabe des Ermordeten und eine 2 Kilogramm schwere Madonnen-Statue aus Holz. Spuren lassen darauf schließen, dass eine Person, die Hirtreiters Verstecke kannte, zielsicher etwas aus einem Schrank holte und auf der Hintertreppe von dem Raben angegriffen wurde. Der Verdacht fällt auf Frauke, zumal Nachbarn sie am Vorabend auf dem Rabenhof sahen.

Pia und Christian Kröger fahren zu Fraukes Wohnung über dem „Tierparadies“ in Königstein. Dort ist niemand. Von der Nachbarin Irene Meyer zu Schwabedissen bekommen die Kriminalbeamten den Wohnungsschlüssel. Obwohl sie dazu eigentlich ohne Durchsuchungsbeschluss nicht befugt sind, schauen sich Pia und ihr Kollege in der Wohnung um und stellen ein im Kleiderschrank stehendes Gewehr sicher. (Bei der forensischen Untersuchung des Gewehrs wird sich herausstellen, dass es sich um die Waffe handelt, mit der Ludwig Hirtreiter ermordet wurde.)

Frauke ist verschwunden. Eine bundesweite Fahndung nach ihr wird eingeleitet. Allerdings sucht die Polizei nach dem falschen Auto, denn sie ist nicht mit ihrem eigenen Kleinwagen, sondern mit der Limousine ihres Vaters unterwegs.

Am Vormittag des 15. Mai ruft Heinrich von Bodenstein seinen Sohn an und bittet ihn, sich mit ihm in einem Café zu treffen. Aufgeregt berichtet der Graf, dass er gerade bei einem Notar war, der auf Drängen von Gregor und Matthias Hirtreiter das Testament ihres toten Vaters verlas, ohne es noch offiziell zu eröffnen. Zu ihrem Entsetzen erfuhren die beiden, dass sie außer einem kleinen Teil des Geldvermögens nur das Haus ihrer Mutter in Bad Tölz erben werden. Ihre Schwester Frauke soll den Rabenhof bekommen. Alle anderen Grundstücke vermachte Ludwig Hirtreiter seinem Freund Heinrich von Bodenstein, der also nun eine Entscheidung bezüglich der Pfaffenwiese treffen muss.

Theissen wird wütend, als er über den Inhalt des Testaments informiert wird. Der Eigentümer des strategisch wichtigen Grundstücks ist tot, der Erbe noch nicht im Grundbuch eingetragen. Wenn die Kinder des Verstorbenen, wie erwartet, das Testament anfechten, bleiben die Besitzverhältnisse für lange Zeit ungeklärt. Aber die Baugenehmigung für den Windpark läuft am 1. Juni aus, wenn bis dahin nicht mit der Realisierung begonnen wird.

Dr. Enno Rademacher, der kaufmännische Direktor der WindPro, stellt Oliver Bodenstein eine großzügige Vergütung in Aussicht, wenn es ihm gelingt, seinen Vater zur Annahme des Angebots zu überreden. Zugleich versucht er es mit einer Erpressung: Rademacher hat herausgefunden, dass das von Olivers jüngerem Bruder Quentin und dessen Ehefrau Marie-Louise bewirtschaftete Gut Bodenstein im Taunus ohne das dazugehörige Restaurant Verlust machen würde. Ein kleiner Lebensmittelskandal, droht Rademacher, könne deshalb desaströse Folgen haben. Aber mit den 3 Millionen Euro für die Pfaffenwiese wären alle finanziellen Sorgen vorbei.

Oliver Bodenstein verschweigt selbst Pia, mit der er seit vier Jahren eng zusammenarbeitet, dass sein Vater die Pfaffenwiese erben wird. Sie ahnt also auch nicht, wie sehr ihn die damit verknüpften Fragen beschäftigen. Aber sie hat ihn mit der bei Ricky und Jannis wohnenden Blondine Nika gesehen und seine Verliebtheit bemerkt. Darauf führt sie es zurück, dass er sich kaum noch um die Aufklärung der Fälle Rolf Grossmann und Ludwig Hirtreiter zu kümmern scheint. Die Arbeit bleibt an ihr hängen. Dabei beschwert Christoph sich schon seit längerer Zeit über die unvorhersehbaren Arbeitszeiten seiner Lebensgefährtin.

Am 15. Mai liest Prof. Dirk Eisenhut, der Direktor des Deutschen Klima-Instituts in Berlin, im Falkenstein Grand Kempinsky aus seinem neuen Buch „Der blaue Planet sieht rot“. Stefan Theissen in seiner Funktion als Vorsitzender des Wirtschaftsclubs Vordertaunus lud ihn dazu ein. Bei der anschließenden Diskussion meldet sich Jannis zu Wort.

