Monsieur Batignole

Monsieur Batignole

Monsieur Batignole

Originaltitel: Monsieur Batignole - Regie: Gérard Jugnot - Drehbuch: Gérard Jugnot und Philippe Lopes-Curval - Kamera: Gérard Simon - Schnitt: Catherine Kelber - Musik: Khalil Chahine - Darsteller: Jules Sitruk, Gérard Jugnot, Michèle Garcia, Jean-Paul Rouve, Alexia Portal, Violette Blanckaert, Daphné Baiwir, Götz Burger, Elisabeth Commelin, Hubert Saint-Macary, Daniel Martin, Nadine Spinoza, Damien Jouillerot u.a. - 2002; 100 Minuten

Inhaltsangabe

Der Pariser Feinkosthändler Batignole interessiert sich nur für sein Geschäft. Daran ändert sich auch nichts, als die Deutschen im Zweiten Weltkrieg das Land besetzen. Nachdem eine von seinem zukünftigen Schwiegersohn denunzierte jüdische Nachbarsfamilie abgeholt wurde, lässt Batignole sich von seiner Frau überreden, in die größere Wohnung zu ziehen. Eines Tages steht der 12-jährige Sohn der jüdischen Familie vor der Tür ...
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Kritik

In der rührenden Tragikomödie "Monsieur Batignole. Held wider Willen" zeigt Gérard Jugnot, wie ein Biedermann, dem nur sein Geschäft wichtig ist, durch die Konfrontation mit einem verwaisten Jungen sein Herz entdeckt.
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Paris 1942. Die französische Hauptstadt ist von den Deutschen besetzt. Der Feinkosthändler Edmond Batignole (Gérard Jugnot), der jeden Tag um 6 Uhr aufsteht und bis 22 Uhr arbeitet, denkt darüber nicht weiter nach; für ihn zählt nur das Geschäft.

Eines Morgens, als er in den Keller geht, um die Kaninchen zu füttern, stellt er fest, dass der Schinken gestohlen wurde. Die Diebe kamen offenbar durchs Kellerfenster. Nur ein Kind konnte durch durch die enge Öffnung schlüpfen. Batignoles zukünftiger Schwiegersohn Pierre-Jean Lamour (Jean-Paul Rouve) deutet auf die beiden kleinen Söhne des gegenüber wohnenden jüdischen Chirurgen Dr. Max Bernstein (Sam Karmann), der gerade mehrere Koffer in einem Auto verstaut und offensichtlich mit seiner Familie wegfahren will.

Während Batignole hinübergeht und Bernstein zur Rede stellt, telefoniert Pierre-Jean mit der Polizei. Bernstein erinnert Batigonole daran, dass er seiner Tochter Micheline (Alexia Portal) das Leben rettete, als sie eine Bauchfellentzündung hatte. „Dafür habe ich auch viel bezahlt“, entgegnet Batignole und kommt wieder auf den Schinken zu sprechen, obwohl Bernstein zunehmend nervös wird, denn er will sich mit seiner Familie in die Schweiz absetzen, bevor es zu spät ist. – Da rückt auch schon die Polizei an. Bernstein versteckt rasch noch ein Gemälde in der Schublade eines Sekretärs, bevor er, seine Frau und seine beiden Söhne festgenommen werden.

Der SS-Offizier Streich (Götz Burger) lässt die wertvollen Möbel aus der verlassenen Wohnung holen.

Batignole ist es eher peinlich, dass sein zukünftiger Schwiegersohn die Juden denunzierte, und er möchte die Angelegenheit vergessen. Seine Frau Marguerite (Michèle Garcia) liegt ihm jedoch in den Ohren: Sie würde gern in die 200 Quadratmeter große Wohnung der Bernsteins umziehen. Unterstützung erhält sie von Pierre-Jean, der sich für einen Bühnenautor hält, aber von einem Verleger verhöhnt wird. Ein Bekannter stellt ihn Streich vor, der gerade eine Geliebte hat, die von einer Bühnenkarriere träumt. Streich sorgt dafür, dass die Familie Batignole mit ihrem zukünftigen Schwiegersohn die große Wohnung bekommt, und Pierre-Jean verspricht ihm, ein Stück für die Geliebte zu schreiben.

