Bodo Kirchhoff : Schundroman

Schundroman
Schundroman Originalausgabe: Frankfurter Verlagsanstalt, Frankfurt/M 2002 ISBN 3-627-00095-1, 316 Seiten ISBN 978-3-627-02214-3 (eBook)
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Im Flug von Manila nach Frankfurt am Main überredet die Edelnutte Lou den neben ihr sitzenden Auftragskiller Holm, ihr zu helfen. Sie befürchtet, dass ihr in Frankfurt die Erben eines während des Aktes verstorbenen Freiers auflauern, die ihren echten Picasso zurückhaben wollen. Um für ein Chaos zu sorgen, in dem Lou unbemerkt das Flughafengebäude verlassen kann, schlägt Holm einen Zeitungsleser nieder – und erwischt ausgerechnet einen berühmten Literaturkritiker.
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Kritik

In "Schundroman" verwendet Bodo Kirchhoff Versatzstücke aus Groschenromanen. Es geht um Mord, Geld und Liebe. Nebenbei nimmt Kirchhoff aber auch die Eitelkeiten des Literaturbetriebs in Deutschland unterhaltsam aufs Korn.
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Im Erster-Klasse-Abteil einer Lufthansa-Maschine von Manila nach Frankfurt am Main sitzt Willem Hold, „seinem Gefühl nach Anfang zwanzig, in Wahrheit längst über dreißig“ (Seite 9). Er stammt aus der Main-Metropole. Seine Eltern besaßen einen kleinen Uhren- und Schmuckladen. Er war noch klein, als sie mit einem VW-Käfer unangeschnallt nach Italien aufbrachen, aber hinter Hanau tödlich verunglückten. Nach dem Tod seiner Eltern wuchs er in einem Heim auf. Vor zehn Jahren überfiel er einen libanesischen Juwelier am Ende der Zeil. Als der unerwartet eine Uzi hervorholte, schoss Hold ihm mit seiner Pistole zwischen die Augen. Danach floh er aus Deutschland. Weil er noch immer wegen des Raubmordes gesucht wird, hat er einen Pass auf den Namen Hagen Pallas bei sich. Den bekam er von Homobono Narciso, einem ehemaliger Major, der bei einem Einsatz eine Hand verloren hatte und jetzt als Privatdetektiv in Manila arbeitet. Sein Auftrag: Er soll für 50 000 Euro einen etwa fünfzigjährigen Unternehmer erschießen – Johann Manfred („Big Manni“) Busche –, der durch Leasing-Geschäfte mit gar nicht vorhandenen Spezialbohrgeräten ein Vermögen gemacht hat.

Neben Willem Hold alias Hagen Pallas sitzt eine aufregende Blondine, Ende zwanzig, höchstens, „käuflich, aber auf hohem Niveau“ (Seite 11). Sie hat eine Ausgabe der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ aufgeschlagen, tut aber so, als sei sie eingeschlafen. Irgendwann während der Nacht kommen die beiden ins Gespräch. Die Edelnutte heißt Lou Schultz und stammt ebenfalls aus Frankfurt. Sie bittet ihren Sitznachbar um Hilfe und erzählt ihm, dass sie gerade einen echten Picasso nach Manila brachte. Den hatte sie von einem reichen Freier bekommen, der während des Aktes einem Herzanfall erlegen war. Nun befürchtet sie, dass man ihr in Frankfurt auflauert, um ihr den Picasso abzujagen.