Jannis behauptet, dass die beiden Gutachten über den geplanten Windpark, die Dirk Eisenhut vom Deutschen Klima-Institut und Brian Fuller von der Climatic Research Unit der University of Wales für Theissens Firma erstellten, auf gefälschten Daten basierten. Das habe die Klimaforscherin Dr. Annika Sommerfeld beim Vergleich mit anderen Gutachten herausgefunden. Als der Name fällt, horcht Eisenhut auf, aber bevor er Jannis festhalten lassen kann, verlässt dieser den Raum, nicht ohne zurückzurufen:

„Wir sehen uns wieder! […] Denn wer Wind sät, Herr Dr. Theissen, der wird Sturm ernten!“

Annika ist aufgebracht, als sie erfährt, dass ihr Name bei der Veranstaltung fiel. Eisenhut weiß nun, dass sie in der Gegend ist. Bei Ricky und Jannis ist sie nicht mehr sicher. Zuflucht sucht sie noch am selben Abend auf dem Gut der Familie von Bodenstein.

Dort sitzen Heinrich und Leonora von Bodenstein mit ihren Söhnen Oliver und Quentin sowie der Schwiegertochter Marie-Louise zusammen, um über das Angebot der WindPro für die Pfaffenwiese zu beraten. Obwohl Quentin und Marie-Louise die Rache der Unternehmer fürchten, will der Graf das Gelände auf keinen Fall verkaufen, denn er respektiert den erklärten Willen seines inzwischen ermordeten Freundes.

Überraschend steht Annika mit einem Koffer in der Türe und behauptet, Dirk Eisenhut trachte ihr nach dem Leben. Oliver Bodenstein, der seit der Scheidung seiner Ehe mit Cosima vor einem halben Jahr im ehemaligen Kutscherhaus des Guts wohnt, hört sich ihre Geschichte an und nimmt die Frau, in die er sich ohnehin verliebt hat, bei sich auf.

Die Biogeochemikerin studierte am Institut für Meereschemie in Hamburg. Als man ihr im September 1997 auf der Jahrestagung der Deutschen Geophysikalischen Gesellschaft in Kiel den Karl-Zoeppitz-Preis verlieh, sprach Dirk Eisenhut sie an und lud sie ein, bei ihm zu promovieren. Als seine Assistentin spezialisierte sie sich auf Klimaforschung. Im Mai 2008 lernte sie auf der Conférence internationale sur les changements climatiques in Deauville den irischen Journalisten Cieran O’Sullivan kennen, der ihr klarmachte, dass Eisenhut und andere namhafte Klimaforscher mit Billigung der Politik seit Jahren systematisch die Daten fälschen, auf deren Grundlage die Klimaprognosen der UNO erstellt werden, um der Öffentlichkeit eine drohende Klimakatastrophe vorzugaukeln.

Im Dezember 2008 traf sie sich mit O’Sullivan und seinem amerikanischen Mitstreiter Bobby Bennett in Zürich. Die beiden zeigten ihr in einem Bankschließfach deponierte Unterlagen, beispielsweise Mitschnitte von Telefongesprächen und Tausende von E-Mails, die illegal von einem Server heruntergeladen wurden. Sie beweisen, dass die Direktoren der vier Institute, von denen das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) sein Datenmaterial bezieht, systematisch Messergebnisse fälschten, um eine von der Menschheit verursachte Erderwärmung vorzutäuschen. O’Sullivan und Bennett vertrauten Annika den Schlüssel und das Codewort für das Bankschließfach an.

In einem Telefongespräch zeigte sich O’Sullivan sehr beunruhigt. Einer seiner Freunde hatte sich vom Dach der Universität in den Tod gestürzt, und Bennetts Leiche war am Tag nach dem Treffen in Zürich im Kofferraum eines im Parkhaus des Zürcher Flughafens abgestellten Mietwagen gefunden worden.

Am 24. Dezember 2008 habe Eisenhut sie ins Büro bestellt, um mit ihr auf Weihnachten anzustoßen, erzählt Annika weiter. Nachdem sie ein Glas Champagner getrunken hatte, verlor sie das Bewusstsein und kam erst in der geschlossenen Abteilung einer psychiatrischen Klinik halbwegs wieder zu sich. Am 30. Dezember wachte sie in einem Hotelbett auf. Sie war nackt und hatte ein blutiges Messer in der Hand. Voller Vorahnung schaute sie ins Bad. Dort lag O’Sullivans Leiche, und alles war voller Blut.

Wie sie aus der Klinik heraus in das Hotel hinein gekommen war, weiß sie nicht. Auf O’Sullivans Smartphone fand sie eine von ihrem eigenen Handy geschickte SMS, in der sie ihn gebeten hatte, sich mit ihr in einem Hotel in Wedding zu treffen. Annika ist jedoch überzeugt, diese SMS nicht selbst geschrieben zu haben. Offenbar wurde der Journalist in eine Falle gelockt und ermordet. Weil sie um ihr Leben gefürchtet habe, fährt Annika fort, sei sie überstürzt aus Berlin geflohen und habe bei ihrer früheren Schulfreundin Ricky Zuflucht gesucht, ohne sie über die Gründe aufzuklären oder auch nur über ihre Karriere zu sprechen.

Eisenhut erfährt von Theissen den Namen des Mannes, der Annika Sommerfeld bei der Veranstaltung in Falkenstein erwähnte, und findet rasch heraus, dass Jannis Theodorakis in Schneidhain wohnt.

