Before Midnight

Before Midnight

Before Midnight

Before Midnight – Originaltitel: Before Midnight – Regie: Richard Linklater – Drehbuch: Richard Linklater, Julie Delpy, Ethan Hawke – Kamera: Christos Voudouris – Schnitt: Sandra Adair – Musik: Graham Reynolds – Darsteller: Ethan Hawke, Julie Delpy, Panos Koronis, Athina Rachel Tsangari, Walter Lassally, Xenia Kalogeropoulou, Ariane Labed, Yannis Papadopoulos, Seamus Davey-Fitzpatrick, Jennifer Prior, Charlotte Prior u.a. – 2013; 105 Minuten

Inhaltsangabe

Jesse und Céline sind seit neun Jahren ein unverheiratetes Paar. Mit ihren Zwillingen leben sie in Paris. Den Sommer 2013 verbringen sie mit den beiden Mädchen und Jesses 13 Jahre altem, bei seiner Mutter in Texas aufgewachsenen Sohn in Griechen­land. Auf der Rückfahrt vom Flughafen in Kalamata, wo Jesse sich von Hank verabschiedet hat, spricht er davon, wie sehr er es bedauert, die Entwicklung des Jungen nicht kontinuierlicher miterleben zu können. Céline fühlt sich durch seine Äußerungen verunsichert, und es kommt zum Streit ...
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Kritik

Das minimalistische Szenario von "Before Midnight" basiert auf Dialogen. Julie Delpy und Ethan Hawke spielen so natürlich und überzeugend, dass man gebannt zuschaut. Richard Linklater hat das intelligente Drehbuch mit ihnen gemeinsam verfasst.

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Vorgeschichte: „Before Sunset“

Der 41 Jahre alte amerikanische Schriftsteller Jesse (Ethan Hawke) und die im Umweltschutz engagierte französische Politologin Céline (Julie Delpy) sind seit neun Jahren ein unverheiratetes Paar. In den ersten beiden Jahren lebten sie in New York, aber als Céline dann schwanger wurde und sich Komplikationen ergaben, wollte sie zurück in ihren Heimatort Paris, wo sich ihre Mutter um sie kümmern konnte. Dort blieben Jesse und Céline dann auch mit ihren Zwillingen Nina und Ella (Charlotte Prior, Jennifer Prior). Von seiner ersten Ehefrau ist Jesse geschieden, und seinen inzwischen 13-jährigen Sohn Hank (Seamus Davey-Fitzpatrick) sieht er nur selten, weil dessen Mutter das alleinige Sorgerecht bekommen hat.

Im Sommer 2013 verbringen Jesse und Céline sechs Wochen mit Hank, Nina und Ella in Griechenland. Am letzten Urlaubstag fahren sie Hank zum Flughafen von Kalamata. Von dort wird er über London zu seiner Mutter nach Texas fliegen. Jesse begleitet seinen Sohn zum Schalter, und Céline wartet mit den Zwillingen im Auto.

Während der Rückfahrt spricht Jesse davon, wie sehr er es bedauert, Hank nicht näher zu sein, die Entwicklung des Jungen nicht kontinuierlicher miterleben zu können. In ein paar Jahren wird Hank die Highschool absolviert haben, und wenn er dann irgendwo studiert, wird Jesse ihn noch seltener sehen. Leichter wäre es, wenn er mit seiner Familie nach Chicago ziehen würde. Céline empfindet das als Bedrohung, zumal sie soeben einen interessanten neuen Job in Paris angeboten bekam. Obwohl Jesse ihr versichert, ein Umzug in die USA käme nur mit ihrem Einverständnis in Frage, meint sie: „So fängt es an. Wegen solcher Sachen trennen sich die Leute.“

