Invincible. Unbesiegbar

Invincible. Unbesiegbar

Invincible. Unbesiegbar

Unbesiegbar - Originaltitel: Invincible - Regie: Werner Herzog - Drehbuch: Werner Herzog - Kamera: Peter Zeitlinger - Schnitt: Joe Bini - Musik: Hans Zimmer und Werner Badelt - Darsteller: Tim Roth, Jouka Ahola, Anna Gourari, Max Raabe, Jacob Wein, Gustav Peter Wöhler, Udo Kier u.a. - 2001; 130 Minuten

Inhaltsangabe

Werner Herzog verknüpft Elemente aus den Biografien des ostpolnischen Schmieds Zische Breitbart und des zwielichtigen böhmischen Hellsehers Jan Erik Hanussen, die sich 1932 in Berlin begegnen. Hanussen ist ein Betrüger, der von der Angst getrieben wird, er könne als Jude entlarvt werden. Zische Breitbart dagegen ist ein naiver junger Jude, der schließlich glaubt, auserwählt zu sein, sein Volk vor einer heraufziehenden Katastrophe zu warnen.
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Kritik

Statt politisch zu argumentieren, setzt Werner Herzog in "Invincible" auf Gefühle und schreckt in dem Heldenmärchen nicht vor sentimentalen Klischees und purem Kitsch zurück. Sehenswert ist die schauspielerische Leistung von Tim Roth.


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Ostpolen 1932. Der Schmied Yitzak Breitbart (Gary Bart) ist das Oberhaupt einer kinderreichen Familie. Stolz ist er vor allem auf seinen neunjährigen Sohn Benjamin (Jacob Wein), der seinem Alter geistig weit voraus ist, und auf seinen Ältesten, Zische (Jouko Ahola), der eifrig am Amboss arbeitet. Als Zische einmal mit Benjamin ins Gasthaus geht, werden sie von antisemitischen Gästen rüde angepöbelt, bis Zische die Männer in die Flucht schlägt, dabei aber auch einen Teil der Einrichtung zertrümmert. Weil Zische kein Geld hat, um für den Schaden aufzukommen, verlangt der Wirt von ihm, dass er in dem gerade im Ort gastierenden Wanderzirkus gegen den „Koloss von Rhodos“ kämpft, um die Siegesprämie zu gewinnen. Tatsächlich bezwingt Zische seinen Gegner, und der zufällig anwesende Berliner Künstleragent Alfred Landwehr (Gustav Peter Wöhler) überredet die zunächst aus religiösen Gründen widerstrebende Familie Breitbart, den Hünen in die deutsche Reichshauptstadt ziehen zu lassen.

Im Mai 1932 trifft Zische Breitbart in Berlin ein, und Landwehr vermittelt ihn an „Hanussens Palast des Okkulten“. Auf der Bühne führt der Sänger (Max Raabe) durch das Programm, dessen Höhepunkt erreicht wird, wenn Eric Jan Hanussen (Tim Roth) demonstriert, wozu er angeblich durch Hypnose fähig ist. Hanussen schlägt das Publikum durch sein Charisma in Bann, spielt aber auch die Rolle des Propheten und verkündet den vom deutschen Volk ersehnten starken Mann, denn er rechnet sich Chancen aus, in einer von Adolf Hitler geführten Regierung das Ministerium für Okkultismus zu leiten. Ein naiver Hüne wie Zische passt ausgezeichnet ins Programm. Allerdings muss ein deutscher Name her: Mit blonder Perücke und einer Art Wikingerhelm sprengt „Siegfried“ auf der Bühne die Ketten, die hübsche Ballettmädchen ihm angelegt haben. Damit soll er nicht nur das deutsche Volk symbolisieren, das sich selbst aus den Fesseln des Versailler Friedensvertrages befreien wird, sondern zugleich die Bühne für Hanussen vorbereiten, der zeigt, dass sich mit der Kraft des Geistes noch mehr bewegen lässt als mit den stärksten Muskeln.