Das Motiv des Gemäldes ist übrigens ein wenig seltsam:

Ein stehend defäzierender Mann war da zu sehen, einschließlich dessen, was er von sich gab, ein Mann mit großen dunklen Augen, dem Künstler nicht unähnlich, sowie zwei alte Prostituierte, die der Angelegenheit beiwohnten. (Seite 29)

Lou hat Recht. Tatsächlich haben die sechsunddreißigjährige Privatdetektivin Helene Stirius und ihr vier Jahre jüngerer Partner Carl Feuerbach von den Erben des toten Picasso-Besitzers den Auftrag erhalten, ihnen das wertvolle Bild oder wenigstens das dafür bezahlte Geld zu beschaffen. Helene – oder „Helen“, wie sie sich lieber nennt – und Feuerbach waren früher bei der Polizei. Helen ist die Tochter eines US-Soldaten, eines Latino, der ihre Mutter, eine blonde Serviererin, geschwängert und dann verlassen hatte. An ihrem sechzehnten Geburtstag lief Helen von zu Hause fort und zog nach Berlin. Erst nach dem Tod ihrer alkoholkranken Mutter kehrte sie nach Frankfurt zurück. Den Polizeidienst quittierte sie „wegen Überempfindlichkeit“. Zur gleichen Zeit ließ ihr Mann – der Art-Director Richard Huemmerich – sich von ihr scheiden, weil er sie mit dem Gerichtspathologen Dr. Leo Eick ertappt hatte, und Helen verlor auch das Sorgerecht für ihren fünfzehnjährigen Sohn Kasimir. Weil ihr inzwischen arbeitsloser Exmann dem gemeinsamen Sohn über die Pubertät hilft, bezahlt sie allerdings trotz der Ehescheidung für den Lebensunterhalt der beiden. Feuerbach gab seine Polizeimarke ab, nachdem er im Dienst ein Kind erschossen hatte. Er war von dem Jungen im Dunkeln mit einer Plastikpistole bedroht worden und hatte das Spielzeug für eine echte Waffe gehalten.

Feuerbach wartet also am Flughafen auf die Ankunft von Lou Schultz.

Willem Hold merkt an Feuerbachs Verhalten, dass dieser es auf Lou abgesehen hat. Um den Privatdetektiv abzulenken und es Lou zu ermöglichen, das Abfertigungsgebäude unbehelligt zu verlassen, rammt er am Zeitschriftenstand einem Mann den Ellbogen ins Gesicht. Der Getroffene taumelt mit blutender Nase aus dem Laden und bricht zusammen, während Hold nach der anderen Seite weggeht und auch Lou in dem Chaos verschwindet. Feuerbach erkennt das Opfer sofort: Es handelt sich um Louis Freytag, einen „prominenten Literaturkritiker, vielleicht den prominentesten überhaupt“ (Seite 35). Er ruft nach einem Arzt, aber Louis Freytag ist nicht mehr zu retten: Ein Splitter des zertrümmerten Nasenbeins muss ins Innere seines Schädels eingedrungen sein, und der dadurch ausgelöste Schock führte zum Tod.

An diesem Abend führt Feuerbach seine Geschäftspartnerin in ein teures Restaurant bei der Alten Oper aus. Am Nebentisch sitzen Johann Manfred Busche und seine Ehefrau Vanilla Campus, eine frühere Tagesschausprecherin, dann „professionelle Prominente“, die soeben ihr erstes Buch veröffentlicht hat, die Sexfibel „Bodymotion“.

Plötzlich betritt Hold das Restaurant. Er hat sich eine schwarze Wollmütze mit Sehschlitzen übers Gesicht gezogen und hält eine großkalibrige Pistole in der Hand. Damit der Mordanschlag wie ein Raubüberfall aussieht und niemand eine Verbindung der Auftraggeber mit Busche vermutet, lässt Hold sich zunächst die wertvollsten Uhren der Gäste in die mitgebrachte Hertie-Tragtasche werfen, darunter auch die Baume & Mercier, die Helen von ihrem Vater Heinrich Stirius geerbt hat. Man hat Hold gesagt, dass unter den Gästen ein Partner sein wird. Dem soll er einen Streifschuss verpassen und dann an ihm vorbei Busche erschießen. Der Mord soll also wie ein Versehen wirken. Hold erkennt den Mann an einer Packung Reval, aber er merkt auch, dass der andere zur Waffe greift. Blitzschnell erschießt er den Fremden. Feuerbach, dem Holds Nikes mit Luftpolster aufgefallen sind – Schuhe, die auch der Mörder Louis Freytags trug –, schleudert die Weinflasche von seinem Tisch auf den Maskierten. Der zerschießt sie zwar im Flug, kriegt aber noch einen Splitter ab, der ihm durch die Wollmütze hindurch die Wange aufreißt.

