Maria Theresia
Königin von Ungarn und Böhmen, Herzogin von Schlesien, Ober- und Niederösterreich, Steiermark, Kärnten und Krain
Nach einer unbeschwerten Kindheit hatte die lebensfrohe Wienerin das Glück einer damals ungewöhnlichen Liebesheirat. Maria Theresia liebte ihren Mann Franz Stephan und ihre sechzehn Kinder, aber sie beanspruchte zu Hause und im Staat das letzte Wort.
Während ihr preußischer Gegenspieler Friedrich der Große die Herrscherrolle auf den Zufall der Geburt zurückführte, glaubte die strenge Katholikin an den göttlichen Auftrag der Monarchen. In der Kunst suchte die barocke Königin allenfalls die Unterhaltung, und abstrakte Gedankenspiele lagen ihr schon gar nicht: Maria Theresia verließ sich lieber auf ihren gesunden Menschenverstand, mit dem sie ihren Staat führte und sich gegen ihre Feinde behauptete.
Ein Mutter-Sohn-Zwist im Hause Habsburg
Leseprobe aus
Dieter Wunderlich: Vernetzte Karrieren. Friedrich der Große, Maria Theresia, Katharina die Große
Verlag Friedrich Pustet, Regensburg
Selten handelt Maria Theresia nach einem systematisch durchdachten Plan; meistens entscheidet sie spontan und aufgrund von Gefühlen.
Die Aufklärung lehnt sie ab, instinktiv, nicht aufgrund einer intellektuellen Auseinandersetzung. Mit den abstrakten staatsphilosophischen Überlegungen ihres Sohnes kann die fromme, warmherzige Monarchin nichts anfangen. Joseph dagegen findet Theorien faszinierend, glänzt auf der anderen Seite aber auch nicht gerade durch gesunden Menschenverstand.
Seine Mutter wirft ihm vor, Friedrich den Großen nachzuahmen und warnt ihn: „Hüte dich wohl davor, an Bosheiten Gefallen zu finden! Dein Herz ist noch nicht schlecht, aber es wird es werden! Es ist höchste Zeit, dass du aufhörst, Geschmack zu finden an all diesen Witzworten, diesen geistreichen Wendungen, die nur den Zweck haben, andere zu betrüben und lächerlich zu machen …“
Joseph neigt dazu, den zweiten Schritt vor dem ersten zu tun; ruhelos stellt er alles in Frage und lässt keinen Stein auf dem anderen. Er ist kein barocker Genießer wie sein Vater, sondern ein „Workaholic“, der nie zufrieden ist und dem es nicht gelingt, sich und andere glücklich zu machen. Er bleibt einsam wie sein preußisches Idol und „sonnt sich in dem Vorwurf, ein Frauenhasser zu sein“. Seine sexuellen Bedürfnisse befriedigt er mit der Tochter des Gärtners, mit Kammerjungfern und Prostituierten.
Mutter und Sohn lieben sich zwar und versuchen, die Kluft ihrer Meinungsverschiedenheiten zu überbrücken, aber es gelingt ihnen nicht, denn sie beharren beide auf ihren Ansichten und sind vom Irrtum des jeweils anderen überzeugt. 1771 enthüllt Maria Theresia einer Vertrauten: „Nur um den Schein zu wahren, dinieren wir noch zusammen.“
Quelle: Dieter Wunderlich, Vernetzte Karrieren. Friedrich der Große, Maria Theresia, Katharina die Große
© Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 2000