Im Traum sah Zische einmal die Frau seines Lebens. Nun glaubt er, sie in Marta Farra (Anna Gourari) gefunden zu haben, der Pianistin im Begleitorchester von „Hanussens Palast des Okkulten“. Ihre Eltern hat die Staatenlose nie kennen gelernt. Nach dem Studium am Konservatorium in Prag wurde sie von Hanussen aufgenommen, und dafür ist sie ihm zu Dank verpflichtet – obwohl er sie tyrannisiert und erniedrigt. Marta, die sich zu dem naiven, gutmütigen Athleten hingezogen fühlt, träumt davon, einmal den Solopart im 3. Konzert für Klavier und Orchester von Ludwig van Beethoven öffentlich spielen zu dürfen.

Angesichts der Nazi-Parolen grölenden SA-Männer im Publikum und der Rolle, die Jan Eric Hanussen spielt, fühlt Zische Breitbart sich zunehmend unwohl auf der Bühne, und er will wieder nach Hause. Aber Hanussen gelingt es, ihn zum Bleiben zu überreden.

Unverhofft tauchen Benjamin und die Mutter (Renate Krößner) in Zisches Künstlergarderobe auf. Der Vater hat ihnen die Reise erlaubt, aber sie müssen am nächsten Tag wieder zurückfahren. Benjamin erkennt seinen ältesten Bruder in dem merkwürdigen Kostüm zuerst gar nicht wieder und versteht nicht, dass Zische für den Ruhm auf der Bühne seine jüdische Herkunft verleugnet. Bei seinem anschließenden Auftritt wird der Hüne wieder von SA-Männern umjubelt. Da reißt er sich den Helm und die blonde Perücke herunter, bekennt sich als Jude und wählt den Künstlernamen Samson. Es hagelt Beschimpfungen wie „Judensau!“. Um den Tumult zu beenden, eilt Jan Eric Hanussen auf die Bühne und übernimmt Zisches Nummer: Nicht mit den Muskeln, sondern mit der Kraft seines Geistes werde er die Pianistin Marta dazu befähigen, den auf der Bühne stehenden Elefanten ein Stück hochzuheben. Das Kunststück gelingt dank einer versteckten hydraulischen Vorrichtung, und das Publikum beruhigt sich wieder.

Am nächsten Tag will Zische die ausstehende Gage abholen und sich von Hanussen verabschieden. Doch inzwischen hat sich Zisches mutiger Auftritt in der jüdischen Gemeinde Berlins herumgesprochen, und der Magier verspricht sich einen Riesenerfolg. Rabbi Samuel Edelmann (Herbert Golder) persönlich lädt Zische in die Synagoge ein.

In einer der folgenden Vorstellungen sitzen Joseph Goebbels und Heinrich Himmler im Publikum. Während Zisches Auftritt kommt es zu einer Saalschlacht zwischen SA-Männern und Juden.

Marta bittet Zische ausdrücklich darum, sie zu einer großen Bootsparty zu begleiten, die Jan Eric Hanussen für einflussreiche NS-Führer veranstaltet. Als Hanussen während des Fests von Marta verlangt, sich mit Goebbels in eine Kabine zurückzuziehen, weigert sie sich, und Zische packt den Gaukler, stemmt ihn hoch und droht, ihn über die Reling zu werfen, stellt ihn dann aber doch wieder auf die Füße. Der Berliner Polizeipräsident Graf von Helldorf (Udo Kier), der Zeuge dieser Szene wird, ruft die anderen Gäste herbei und verhindert, dass Hanussen den Kraftprotz erschießt.

In der wegen des Vorfalls angesetzten Gerichtsverhandlung gegen Zische Breitbart beschuldigt dieser den Magier, ein betrügerischer Scharlatan zu sein, und Marta bestätigt die Aussage. Hanussen muss dem Richter seinen Ausweis vorlegen, und es stellt sich heraus, dass er kein dänischer Adeliger ist, wie er zu behaupten pflegte, sondern ein tschechischer Jude namens Herschel Steinschneider.