Jannis wiederum glaubt zu wissen, dass Annika sich bei dem Kriminalkommissar versteckt, mit dem er sie nach der Bürgerversammlung in Ehlhalten sah. Um auf dem Gut der Familie von Bodenstein nachzuschauen, fährt er am 16. Mai mit dem Fahrrad los. Plötzlich rammt ihn ein Auto. Jannis stürzt zu Boden. Der Fahrer legt den Rückwärtsgang ein und überrollt mit dem rechten Hinterrad Jannis‘ ausgestrecktes Bein. Zwei Kerle mit Sonnenbrillen springen aus dem Wagen. Sie wollen wissen, wo sich Annika Sommerfeld aufhält, aber als eine Passantin auftaucht, fahren sie weg. Jannis wird ins Krankenhaus gebracht.

Ungefähr zur gleichen Zeit tauchen bei Bodensteins Vorgesetzter, der Kriminalrätin Dr. Nicola Engel, zwei hochrangige BKA-Beamte mit Dirk Eisenhut auf. Sie berichten, Annika Sommerfeld habe ihren Chef am 24. Dezember 2008 ins Büro gelockt, angeblich um mit ihm auf Weihnachten anzustoßen, sei dann aber mit einer an der Tischkante absichtlich zerbrochenen Champagnerflasche auf ihn losgegangen. Man wies sie deshalb in die Psychiatrie ein. Nach ihrer Flucht aus der Klinik tötete sie am 30. Dezember in einem Berliner Hotel den Journalisten Cieran O’Sullivan mit vierzig Messerstichen. Möglicherweise ermordete sie auch den Amerikaner Robert Bennett in einem Hotel in Zürich. Jedenfalls war sie zur Tatzeit in der Schweizer Stadt. Im Februar wurde ihr Auto bei Speyer aus dem Altrhein geborgen, aber von ihr selbst fehlte bisher jede Spur. Nun erwarten die Besucher von der Kriminalrätin, dass deren Leute bei der Suche nach Annika Sommerfeld mithelfen.

Enno Rademacher zeigt Oliver Bodenstein an. Der Kommissar habe ihm angeboten, für ein Honorar von 150 000 Euro die Unterschrift seines Vaters unter dem Kaufvertrag für die Pfaffenwiese zu besorgen, behauptet Rademacher bei einer Unterredung mit Nicola Engel. Für den Fall, dass die WindPro nicht bereit sei, die geforderte Summe zu bezahlen, habe Bodenstein damit gedroht, Beweise so zu fälschen, dass man ihn, Rademacher, wegen der Ermordung Ludwig Hirtreiters anklagen würde.

Nicola Engel, die eine Affäre mit Bodenstein gehabt hatte, bevor er Cosima heiratete, kann ihn sich nicht als korrupten Kommissar und Erpresser vorstellen. Weil er jedoch aufgrund der Erbschaft seines Vaters befangen ist, entzieht sie ihm die Leitung der Ermittlungen und beauftragt Pia Kirchhoff damit.

Irene Meyer zu Schwabedissen ruft bei der Polizei in Hofheim an und teilt mit, dass ihre Nachbarin Frauke Hirtreiter wieder aufgetaucht sei. Pia Kirchhoff und Christian Kröger fahren sofort nach Königstein. Kurz vor dem „Tierparadies“ kollidieren sie beinahe mit einem Jugendlichen auf einem Motorroller. Eine Halterabfrage ergibt, dass das Fahrzeug auf den inzwischen toten Nachtwächter Rolf Grossmann zugelassen ist.

Nachdem die beiden Ermittler Frauke Hirtreiter festgenommen haben, fahren sie nach Schneidhain, um noch einmal mit Jannis Theodorakis zu sprechen, dessen DNA an Grossmanns Leiche gefunden wurde. Dass er im Krankenhaus liegt, wissen sie noch nicht. Ein Nachbar sagt, vor einer Stunde habe bereits eine polizeiliche Hausdurchsuchung bei Ricky und Jannis stattgefunden. Die Beamten seien in Zivil gewesen. Im Bad stößt Pia auf den Jugendlichen, mit dem sie beinahe kollidiert wären. Er hat ein Küchenmesser in der Hand, an dessen Klinge Blut klebt. Der Junge rennt weg.

In der Badewanne liegt Ricky Franzen. Jemand hat sie gefesselt. Aber sie lebt und ist unverletzt. Zwei maskierte Männer hätten sie überfallen, sagt sie. Jannis‘ Arbeitszimmer unter dem Dach ist durchwühlt und nahezu ausgeräumt. Offenbar nahmen die Einbrecher alles mit, was Jannis über die WindPro und die falschen Gutachten gesammelt hatte.