Helen wartet, bis ihr früherer Kollege, Kriminalkommissar Baltus, eingetroffen ist und feststellt, dass es sich bei dem Erschossenen um einen in Köln registrierten Privatdetektiv handelt. Dann drängt sie Feuerbach zum Aufbruch.

„Wir sollten jetzt verschwinden“, zischte Helen, denn schon kreuzte das erste Fernsehteam auf, drei Frauen und ein Mann, während Vanilla Campus zu dem Tisch mit der blutigsten Decke ging, um dort ihr Buch zu platzieren, und der Wirt des Lokals seine Kellner in Aufstellung brachte.“ (Seite 65)

Nach seiner gelungenen Flucht aus dem Restaurant ruft Hold die Telefonnummer an, die er von der reizenden Mitreisenden erhalten hatte. Lou kommt zu ihm ins Hotel und bringt Nähzeug mit, damit er seine Wange zusammenflicken kann. Aus Dankbarkeit für seine Hilfe am Flughafen und Bewunderung für seine Tapferkeit geht Lou mit ihm ins Bett. Das ist für Hold ein Problem, denn seit seiner Jugend ist das Anschwellen eines bestimmten Körperteils mit großen Schmerzen verbunden.

„Warum tut lieben mehr weh als töten?“ (Seite 101)

Das verdankt er einem Mitschüler im Heim: Cornelius Zidona. Der hatte sich in eine kleine Freche verliebt und ärgerte sich darüber, dass sie Hold anlächelte. Deshalb überrumpelte er Hold eines Tages beim Modellflugzeug-Basteln. Mit Hilfe von zwei anderen Jungen zerrte Zidona seinen Rivalen in die Toilette, riss ihm die Hose herunter, und während die beiden Helfer Hold festhielten, bepinselte Zidona dessen Penis mit Spannlack. Zwanzig Jahre später trafen Hold und Zidona sich noch einmal zufällig am Flughafen von Hongkong. Dr. Cornelius Zidona war inzwischen Rechtsanwalt mit Kanzleien in München und Singapur. Holm rammte ihm einen Ellbogen in den Bauch, und als Zidona einklappte, drückte er ihm das Gesicht in die Schüssel mit qualmendem Sand, in den die Raucher ihre Kippen steckten. Hold weiß, dass Zidona ihm diese Demütigung nie verzeihen wird.

Nach der Liebesnacht gesteht Lou ihm, dass sie nicht zufällig in der Lufthansa-Maschine neben ihm saß. Ausgerechnet Zidona hatte ihr den Auftrag erteilt, sich während des Flugs nach Frankfurt an Holm heranzumachen. Dr. Cornelius Zidona ist der Mann, der sie dafür bezahlt, dass sie ihm und seinen Geschäftspartnern zur Verfügung steht. Darunter ist seit einiger Zeit auch ein Unbekannter, dem sie alle zwei Wochen mit verbundenen Augen die Tür öffnet. Sie muss sich dann nackt aufs Bett knien, ohne sich umzudrehen, und er bleibt hinter ihr, ohne sie anzufassen. Sie weiß nicht, was er tut, aber nachdem er bis zu zwanzig Papiertaschentücher verbraucht hat, lässt er zwei große Geldscheine auf dem Bett liegen und verschwindet grußlos.

Die polizeilichen Ermittlungen im Mordfall Louis Freytag konzentrieren sich auf einen Schriftsteller namens Ollenbeck, der gerade seinen ersten Roman veröffentlicht hat: „Die traurige Haut“. Möglicherweise rächte er sich dafür, dass Freytag das Buch nicht einmal eines Verrisses für wert befunden hatte. Es kursieren jedoch auch Gerüchte, es habe sich um einen bestellten Mord im Zusammenhang mit einem in Literaturkreisen zirkulierenden Manuskript mit dem Titel „Tod eines Kritikers“ gehandelt.