Während Steinschneider alias Hanussen gebrochen an seinem Schreibtisch in der gigantischen Halle sitzt, die er sich im Vorgriff auf seine Rolle als Reichsminister für Okkultismus bauen ließ, kommt Zische zu ihm und entschuldigt sich für sein Verhalten. Er steht dabei, als Hanussen von einem SA-Kommando festgenommen wird.

Mehrmals träumt Zische von einem Gewimmel roter Krebse, die von einem herannahenden Zug zermalmt werden. Da ahnt er, dass auf die Juden eine Katastrophe zukommt.

Für Marta denkt Zische sich eine besondere Überraschung aus. Er führt sie von hinten auf die Bühne eines Konzerthauses, und als sich der Vorhang öffnet, applaudiert das Publikum, während das Orchester bereit ist, die Solistin bei der Interpretation von Beethovens 3. Klavierkonzert zu begleiten.

SA-Männer bauen das Schild über dem Eingang zu „Hanussens Palast des Okkulten“ ab. Zische wird aufgefordert, die Leiche Hanussens zu identifizieren, die im Wald gefunden wurde – mit zwanzig Schussverletzungen und von Wildschweinen angefressen.

Im Dezember 1932 trifft Zische wieder in seiner ostpolnischen Heimat ein. Er versammelt die Dorfbewohner und predigt ihnen von der aus Deutschland heraufziehenden Gefahr, aber die Leute glauben ihm nicht und wenden sich von ihm ab. In einer Gaststätte, in der er vor den Nationalsozialisten warnt, fordert ihn ein Mann auf, seine Körperkraft zu beweisen. Zische schlägt einen rostigen Nagel mit der bloßen Hand durch einen Holzbalken. Die Nagelspitze ritzt ihn über dem Knie. Zunächst achtet er nicht weiter auf die Verletzung. Doch es kommt zu einer Blutvergiftung. Das Bein muss amputiert werden. Nach elf Operationen stirbt Zische Breitbart am 28. Januar 1933 – zwei Tage bevor Adolf Hitler in Berlin als Reichskanzler vereidigt wird.

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Ein Nachfahre Zische Breitbarts, der sehr viel Material über ihn gesammelt hatte, machte Werner Herzog auf die Geschichte des jüdischen Hünen aufmerksam.

Dieses Material, Tausende von Seiten, habe ich gar nicht vollständig durchgesehen. Ich habe es zu einem bestimmten Zeitpunkt beiseite geschoben und gesagt: Ich will die Figur auch neu erfinden. (Werner Herzog)

Das brachte Werner Herzog auf die Idee, Elemente aus den Biografien Zische Breitbarts und des zwielichtigen Hellsehers Jan Erik Hanussen zu verknüpfen und zu einer fiktiven Geschichte auszuweiten.

Jan Erik Hanussen zeigt er als einen ehrgeizigen Betrüger, der von der Angst getrieben wird, er könne als Jude entlarvt werden. Zische Breitbart dagegen ist ein naiver junger Jude aus Ostpolen, gewissermaßen der reine Tor, der schließlich glaubt, auserwählt zu sein, sein Volk vor einer heraufziehenden Katastrophe zu warnen.

Gedreht wurde in Litauen, Lettland und Estland, Berlin und Nordrhein-Westfalen. Die Rolle Zische Breitbarts übernahm der finnische Gewichtheber Jouko Ahola, der 1997 und 1999 bei internationalen Wettbewerben zum „stärksten Mann der Welt“ gewählt worden war. Vor der Kamera hatte er bis dahin ebenso wenig gestanden wie die russische Pianistin Anna Gourari. Nur für die Rolle Jan Erik Hanussens ließ Werner Herzog einen internationalen Filmstar engagieren: Tim Roth. Dem gelingt es, das Charisma des Gauklers glaubwürdig zu machen.