Frauke Hirtreiter gibt zu, noch einmal allein im versiegelten Haus ihres Vaters gewesen zu sein. Sie habe eine Schatulle mit Dingen geholt, die ihrer Mutter teuer gewesen waren, weil sie befürchtete, dass ihre Brüder sie zu Geld machen würden. Dabei sei sie von dem Raben angegriffen worden. Den habe sie mit der Madonnen-Statue erschlagen, in deren Sockel ihr Vater den Schlüssel für die Schatulle versteckt hatte. Als sie einer Abschrift des Testaments entnahm, dass Gregor und Matthias das Elternhaus der Mutter in Bad Tölz erben würden, nahm sie das Auto ihres Vaters und fuhr nach Oberbayern, um drei Gemälde von Carl Spitzweg, Carl Rottmann bzw. Wladimir Bechtejeff zu holen, nicht um sie zu verkaufen, sondern um sie vor dem Zugriff ihrer Brüder zu schützen und aufzubewahren.

Wer das von ihr im Schrank aufbewahrte ungeladene Gewehr gegen die Mordwaffe austauschte, kann Frauke sich nicht vorstellen. Auf weitere Nachfragen gibt sie zu Protokoll, dass sie einen Zweitschlüssel für ihre Wohnung im Büro des „Tierparadieses“ aufbewahrt.

Bei dem Sechzehnjährigen, der mit einem Messer neben der Badewanne in Rickys Haus saß, handelt es sich um Mark-Philipp Theissen, den Sohn des in Königstein wohnenden Unternehmers. Von Marks Schwester Sarah erfährt Pia, dass er im Internat zwei Jahre lang von einem Lehrer missbraucht wurde – bis Dr. Michael Schütt 2007 auffiel. Zwei Tage vor Prozessbeginn erhängte sich Schütt im Gefängnis. Als Mark von dem Suizid erfuhr, lief er mit einem Golfschläger seines Vaters los und zertrümmerte zehn geparkte Autos. Dafür wurde er zu achtzig Stunden gemeinnütziger Arbeit verurteilt. So kam er zu Ricky ins Tierheim. Weil sie und ihr Lebensgefährte Jannis für Mark zu einer Art Ersatzeltern wurden, brach er die Beziehung nach der Verbüßung seiner Strafe nicht ab.

Den Motorroller lieh Mark sich übrigens von seinem Onkel Rolf Grossmann.

An diesem Abend besucht Oliver Bodenstein Pia Kirchhoff und Christoph Sander auf dem Birkenhof. Annika Sommerfeld begleitet ihn. Pia, die der Blondine von Anfang an misstraute, ist davon alles andere als begeistert. Aber Bodenstein erklärt ihr, die Klimaforscherin stehe zu Unrecht unter Mordverdacht und fürchte um ihr Leben.

Eisenhut taucht mit einem Mann vom Sicherheitsdienst des Deutschen Klima-Instituts bei Jannis am Krankenbett auf. Aus Furcht vor ihnen verrät Jannis, dass Annika Sommerfeld auf dem Gut der Familie von Bodenstein versteckt sein könnte.

Am nächsten Morgen sieht Oliver Bodenstein durchs Fenster, wie zwei dunkle Limousinen vorfahren und vier BKA-Beamte aussteigen. Sofort ruft er im Herrenhaus an und beschwört seinen Vater, nicht zu verraten, dass Annika sich im Kutscherhaus aufhält.

Annika hat ihm erzählt, sie habe bei der überhasteten Flucht aus Berlin ihren Pass vergessen und könne deshalb nicht über die Grenze, um die von Cieran O’Sullivan und Robert Bennett gesammelten Unterlagen aus dem Bankschließfach in Zürich zu holen. Kurzerhand leiht Bodenstein sich das Auto seines Bruders Quentin und fährt mit ihr los. Annika will in Konstanz warten, während er den Koffer aus Zürich holt. Auf dem Weg zum Bodensee übernachten sie bei Annikas Eltern auf einem Bauernhof in Heratskirch, einem Ortsteil von Bad Saulgau – und schlafen miteinander.


Wenn Sie noch nicht erfahren möchten, wie es weitergeht,
überspringen Sie bitte vorerst den Rest der Inhaltsangabe.


Sarah Theissen teilt Pia telefonisch mit, dass ihr Bruder wieder da sei. Die Kommissarin fährt nach Königstein, um mit ihm zu reden. Mit dem Küchenmesser habe er Ricky befreien wollen, sagt er. Blutig sei es gewesen, weil er sich versehentlich geschnitten habe. Mark gibt zu, in der Nacht vom 8./9. Mai mit einem Schlüssel seines Vaters in der Firma gewesen zu sein, beteuert jedoch, seinen Onkel nicht ermordet zu haben. Rolf Grossmann sei die Treppe hinuntergestürzt, und er, Mark, habe noch versucht, ihn zu reanimieren. Die DNA-Spur von Jannis Theodorakis stammt von einem Pullover, den Mark sich ausgeliehen hatte. Nachdem er den toten Hamster auf den Schreibtisch seines Vaters gelegt hatte, öffnete er den Tresor, dessen Code er kannte und kopierte Eisenhuts Gutachten für Jannis. An ihn leitete er auch E-Mails aus dem Computer seines Vaters weiter.

Unvermittelt flieht Mark über den Balkon.