Auf Einladung des älteren Schriftstellers Patrick (Walter Lassally) wohnen sie auf dessen Anwesen auf der Peloponnes. Beim letzten Abendessen dieses Urlaubs sitzen sie mit Patrick, dessen Freundin Ariadni (Athina Rachel Tsangari) sowie einem etwa gleichaltrigen und einem jungen Paar zusammen: Stefanos (Panos Koronis) und Natalia (Xenia Kalogeropoulou), Anna (Ariane Labed) und Achilleas (Yannis Papadopoulos). Sie reden über Jesses Romane, in denen er seine erste Begegnung mit Céline vor 18 Jahren im Zug von Budapest nach Wien, das Wiedersehen vor neun Jahren in Paris und ihre Beziehung verarbeitet hat. Sie diskutieren über Buchideen und die Zukunft der virtuellen Welt, über Cybersex und die Frage, ob Computer nicht nur besser Schach spielen können als Menschen, sondern in Zukunft auch bessere Romane schreiben werden. Céline macht sich über Jesse als egozentrischen Schriftsteller lustig, und er spöttelt über die Weltverbesserin.

Damit Jesse und Céline die letzte Nacht auf der Peloponnes ohne Kinder ungestört verbringen können, haben Stefanos und Natalia für sie in der nahen Ortschaft ein Hotelzimmer gebucht und bereits bezahlt.

Auf dem Fußweg dorthin setzen Jesse und Céline ihr während der Rückfahrt vom Flughafen begonnenes Gespräch fort. Sie fragt ihn, ob er sie jetzt auch noch wie damals im Zug von Budapest nach Wien ansprechen würde. Während Jesse sich seiner Liebe zu Céline gewiss und mit ihr und den Zwillingen glücklich ist, verunsichert es Céline, dass Jesse mit dem Gedanken spielt, in die USA zu ziehen. Obwohl er nicht die Absicht hat, gegen ihren Willen zu handeln, wirft sie ihm vor, zu wenig Rücksicht auf sie zu nehmen. Sie glaubt, dass er ihre Mehrfachbelastung durch Beruf, Haushalt und als Mutter zu wenig würdigt. Während er mit Patrick selbstverliebte Autorengespräche führte, habe sie das Klo geputzt, schimpft sie.

Bevor sie das Hotel betreten, schauen sie sich noch den Sonnenuntergang über dem Meer an und Céline kommentiert: „noch da … noch da … noch da … weg.“ Anders als der zufriedene Romantiker Jesse, überlegt Céline auch sonst, was als Nächstes zu erwarten ist.

Als sie an der Rezeption stehen, kommt die Hotelangestellte Sofia (Yota Argyropoulou) mit zwei von Jesses Büchern und bittet nicht nur ihn, sondern auch Céline, sie zu signieren, denn sie ist überzeugt, dass die Romane von der Beziehung des Paares handeln.

Stefanos und Natalia haben ihnen eine Flasche Rotwein ins Zimmer stellen lassen. In der Erwartung einer erotischen Nacht öffnet Jesse die Träger von Célines Kleid und küsst ihre Brüste. Sie streift ihren Slip ab. Gerade als sie sich aufs Bett fallen lassen, klingelt das Telefon. Wie mit seinem Vater vereinbart, ruft Hank an und teilt mit, dass er problemlos in London gelandet sei und sich nun an Bord der nächsten Maschine begeben werde. Nachdem Céline ihr Handy weggepackt hat, flammt der Streit neu auf. Jesse fühlt sich von Célines Vorwürfen und Schuldzuweisungen genervt und fordert sie mehrmals vergeblich auf, damit aufzuhören. Sie beruhigen sich, aber nach ein paar Minuten setzen sie den Streit fort.

Schließlich verlässt Céline das Zimmer und bestellt sich auf der Terrasse eine Karaffe Weißwein. Einige Zeit später kommt Jesse zu ihr und spielt einen Fremden, der von ihr hingerissen ist. Sie hätten sich aber schon einmal gesehen, 1995 in Wien, meint er. Dann behauptet er, eine Zeitmaschine in seinem Zimmer zu haben. Während er ein Blatt Papier auffaltet, sagt er, er sei aus der Zukunft gekommen und habe ihr einen Brief der über 80 Jahren Céline mitgebracht. Am Ende liest er noch das Postskriptum vor; es enthält den Rat der 80-Jährigen, den Sex in dieser Nacht nicht zu versäumen, denn es sei der leidenschaftlichste ihres langen Lebens gewesen.