Statt politisch zu argumentieren, setzt Werner Herzog in „Invincible. Unbesiegbar“ auf Gefühle und schreckt in dem Heldenmärchen nicht vor sentimentalen Klischees zurück. Purer Kitsch ist beispielsweise die Szene, in der Zische Breitbart seine Angebetete damit überrascht, dass er sie auf die Bühne eines vollbesetzten Konzerthauses führt, wo sie in der nächsten Minute ohne jegliche Vorbereitung erstmals den Solopart des 3. Konzerts für Klavier und Orchester von Ludwig van Beethoven übernimmt.

Vor Werner Herzog gab es 1955 und 1988 bereits zwei andere Filme über die zwielichtige Person des Hellsehers Jan Erik Hanussen, beide unter dem Titel „Hanussen“:

Hanussen (1955) – Regie: O. W. Fischer und Georg Marischka – Buch: Gerhard Menzel, nach einem Manuskript von Curt Riess – Kamera: Helmuth Ashley alias Helmut Fischer – Schnitt: Wolfgang Wehrum – Musik: Hans-Martin Majewski – Darsteller: O. W. Fischer, Liselotte Pulver, Erni Mangold, Marie Dominique, Margrit Läubli, Klaus Kinski, Helmut Qualtinger u.a. – 95 Minuten

Zu Beginn der Dreißigerjahre fasziniert der böhmische Hellseher Eric Jan Hanussen (O. W. Fischer) die Varieté-Besucher in Wien. In einem Aufsehen erregenden Gerichtsverfahren wird er vom Vorwurf des Betrugs und der Scharlatanerie freigesprochen. Der Nationalsozialist Mirko von Spazier (Klaus Kinski) führt den Künstler in Berlin ein, wo er dessen Partei eine große Zukunft prophezeit. Als er jedoch den Reichstagsbrand voraussieht und eine Katastrophe weissagt, wird er von den Nationalsozialisten im Grunewald ermordet.

Hanussen (1988) – Originaltitel: Profeta – Regie: István Szabó – Buch: István Szabó, Péter Dobai, Paul Hengge und Gabriella Prekop – Kamera: Lajos Koltai – Musik: György Vukán – Darsteller: Klaus Maria Brandauer, Erland Josephson, Walter Schmidinger, Grazyna Szapolowska, Adriana Biedrzynska, György Cserhalmi, Ildikó Bánsági, Károly Eperjes, Colette Pilz-Warren, Michal Bajor, Ewa Blaszczyk u.a. – 110 Minuten

Während des Ersten Weltkriegs wird der österreichische Offizier Klaus Schneider (Klaus Maria Brandauer) mit Kopfverletzungen in ein Lazarett eingeliefert. Der behandelnde Arzt, Major Dr. Bettelheim (Erland Josephson), glaubt abnorme Fähigkeiten bei dem Patienten zu beobachten. Unter dem Einfluss von Hauptmann Nowotny (Károly Eperjes), der ein Fronttheater betrieb, beginnt Schneider nach dem Krieg in Wien eine Künstlerkarriere unter dem Namen Eric Jan Hanussen. Als er das Sinken eines Dampfers voraussieht, wird er berühmt. Wegen Betrugs angezeigt, gelingt es ihm, vor Gericht seine hypnotischen Fähigkeiten zu beweisen und freigesprochen zu werden. Zusammen mit Nowotny und seiner Geliebten Wally (Adriana Biedrzynska) zieht er nach Berlin, wo er bald in den gehobenen Kreisen verkehrt. Weil er Hitlers Sieg prophezeit, trennt Nowotny sich von ihm. Die Nationalsozialisten fördern den opportunistischen Karrieristen, der seine Haltung auch nicht ändert, als jüdische Freunde von den Nationalsozialisten verfolgt werden. Nachdem er jedoch den Reichstagsbrand vorausgesehen hat, entführen SA-Männer Eric Jan Hanussen in einen Wald und erschießen ihn.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2004

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