Er ist tief enttäuscht. Am 14. Mai hörte er, wie Ricky sagte, der Windpark sei ihr völlig egal. Und Jannis gab zu, dass es ihm nicht um den Umweltschutz geht, sondern um Rache an Stefan Theissen. Bis dahin hatte Mark die beiden als seine Ersatzeltern geliebt und idealisiert. Nachdem er Ricky und Jannis zu seinem Entsetzen bei lieblosem Geschlechtsverkehr gesehen hatte, ertappte er Jannis und Nika am 15. Mai in der Küche beim Vorspiel. Am 17. Mai kam er dahinter, dass Ricky mit seinem Vater telefoniert hatte und schloss daraus, dass sie mit dem Gegner der Bürgerinitiative konspirierte. Da begriff er, dass Ricky und Jannis ihn belogen und ausnutzten.

Tatsächlich verlangt Ricky Franzen von Stefan Theissen die 500 000 Euro, die er ihr für die Torpedierung der Arbeit der Bürgerinitiative „Keine Windräder im Taunus“ versprochen hatte. Sie ließ während des Tumults in der Dattenbachhalle die Unterschriftenlisten verschwinden und täuschte den Überfall in ihrem Haus vor, damit Theissens Männer das von Jannis gesammelte Material rauben konnten. Mit dem Geld will sie in den USA ein neues Leben anfangen. Theissen hatte jedoch nie vor, sie zu bezahlen. Nun versucht er, sie unter Druck zu setzen, indem er damit droht, der Polizei zu verraten, dass sie seinen Sohn zum Einbruch in der Firma angestiftet und den Nachtwächter ermordet habe. Ricky lässt sich nicht einschüchtern. Sie behauptet, nicht mit Mark im Gebäude gewesen zu sein, sondern im Auto gewartet zu haben. Und sie tut so, als wisse sie, dass Mark nicht nur seinen Onkel, sondern auch Ludwig Hirtreiter ermordete. Falls sie ihr Geld nicht innerhalb von vierundzwanzig Stunden bekomme, droht sie, werde sie zur Polizei gehen.

Nachdem er die Nacht unbemerkt im Tierheim verbrachte, schleicht Mark sich am 18. Mai in Rickys Haus – und findet dort ausgeräumte Schränke und drei gepackte Koffer vor. Auf Rickys Laptop entdeckt er die Buchung für einen Flug nach Los Angeles und die Kündigung der Mietverträge für das Haus in Schneidhain und das „Tierparadies“ in Königstein. Mit einer bei Rickys Sachen gefundenen Pistole in der Hand wartet er darauf, dass sie kommt, um ihre Koffer zu holen.

Statt Ricky taucht erst einmal Jannis auf, der eigenmächtig das Krankenhaus verließ. Mark hält ihn mit der Waffe in Schach, bis endlich auch Ricky die Türe aufsperrt.

Bald darauf erfährt Pia, dass Mark sich mit Ricky und Jannis als Geiseln verschanzte. Ein von Joachim Schäfer geführtes Sondereinsatzkommando umstellt das Anwesen und bereitet sich auf die Erstürmung vor.

Inzwischen befragte die Kommissarin Ralph Glöckner, den im Hotel Zum Goldenen Löwen in Kelkheim abgestiegenen Bauleiter des Windparkprojekts. Er gab zu, Ludwig Hirtreiter nach der Vorstandssitzung der Bürgerinitiative am 12. Mai mit Enno Rademacher zusammen auf dem Rabenhof besucht zu haben. Sie konnten ihn nicht zur Annahme des Angebots der WindPro bewegen. Als sie wegfuhren, kam ihnen ein Auto mit einer blonden Frau am Steuer entgegen.

Mark lehnt es ab, mit dem Polizeipsychologen Günther Reul zu reden. Stattdessen verlangt er, dass „die blonde Kripotante“ ins Haus kommt und ein paar Dosen Red Bull mitbringt. Pia lässt an ihrem Uhrenarmband ein winziges Mikrofon anbringen und geht unbewaffnet hinein. Ricky und Jannis sind gefesselt. Mark hat Ricky ein Telereizgerät aus der Hundeschule um den Hals gebunden und sie bereits mit einem Stromstoß traktiert. Seine schwärmerische Bewunderung ist in Hass umgeschlagen. Er will, dass die beiden Menschen, die er für seine Freunde hielt, ihre Lügen gestehen und die Kommissarin die Geständnisse mit einer Kamera aufzeichnet.

Nach Stunden erwähnt Pia plötzlich die Ermordung Rolf Grossmanns. Da berichtet Mark, er sei mit einem Schlüssel seines Vaters durch die Tiefgarage in das Gebäude gegangen und habe Ricky die Tür zur Feuertreppe geöffnet. Als sein Onkel sie überraschte, drückte Ricky ihm einen mitgebrachten Elektroschocker gegen die Brust. Daraufhin stürzte er über die Treppe hinunter, und Marks Wiederbelebungsversuche blieben erfolglos.

Pia erklärt der noch immer gefesselten Ricky Franzen, sie sei wegen Mordes an Rolf Grossmann und Ludwig Hirtreiter verhaftet.