Von Dr. Leo Eick erfährt Helen, dass der Freier, der beim Geschlechtsverkehr mit Lou Schultz ums Leben kam, sein eigenes Sperma im Mund hatte. Daraus schließt die Detektivin, dass der Mann nicht einfach beim Orgasmus starb, sondern Opfer eines heimtückischen Mordanschlages wurde: Lou hat ihn offenbar nach der Fellatio auf den Mund geküsst und ihm das Sperma eingeflößt. Vor Schreck verschluckte er sich, geriet in Atemnot und erlag einem Herzanfall – wie von Lou beabsichtigt, die von seiner Herzschwäche gewusst haben musste.

Als Willem Hold die Telefonnummer anruft, die er am Rahmen eines von ihm gestohlenen Fahrrades fand, hebt Helen ab. Das Rad gehört ihrem Partner, aber Hold erinnert sich an die Frau im Restaurant, der er die Baume & Mercier abnahm. Helen gibt sich als Kinderärztin aus und erklärt sich bereit, als Gegenleistung für die Uhr Holds inzwischen vereiterte Wunde zu versorgen. Nachdem Helen sich von Dr. Eick ein paar Ratschläge, eine anästhesierende Spritze und Verbandsmaterial hat geben lassen, trifft sie sich mit dem mehrfachen Mörder in einem Stundenhotel. Hold gibt zu, am Flughafen versehentlich Lous Freytag getötet zu haben, und Helen erzählt ihm, dass sie hinter dem Picasso bzw. hinter Lou Schultz her ist. Es kommt zu einem weiteren Deal: Hold ist bereit, Helen mit Lou zusammenzubringen, und sie verspricht ihm dafür, falls erforderlich, vor Gericht als Zeugin auszusagen, dass er in dem Restaurant aus Notwehr geschossen habe. Die beiden verabreden sich als Nächstes auf der Buchmesse, am Bertelsmann-Stand. Hold will Lou mitbringen.

Kurz vor dem Treffen rammt Hold in einer Buchhandlung einem Journalisten einen Ellbogen in den Magen, reißt ihm den Presseausweis vom Revers und betritt als Dr. Kussler von der „Süddeutschen Zeitung“ die Messe. Am Bertelsmann-Stand zieht er sich mit Vanilla Campus für ein angebliches Interview zurück. Sobald sie allein sind, sagt er ihr, er sei der Maskierte gewesen, der ihren Mann erschießen sollte. Zu Recht nimmt er an, dass sie in das Vorhaben eingeweiht gewesen war. Sie bestätigt auch seinen Verdacht, dass sie den Anschlag mit Dr. Cornelius Zidona verabredet hatte und dieser identisch mit dem Schriftsteller Ollenbeck ist. Hold bietet Vanilla Campus an, ihren Mann doch noch umzubringen, gibt sich dabei jedoch nicht mehr mit 50 000 Euro zufrieden, sondern verlangt zehn Prozent des Millionenerbes.

Dann gesellt er sich zu Helen, die inzwischen am Bertelsmann-Stand eingetroffen ist. Lou bleibt aus. Beunruhigt geht Hold zu ihrem Apartment. Niemand öffnet. Er wickelt einen Fußabstreifer um seine Pistole und schießt das Türschloss auf. Lou liegt in einem Berg blutdurchtränkter Kissen auf ihrem Bett. Der Mörder hat ihr einen Besenstiel in den After gerammt. Sie ist tot. Hold erinnert sich, dass gerade die Zeit für den Besuch des geheimnisvollen Freiers ist, den sie nur mit Augenbinde empfangen durfte. Er bessert das Schussloch an der Wohnungstür notdürftig aus, setzt sich im Schlafzimmer neben die Leiche und wartet. Es dauert nicht lang, da tritt Busche ein, nackt bis auf zwei Geldscheine, die er sich überrascht und verlegen vors Geschlecht hält. Hold gibt sich als Staatsanwalt aus, behauptet, Lou habe für ihn verdeckt gearbeitet und er verfüge in seinem Büro über Videoaufnahmen von Busches Besuchen bei Lou. Der Schande könne er nur entgehen, indem er sich aus dem Fenster stürzt.