Weil Streich erfahren hat, dass Batignole trotz des Krieges über Delikatessen und Champagner verfügt, lässt er ihn in der neuen Wohnung ein Fest für sich, seine Geliebte und eine Reihe von deutschen Freunden ausrichten.

Während der Feier steht plötzlich der zwölfjährige Simon Bernstein (Jules Sitruk) vor der Tür und fragt nach seinem Vater. Batignole erklärt ihm, dass seine Eltern nicht mehr hier wohnen und will ihn wegschicken, aber der Junge versteht das alles nicht. Als er, sein Bruder und seine Eltern vor drei Tagen am Bahnhof in einen Zugwaggon klettern sollten, forderte ihn sein Vater auf, wegzulaufen. Simon rannte los und hat seine Angehörigen seither nicht mehr gesehen und auch nichts gegessen. Batignole, der befürchtet, dass ihn einer der Deutschen mit dem jüdischen Jungen sehen könnte, versteckt Simon in einer Dachkammer.

Ängstlich darauf bedacht, dass weder seine Frau, noch seine Tochter oder deren Verlobter etwas davon mitbekommen, versorgt Batignole den Jungen auch am nächsten Tag. Er fragt Simon nach Verwandten und erhält eine Adresse am Montmartre, zu der er unverzüglich fährt. Dort holt ihn die Concierge (Sylvie Herbert) in ihre Wohnung und zeigt ihm Simons Cousinen Sarah und Guila Cohen (Violette Blanckaert, Daphné Baiwir), die sie bei sich versteckte, als die Eltern abgeholt wurden. Statt noch ein drittes Kind bei sich aufzunehmen, möchte die Concierge die beiden Mädchen loswerden, aber Batignole fährt schnell wieder fort.

Als Nächstes versucht er, einen Fluchthelfer für Simon zu finden. Lucien Morel (Ticky Holgado), der auch die falschen Papiere für die Familie Bernstein besorgte, verlangt mehr Geld, als Batignole aufbringen kann, erwähnt jedoch, dass die Bernsteins einen Renoir besaßen. Im Tausch gegen das Gemälde wäre er bereit, Simon in die Schweiz zu bringen. Batignole erinnert sich daran, wie Max Bernstein unmittelbar vor seiner Festnahme ein Gemälde im Sekretär verschwinden ließ und erkundigt sich bei den Deutschen, deren Lebensmittellieferant er inzwischen geworden ist, nach dem Verbleib der Möbel. Die meisten befinden sich in einem riesigen Lager; ausgerechnet der Sekretär im Louis-Quinze-Stil fehlt. Den habe sich wohl ein deutscher Offizier angeeignet, meint der Lagerverwalter schulterzuckend. Unter einem Vorwand gelingt es Batignole, in Streichs Büro zu kommen, wo tatsächlich der Sekretär aus der Bernstein-Wohnung steht. Der Renoir liegt noch in der Schublade. Batignole raubt ihn und bringt ihn zu einem Hehler.

Weil der Untermieter Paul (Flannan Obé) sein Zimmer schon mal SS-Offizieren für ein Schäferstündchen überlässt, quartiert Batignole den Jungen in den Keller um. Eines Tages findet er dort auch Simons Cousinen vor, die durchs Fenster gekrochen sind. Er hat jedoch keine Zeit, sich darüber zu ärgern, denn im nächsten Augenblick kommt Pierre-Jean in den Keller und entdeckt die drei jüdischen Kinder. Pierre-Jean bedroht Batignole mit einem Schlachterbeil und hat vor, die Deutschen zu rufen. Batignole schneidet ihm die Kehle durch und flieht mit den Kinder zu der Concierge am Montmartre. Während die Polizei und die Deutschen nach ihm suchen, trifft er sich heimlich mit seiner Tochter, gibt ihr die Hälfte des Geldes, das er für den Renoir bekam und vertraut ihr an, dass er die Kinder selbst zur Schweizer Grenze bringen will.

Unbehelligt erreicht Batignole mit Simon, Sarah und Guila den Zielbahnhof. Beim Aussteigen verrenkt sich ein deutscher Offizier das Knie. Da Simon während der Zugfahrt erzählte, sein Vater sei Arzt, wird Batignole gerufen. Zum Glück eilt auch noch eine Krankenschwester herbei, die dem Verletzten eine Spritze gegen die Schmerzen geben kann. Da Batignole sich als gelernter Schlachter mit Gelenken auskennt, gelingt es ihm, das Knie mit einem beherzten Ruck wieder einzurenken.