Verblüfft händigt Mark Pia die Pistole aus. Sicherheitshalber nimmt sie sofort das Magazin heraus. Es ist leer!

Inzwischen steht auch Oliver Bodenstein vor dem Haus. Er war mit Annikas Schlüssel in Zürich, nannte in der entsprechenden Privatbank das Codewort Climategate, nahm den Koffer mit den brisanten Dokumenten aus dem Schließfach und kehrte damit zu Annika nach Konstanz zurück. Während der Fahrt ins Rhein-Main-Gebiet telefonierte Bodenstein mit Dr. Florian Clasing und erreichte, dass der erfolgreiche Frankfurter Strafverteidiger das Mandat von Annika übernahm. Der Anwalt will dafür sorgen, dass sie ein faires Verfahren bekommt, nachdem sie sich bei der Polizei gestellt hat. Annika sitzt noch in Quentin Bodensteins Auto, das ganz in der Nähe geparkt ist. Oliver Bodenstein verspricht Nicola Engel, nach der Beendigung der Geiselnahme mit der Wissenschaftlerin zu ihr zu kommen.

Mark kommt mit erhobenen Händen aus dem Haus und lässt sich ohne Gegenwehr festnehmen.

Bodenstein kehrt zum Wagen zurück. Aber der ist verschwunden. Annika hat den verliebten Kommissar getäuscht und ausgenutzt. Das Auto wird bald darauf am Münchner Flughafen gefunden, aber von Annika Sommerfeld fehlt jede Spur.

Ricky Franzen verriet die Bürgerinitiative, um sich Geld für einen Neuanfang in Amerika zu beschaffen. Als sie und Mark bei ihrem Einbruch in der WindPro von Rolf Grossmann gestellt wurden, wollte sie den Nachtwächter mit dem Elektroschocker nur außer Gefecht setzen, aber er erlitt dabei einen tödlichen Herzinfarkt. Der bei der Vorstandssitzung im Gasthof Krone begonnene Streit mit Ludwig Hirtreiter setzte sich anschließend auf dem Rabenhof fort. Der unzugängliche alte Mann wusste von Rickys heimlicher Zusammenarbeit mit Stefan Theissen, und sie befürchtete, von ihm angeprangert zu werden. Als er stolperte und das Jagdgewehr, das er bei sich hatte, fallen ließ, hob Ricky es auf, und in ihrer Wut erschoss sie ihn.

Für Jannis Theodorakis war das Windpark-Projekt nur Mittel zum Zweck, und Annika Sommerfeld ging es nicht um die Aufdeckung der Klimalüge. Sie führten beide einen Rachefeldzug, Jannis gegen Stefan Theissen, Annika gegen Dirk Eisenhut. Jahrelang war sie die Geliebte ihres Chefs. In der Erwartung, ein gemeinsames Zuhause einzurichten, suchte sie für ihn eine Villa in Potsdam und beaufsichtigte die Umbauarbeiten. Ihre Welt brach zusammen, als er ihr bei der Conférence internationale sur les changements climatiques im Mai 2008 eröffnete, dass er im September eine andere Frau heiraten und mit dieser in die Villa ziehen werde. Da begriff sie, dass sie für ihn nichts weiter als eine Assistentin und Geliebte war. Als sie auf derselben Konferenz Cieran O’Sullivan kennenlernte und herausfand, dass der Journalist brisantes Material gegen Dirk Eisenhut und andere Klimaforscher zusammentrug, schloss sie sich ihm mit dem Ziel an, ihren bisherigen Liebhaber zu vernichten. Eisenhut blieb ihre Konspiration mit seinen Gegnern nicht verborgen. Deshalb fingierte er am 24. Dezember 2008 ihren Angriff auf ihn und ließ sie in die Psychiatrie einweisen. Aber sie konnte nach ein paar Tagen fliehen. Am Nachmittag des 31. Dezember klingelte sie an der Villa in Potsdam. Bettina Eisenhut bat sie herein. Als Annika ihre Rivalin in den Räumen sah, in denen sie mit Dirk hatte leben wollen, überkam sie der Zorn. Sie packte einen Schürhaken, schlug Bettina nieder und zertrümmerte die Einrichtung. Der Weihnachtsbaum stürzte um und ging in Flammen auf. Als das Feuer um sich griff, rannte Annika davon. Bettina Eisenhut konnte zwar lebend aus der brennenden Villa geborgen werden, aber sie liegt seither im Wachkoma. Annika fuhr zum Deutschen Klima-Institut, leerte über Eisenhuts Computer die Konten und nahm das für Bestechungen bereit liegende Bargeld aus dem Tresor: 250 000 Euro. Als sie das Parkhaus verlassen wollte, versuchte ein Wachmann sie aufzuhalten. Aber sie gab Gas, durchbrach die Schranke und es gelang ihr, den Verfolgern zu entkommen.