„Können wir uns nicht anders einigen?!“
„Das offene Fenster ist mein äußerstes Angebot.“ (Seite 205)

Hold wartet, bis er den Aufschlag hört, dann fährt er zum Bertelsmann-Empfang und flüstet Vanilla Campus zu, ihr Mann sei seit einer Stunde tot. Sie verabreden sich für den nächsten Vormittag auf der Raststätte Weiskirchen für die Geldübergabe. Danach wendet Hold sich an Helen, die ebenfalls auf dem Empfang ist, und berichtet ihr, dass Lou ermordet wurde. Er hat Lou wirklich geliebt und will ihren Tod rächen.

Über den Schnipsel einer in Lous Hand gefundenen Buchseite stoßen Helen und Feuerbach auf Gabriele D’Annunzio und eine Novelle des Schriftstellers Branzger mit dem Titel „Salò“. Die Spur führt zum Gardasee. Die beiden Detektive machen sich in einem Golf auf den Weg. Einige Stunden später steigt Hold auf der Raststätte Weiskirchen zu Vanilla Campus in den Jaguar und zwingt sie, zum Gardasee zu fahren. Unterwegs bemerken sie einen Lastwagen mit Frankfurter Kennzeichen, der eine weiße Motoryacht mit dem Namen „Vanilla’s Affair“ transportiert, und sie folgen ihm. Als Hold merkt, dass sie von einem Mercedes verfolgt werden, der von einem Einarmigen gesteuert wird, bestätigt Vanilla Campus seinen Verdacht: Man will ihn umbringen, weil er zu viel weiß.

Schließlich treffen alle in San Vigilio am Gardasee ein. Homobono Narciso geht mit Willem Hold nach dem Essen zur Mole hinaus. Gerade noch rechtzeitig sieht Hold das in der Fahnenstange steckende Armeemesser und im Augenwinkel nimmt er die sich nähernde unbeleuchtete Yacht wahr. Als Narciso sich nach dem Messer bückt, reißt Hold seine großkalibrige Pistole heraus und schießt ihm die Hälfte des Kopfes weg. Die Leiche wirft er in die „Vanilla’s Affair“, die in diesem Augenblick vorbeikommt und springt hinterher.

Helen hat es vom Hotelfenster aus gesehen. Sie läuft mit Feuerbach und Vanilla Campus zur Mole. Dort überreden sie Signore Franz, sie an Bord seines altersschwachen Bootes „No Comment“ zu nehmen und der weißen Yacht zu folgen.

Die „Vanilla’s Affair“ wird von niemand anderem als Zidona gesteuert. Er hat vor, die Yacht in der Mitte des Gardasees zu versenken und unbemerkt mit einem Schlauchboot ans Ufer zu rudern. Auf diese Weise will er Dr. Cornelius Zidonas Tod vortäuschen und nur noch der Schriftsteller Ollenbeck sein. – Hold überwältigt und fesselt ihn. Zidona gibt zu, Lou ermordet zu haben, weil sie dahintergekommen war, dass große Teile seines Romams aus Branzgers Novelle „Salò“ stammen und das Plagiat hatte aufdecken wollen. Um seinen Gegner zu ködern, verrät er ihm, er habe einen echten Picasso an Bord und komme nach Busches Tod an mehrere hundert Millionen Euro. Hold lässt sich jedoch nicht beirren, fragt Zidona, wo das Motorfett ist und reibt damit den Lauf seiner Pistole dick ein, bevor er Zidona die Hose herunterzieht und ihm die Waffe langsam zwischen die Hinterbacken schiebt.