Mehrmals fordert Céline ihn auf, das Spiel zu beenden. Dann sitzen sie eine Weile schweigend nebeneinander. Jesse weiß nun auch nicht mehr weiter und befürchtet, Céline verloren zu haben. Aber dann fragt sie ihn, ob sie sich vor dem Einsteigen in die Zeitmaschine ausziehen müsse und nach einem kurzen Moment der Verblüffung bestätigt er eifrig, dass Kleiderstoffe Zeitreisen nicht überstehen würden.

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Mit „Before Midnight“ erweitert Richard Linklater „Before Sunrise“ und „Before Sunset“ zur Trilogie. Die drei Filme sind aus den Jahren 1995, 2004 und 2013. Auch in der fiktiven Geschichte, die Richard Linklater, Julie Delpy und Ethan Hawke erzählen, vergehen dazwischen jeweils neun Jahre.

Die Handlung des dritten Teils, „Before Midnight“, beginnt am Nachmittag und endet spätabends, überspannt also nur wenige Stunden. Es passiert auch kaum etwas; Richard Linklater, Julie Delpy und Ethan Hawke setzen in dem minimalistischen Szenario ganz auf Dialoge: (1) Jesse und Hank im Flughafen, (2) Jesse und Céline im Auto, (3) Jesse, Céline, Patrick, Ariadni, Stefanos, Natalia, Anna und Achilleas vor dem Abendessen und bei Tisch, (4) Jesse und Céline auf dem Fußweg zum Hotel, (5) Jesse und Céline im Hotelzimmer, (6) Jesse und Céline auf der Hotelterrasse. Diese Gespräche wirken so authentisch, dass sie einem als Zuschauer nahegehen. Die witzige und humorvolle Plauderei der drei Paare bei Tisch erinnert an wortreiche Komödien von Woody Allen. Aber in Célines scharfzüngigem Spott schwingt untergründig ihre Verunsicherung mit, und wir ahnen, dass ihre Beziehung mit Jesse in eine Krise geraten ist. Wenn das Paar dann allein ist, wird der Konflikt immer deutlicher sichtbar und eskaliert zum heftigen Streit.

Richard Linklater hat das intelligente, einfallsreiche und für einen „Oscar“ nominierte Drehbuch für „Before Midnight“ mit Julie Delpy und Ethan Hawke gemeinsam geschrieben, und die beiden Schauspieler verkörpern die Figuren Céline und Jesse so natürlich und überzeugend, dass man gebannt zuschaut und zuhört.

Auch wenn man weder „Before Sunrise“ noch „Before Sunset“ gesehen hat, erkennt man die Brillanz von „Before Midnight“. In der Trilogie entwickeln sich aber auch noch die beiden Charaktere im Verlauf von 18 Jahren, und die Darsteller altern ebenfalls um 18 Jahre. (In „Boyhood“ wiederholt Richard Linklater dann zwar nicht den punktuellen Ansatz, dehnt jedoch die Dreharbeiten über sieben Jahre.)

Ariadni wird übrigens von der griechischen Filmregisseurin Athina Rachel Tsangari („Attenberg“) dargestellt.

„Before Sunrise“ wurde bei den Filmfestspielen in Berlin 1995 mit einem „Silbernen Bären“ ausgezeichnet. Im Januar 2013 stellten Richard Linklater, Julie Delpy und Ethan Hawke „Before Midnight“ bei der 63. Berlinale außer Konkurrenz vor.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2014

Richard Linklater (kurze Biografie / Filmografie)

Richard Linklater: Before Sunrise. Zwischenstopp in Wien
Richard Linklater: Before Sunset
Richard Linklater: Boyhood

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