Nun sind beide Mordfälle aufgeklärt. Oliver Bodenstein trug kaum etwas dazu bei. Pia Kirchhoff sprang für ihn ein und zeigte dabei Führungsstärke. Der Kommissar beabsichtigt deshalb, Platz für sie zu machen und sich bei der Kriminalpolizei in Berlin zu bewerben. Aber als am 10. Juni im Wald zwischen Liederbach und Hofheim eine Leiche gefunden wird, fährt er mit Pia hin.

Pia Kirchhoff und Christoph Sander kaufen von Frauke Hirtreiter den Rabenhof. Seit die Stadt Frankfurt im Vorjahr den Abriss des Wohnhauses auf dem Birkenhof verfügt hatte, suchten sie nach einer neuen Bleibe.

Am 14. Juni 2009 stürzen sich die Medien auf einen neuen Skandal, den sie als Climategate bezeichnen: Vom Server der Climatic Research Unit der University of Wales gestohlene Dokumente beweisen, dass prominente Klimaforscher systematisch Daten fälschten. Bei der angeblich drohenden Klimakatastrophe handele es sich um eine Erfindung der Atomkraftlobbyisten, heißt es. Nachdem es nicht gelungen sei, die Bevölkerung mit Schreckensmeldungen über das Waldsterben oder das Ozonloch zu manipulieren, habe man sich in Wissenschaft, Industrie und Politik die Erderwärmung durch Treibhausgase ausgedacht, um den Bau neuer Atomkraftwerke zu rechtfertigen. Im Zusammenhang mit den Fälschungen taucht immer wieder der Name des deutschen „Klimapapstes“ Dirk Eisenhut auf.

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Mit dem Kriminalroman „Wer Wind sät“ (2011) setzt Nele Neuhaus die Reihe über die im Main-Taunus-Kreis tätigen Kriminalkommissare Oliver von Bodenstein und Pia Kirchhoff fort. Vorausgegangen waren: „Eine unbeliebte Frau“ (2006), „Mordsfreunde“ (2007), „Tiefe Wunden“ (2009) und „Schneewittchen muss sterben“ (2010).

Liebe, die in Hass umschlägt, Rachsucht, Neid und Gier sind Antriebskräfte in „Wer Wind sät“. Dadurch kommt es zu Mord, Korruption, Täuschung und Verrat. Im Mittelpunkt steht ein Zusammenspiel skrupelloser Wissenschaftler mit Politik und Industrie, durch das die Öffentlichkeit manipuliert wird. Der Klimawandel, die Erderwärmung und die drohende Klimakatastrophe sind in der Welt des Romans „Wer Wind sät“ Erfindungen einer Lobby. Von dieser unter dem Stichwort „Klimalüge“ bekannten Verschwörungstheorie distanziert Nele Neuhaus sich auch nicht in einem Nachwort.

Mit dem in „Wer Wind sät“ verwendeten Begriff „Climategate“ bezeichnet man im realen Leben einen Skandal im November 2009. Damals, im Vorfeld der UN-Klimakonferenz in Kopenhagen (7. – 18. Dezember 2009), stellten Hacker Tausende E-Mails und andere Dokumente ins Internet, die sie illegal vom Server der University of East Anglia’s Climatic Research Unit heruntergeladen hatten. Damit sollte der Vorwurf untermauert werden, angesehene Klimaforscher hätten Datenmaterial manipuliert bzw. zurückgehalten. Es war ein „Fest der Klimaskeptiker“. Aber den angegriffenen Wissenschaftlern Phil Jones und Michael E. Mann attestierten später Untersuchungsausschüsse in England und den USA, die Anschuldigungen seien haltlos.

In kurzen, zwischen den Handlungssträngen wechselnden Episoden treibt Nele Neuhaus die komplexe Handlung zügig und chronologisch vom 11. Mai bis 14. Juni 2009 voran. Zwischendurch erfahren wir Stück für Stück die Vorgeschichte, also was 1997, 1998 und Ende 2008 geschah. So werden allmählich die Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Figuren und ihren Aktionen erkennbar. Den Ermittlern Oliver Bodenstein und Pia Kirchhoff blicken wir nicht nur bei der Arbeit über die Schulter, sondern wir beobachten sie auch in ihrem Privatleben. Von ihnen erfahren wir mehr als von den anderen Figuren, die jeweils auf ein einziges Motiv reduziert sind und dadurch eindimensional bleiben.