„Du hast die Spannlackkur für mich erfunden. Dafür erfinde ich die Darmentleerung aus dem Mund.“ (Seite 297

Das geschieht wenige Minuten vor 23 Uhr. Zidona, der weiß, dass Narciso eine auf 23 Uhr eingestellte Zeitzünderbombe auf die Yacht brachte, stirbt aus Angst vor den Schmerzen und der Explosion.

Inzwischen hat die „No Comment“ trotz einiger Pannen die „Vanilla’s Affair“ eingeholt. Feuerbach entert die Yacht, zielt mit einer Spielzeug-Pistole auf Hold und fordert ihn auf, seine Waffe wegzulegen. Kurz vor dem Sinken des bereits brennenden Schiffes finden Hold und Feuerbach den Picasso. Mit dem eingerollten Gemälde im Mund schwimmt Hold auf dem Rücken zu dem anderen Boot, und Feuerbach folgt ihm.

Willem Hold und Vanilla Campus verbringen die Nacht zusammen in einem Hotelzimmer in Gargnano, in dem bereits D. H. Lawrence und die junge Richthofen übernachteten. Dann fahren sie nach Frankfurt zurück und setzen sich mit dem Erbe der Witwe nach Manila ab. Helen und Feuerbach rechnen damit, dass sie für den erfolgreich erledigten Auftrag – die Wiederbeschaffung des Picasso – 75 000 Euro Honorar bekommen.

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Bodo Kirchhoff hat sich den Spaß gemacht, einen „Schundroman“ zu schreiben. Auf dem Schutzumschlag der Originalausgabe ist das Motiv „True Detective“ aus dem „True Crime Magazine“ vom März 1949 abgebildet. Das passt zum Inhalt, einer Hommage an und Parodie auf die Groschenromane der Vierzigerjahre, aus denen auch die genretypischen Figuren zu stammen scheinen. In „Schundroman“ geht es zunächst einmal um Mord, Geld und Liebe. Nebenbei nimmt Bodo Kirchhoff aber auch den Literaturbetrieb in Deutschland aufs Korn, die Eitelkeiten der Kritiker, Verleger und Schriftsteller. Martin Walsers Roman über die Ermordnung des Literaturkritikers Ehrl-König durch den frustrierten Schriftsteller Hans Lach („Tod eines Kritikers“, Suhrkamp Verlag, Frankfurt/M 2002) wird explizit erwähnt, und der versehentlich im Frankfurter Flughafen ermordete Literaturpapst Louis Freytag steht selbstverständlich für Marcel Reich-Ranicki.

Mit der Figur des Unternehmers Johann Manfred („Big Manni“) Busche spielt Bodo Kirchhoff auf den Anfang 2000 aufgedeckte FlowTex-Skandal an, bei dem es um Leasinggeschäfte mit nur scheinbar vorhandenen Horizontalbohrsystemen ging: FlowTex soll in der zweiten Hälfte der Neunzigerjahre mehr als dreitausend Bohrer verkauft und zurückgemietet haben, von denen die meisten nur auf dem Papier existierten. Mit einem Schaden von schätzungsweise 2 Milliarden Euro gilt der FlowTex-Skandal als größter Betrug in der deutschen Wirtschaftsgeschichte (Süddeutsche Zeitung, 27. Juli 2005).

Den Kitsch, den wir schon immer erträumten, aber nie danach zu verlangen wagten, hat jetzt Bodo Kirchhoff geliefert. Und er zeigt, dass das nur gut geht, wenn es ein Meister der Form in Angriff nimmt. Dann allerdings ist es zum Niederknien: Komisch und sentimental zugleich, aber nicht einfach ironisch, sondern irgendwie dazwischen. (Seite Ijoma Mangold, „Süddeutsche Zeitung“, 5. Juli 2002

So euphorisch fällt mein Urteil über Bodo Kirchhoffs „Schundroman“ nicht aus, denn ich hätte mir da einiges mehr an Witz, Esprit und Raffinesse erwartet. Immerhin handelt es sich um eine unterhaltsame Lektüre.

 

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2005
Textauszüge: © Frankfurter Verlagsanstalt

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