Zu Fuß gelangen Batignole, Simon, Sarah und Guila zu einem abgelegenen Bauernhof, wo sie von der Bewohnerin Irène (Elisabeth Commelin) für eine Nacht aufgenommen werden. Irènes Ehemann befindet sich in deutscher Kriegsgefangenschaft. Simon erzählt Irènes Sohn Martin (Damien Jouillerot), dass sein Bruder und seine Eltern von den Deutschen festgenommen wurden und Batignole mit seiner Familie in die verlassene Wohnung zog, wo er gerade mit SS-Offizieren feierte, als Simon zurückkam. Am nächsten Morgen, bevor die anderen aufstehen, geht Martin mit Simon zu seinem erwachsenen Bruder, der zur Résistance gehört. Der soll die Kinder anstelle von Batignole zur Grenze bringen. Ein Polizeispitzel, der das Gespräch belauscht und merkt, dass es sich bei Simon um einen Juden handelt, sorgt dafür, dass der Junge verhaftet wird. Batignole eilt zum Polizeirevier und wird vom Gendarmerie-Leutnant (Hubert Saint-Macary) verdächtigt, selbst ein Jude zu sein, aber es gelingt ihm, mit Simon zu entkommen.

Der Landpfarrer (Christophe Rouzaud) versteckt die beiden in seiner Kirche und bringt Batignole, Simon, Sarah und Guila am nächsten Morgen zur Grenze. Dort zeigt er den Kindern einen Schweizer Bauernhof, wo man sie bereits erwartet. Dann verabschieden der Pfarrer und Batignole sich von ihnen. Die Kinder sind schon hundert Meter fort, da läuft Batignole ihnen plötzlich nach.

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In der rührenden Tragikomödie „Monsieur Batignole. Held wider Willen“ zeigt Gérard Jugnot (Drehbuch, Regie und Hauptrolle), wie ein Pariser Feinkosthändler, der sich weder um Politik noch um seine Nachbarn kümmert, weil ihm nur sein Geschäft wichtig ist, im Zweiten Weltkrieg durch die Konfrontation mit einem verwaisten jüdischen Jungen sein Herz entdeckt. Der Franzose Gérard Jugnot nähert sich dem ernsten Thema – zwei jüdische Familien werden Opfer des Holocaust, und drei verwaiste jüdische Kinder schweben in Lebensgefahr – mit großer Gelassenheit und viel Humor.

Die Dreharbeiten für „Monsieur Batignole fanden in Paris und im ostfranzösischen Département Doubs (Le Bizot, Les Gras, Morteau) statt.

Deutsche Synchronstimmen in „Monsieur Batignole. Held wider Willen“: Frank-Otto Schenk (Edmond Batignole), Gudo Hoegel (Lucien Morel), Joachim Höppner (Max Bernstein) u.a.

Gérard Jugnot (* 1951) gründete bereits als Schüler mit Christian Clavier, Josiane Balasko und Thierry Lhermitte in Paris die Theatergruppe „Equipe du Splendid“, die bis in die Achtzigerjahre bestand und auch einige Kinofilme drehte, vor allem mit Patrice Leconte. (Für den 2006 uraufgeführten Film „Les bronzés 3“ fand sich die „Equipe du Splendid“ später noch einmal zusammen.) Gérard Jugnot war 1976 außerdem in den Filmen „Der Mieter“ von Roman Polanski und „Monsieur Klein“ von Joseph Losey zu sehen. Nachdem sich die Theatergruppe „Equipe du Splendid“ aufgelöst hatte, inszenierte Gérard Jugnot die Filme „Scout toujours“ und „Pinot simple flic“. Seinen Durchbruch als Regisseur schaffte er 1996 mit „Fallait pas …!“. Parallel zu seiner Arbeit als Schauspieler und Regisseur schrieb Gérard Jugnot zwei Dutzend Drehbücher. An „Die Kinder des Monsieur Mathieu“ war Gérard Jugnot als Produzent und Hauptdarsteller beteiligt.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2006

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