Neben der fragwürdigen Verschwörungstheorie, die „Wer Wind sät“ zugrunde liegt, sind auch einige andere Zusammenhänge nicht wirklich überzeugend. Beispielsweise wird Jannis Theodorakis von einem Auto angefahren, überrollt und schwer verletzt ins Krankenhaus gebracht. Es handelt sich um einen Mordversuch, aber die Polizei ermittelt offenbar nicht einmal wegen Fahrerflucht nach einem Verkehrsunfall. Erstaunlich ist auch, dass es Annika Sommerfeld gelingt, von ihrer früheren Schulfreundin Ricky Franzen und deren Lebensgefährten Jannis Theodorakis als Untermieterin aufgenommen zu werden ohne auch nur ihren vollen Namen zu verraten. Ob ein Einbrecher zwei Minuten nachdem er von der Überwachungskamera in der Tiefgarage eines Unternehmens gefilmt wird, im letzten Büro auf der dritten Etage mit dem Kopieren eines erst noch aus dem Tresor genommenen Gutachtens angefangen haben kann, erscheint zumindest zweifelhaft. Dass das Fahrzeug, mit dem Mark unterwegs ist, mal als Moped (S. 406), mal als Roller (367, 372, 418) bezeichnet wird, ist ebenso ein Flüchtigkeitsfehler wie die widersprüchlichen Zeitangaben über die Beziehung von Annika Sommerfeld und Dirk Eisenhut: In einem eigenen Kapitel begegnen sie sich erstmals im September 1997, aber später heißt es, dass sie seit 1995 zusammenarbeiten, und die Dauer der Beziehung wird teils mit zwölf, teils mit fünfzehn Jahren angegeben.

Die spannenden und unterhaltsamen Kriminalromane von Nele Neuhaus fesseln Leserinnen und Leser, weil deren Neugier durch geschickt verteilte Andeutungen und Informationshäppchen geweckt wird. Und wer sich im Main-Taunus-Kreis ein wenig auskennt, freut sich über die Ortsangaben (Eppstein, Königstein, Schneidhain, Kelkheim, Hofheim). Die Komplexität wird inzwischen von der Kelkheimer Bestseller-Autorin souverän gemeistert. Sprachlich hat Nele Neuhaus sich allerdings nicht weiterentwickelt. Im Gegenteil. In „Wer Wind sät“ setzt sie auf eine künstliche Jugendsprache. Das ist in der direkten und indirekten Rede völlig in Ordnung. In Passagen, die zwar in der dritten Person Singular stehen, aber aus der subjektiven Perspektive einer Figur erzählt werden, wird es zweifelhaft.

Diese scheiß Bullentante! (462)

Ricky musste einfach begreifen, was für linke Schweine Nika und Jannis waren. Wahrscheinlich hatte Jannis die Schlampe längst gebumst. (352)

Unangebracht ist es, wenn die Erzählerin selbst immer wieder in die Gossen- bzw. Umgangssprache verfällt: Da gibt man Fersengeld (74, 206) oder trollt sich (119), hat eine Sauklaue (96), trägt ausgelatschte Tennisschuhe (126), vertickt Kram (155), erzählt brühwarm (456), spült Enchiladas mit Caipirinha herunter (273), würde einem notgeilen Opa am liebsten eins in die Fresse hauen (296), pinkelt sich voll (325); Frauen haben Titten (35); Mark hat den Ständer des Jahrhunderts (180), und es wird gebumst (352), gefickt (241) und gevögelt (165, 353). Lieblingswort der Autorin ist gescheit, nicht im Sinne von klug, sondern von ordentlich: etwas Gescheites machen (17), ein gescheites Auto (57), eine gescheite Antwort (80), etwas Gescheites zu trinken (140), gescheit sehen (455).

Statt weitere Beispiele für sprachliche Entgleisungen, misslungene Formulierungen und phrasenhafte Adjektiv-Substantiv-Kombinationen in „Wer Wind sät“ aufzuzählen, trinken wir rasch einen Champagner darauf (287).

Den Kriminalroman „Wer Wind sät“ von Nele Neuhaus gibt es in einer gekürzten Fassung auch als Hörbuch, gelesen von Julia Nachtmann (Regie: Margrit Osterwold, Hamburg 2011, 6 CDs, ISBN 978-3-89903-054-9).

Markus O. Rosenmüller verfilmte den Roman „Wer Wind sät“ von Nele Neuhaus:

Originaltitel: Wer Wind sät – Regie: Markus O. Rosenmüller – Drehbuch: Anna Tebbe, nach dem Roman „Wer Wind sät“ von Nele Neuhaus – Kamera: Tomas Erhart – Schnitt: Raimund Vienken – Musik: Dominik Giesriegl – Darsteller: Felicitas Woll, Tim Bergmann, Ulrike C. Tscharre, Nadeshda Brennicke, Sven Gielnik, Kai Scheve, Rainer Sellien, Michael Schenk, Bernd Stegemann, Edgar M. Böhlke, Katrin Filzen, Aleksandar Tesla u.a. – 2015; 90 Minuten

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2011 / 2015
Textauszüge: © Ullstein Buchverlage

Nele Neuhaus: Eine unbeliebte Frau (Verfilmung)
Nele Neuhaus: Mordsfreunde
Nele Neuhaus: Tiefe Wunden
Nele Neuhaus: Schneewittchen muss sterben (Verfilmung)
Nele Neuhaus: Böser Wolf
Nele Neuhaus: Die Lebenden und die Toten
Nele Neuhaus: Im Wald
Nele Neuhaus: Muttertag
Nele Neuhaus: In ewiger Freundschaft

Jane Bowles - Zwei sehr ernsthafte Damen
"Zwei sehr ernsthafte Damen" ist ein bizarrer Frauenroman von Jane Bowles mit einer ganz eigenen Art von Humor.
Zwei sehr ernsthafte Damen