45 Years

45 Years

45 Years

45 Years – Originaltitel: 45 Years – Regie: Andrew Haigh – Drehbuch: Andrew Haigh nach der Kurzgeschichte "In Another Country" von David Constantine – Kamera: Lol Crawley – Schnitt: Jonathan Alberts – Darsteller: Charlotte Rampling, Tom Courtenay, Geraldine James, Dolly Wells, David Sibley, Sam Alexander u.a. – 2015; 90 Minuten

Inhaltsangabe

Kurz vor dem 45. Hochzeitstag erfährt Geoff aus einem Brief, dass nach 50 Jahren die Leiche seiner 1962 in eine Gletscher­spalte in der Schweiz gestürzten Freundin Katya gefunden wurde. Geoff erhält die Nachricht, weil er und Katya sich damals als Ehepaar ausgegeben hatten. Nachts hört Kate ihren Ehemann auf dem Dach­boden. Während er am nächsten Tag fort ist, entdeckt sie dort oben einen Dia­projektor. Die Bilder zeigen Katya kurz vor dem Tod. Sie war schwanger! Für Kate bricht eine Welt zusammen ...
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Kritik

"45 Years" ist ein leises, fein­fühliges, von Andrew Haigh sorgfältig aufge­bautes Kammerspiel. Charlotte Rampling und Tom Courtenay überzeugen in den Hauptrollen: Mit winzigen Gesten und nuancierten Veränderungen der Mimik lassen sie uns das Gefühlschaos ahnen.
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Kate und Geoff Mercer (Charlotte Rampling, Tom Courtenay) wohnen in einem abgelegenen Cottage in Norfolk. Es ist Herbst. Am kommenden Samstag jährt sich ihr Hochzeitstag zum 45. Mal, und Kate ist bereits dabei, die Feier in einem Saal in der nahe gelegenen Kleinstadt vorzubereiten.

Am Montag vor dem Fest bringt der Postbote (Sam Alexander), den die pensionierte Lehrerin Kate bereits als Schüler kannte, Geoff einen Brief in deutscher Sprache: Nach 50 Jahren, heißt es da, habe man in einem Schweizer Gletscher die Leiche seiner 1962 verunglückten Ehefrau Katya gefunden, allerdings noch nicht geborgen. Geoff hatte Kate zwar von Katya erzählt, aber lediglich von einer Freundin gesprochen. Man habe sich beispielsweise gegenüber Vermietern als Ehepaar ausgeben müssen, erklärt er, alles andere wäre damals anstößig gewesen. Als 25-Jähriger hatte er 1962 versucht, mit der zwei Jahre älteren Katya und einem Führer über Schweizer Berge nach Italien zu kommen, aber noch vor der Grenze sei Katya in eine Gletscherspalte gestürzt.

Dass Geoff mit dem Gedanken spielt, aufgrund der Nachricht in die Schweiz zu reisen, alarmiert Kate, und sie wundert sich darüber, dass er sie am nächsten Tag auf dem Weg in die Stadt begleiten möchte, um die öffentliche Bibliothek aufzusuchen. Als sie sich dann, wie verabredet, in einem Café treffen, hat Geoff ein Buch über den vom Klimawandel verursachten Rückgang der Gletscher dabei. Eine befreundete Familie entdeckt die Mercers durchs Fenster. Lena und George (Geraldine James, David Sibley) kommen mit ihrer erwachsenen Tochter Sally (Dolly Wells) herein, um Kate und Geoff zu begrüßen. Kate entgeht nicht, dass Geoff kaum zuhört.

In der Nacht wacht sie auf. Geoff liegt nicht neben ihr. Sie hört ihn auf dem Dachboden, und als sie nachschaut, was er dort tut, hat er ein Foto von Katya in der Hand.

Am Mittwoch sehen ihn Kate und Lena während ihrer Vorbereitungen für die Feier des Hochzeitstages auf einer Anlagenbank in der Stadt sitzen und rauchen, obwohl er vor einiger Zeit mit dem Rauchen aufhörte.

Als Kate ihn abends im Bett fragt, ob er Katya geheiratet hätte, wenn sie nicht verunglückt wäre, versucht er die Frage zunächst als hypothetisch abzutun, gibt es dann aber zu.

Am Donnerstag findet ein Treffen von ehemaligen Mitarbeitern der Fabrik statt, deren Geschäftsführung Geoff früher angehörte. Obwohl die Veranstaltung von seinem Freund George organisiert wird, wollte Geoff seine Teilnahme absagen, aber Kate meinte, das könne er George nicht antun. Sie fährt ihn hin, und er steigt lustlos aus dem Auto.

Während Geoff fort ist, klettert Kate über die Falltreppe auf den Dachboden. Zunächst entdeckt sie in einem Koffer ein altes Reisetagebuch ihres Mannes. Dann bemerkt sie einen Diaprojektor und ein aufgehängtes Laken. Die eingelegten Bilder zeigen Katya kurz vor dem tödlichen Absturz. Und es ist unübersehbar, dass sie schwanger war!

Kate fragt sich nun, ob sie für Geoff nur zweite Wahl war, lediglich ein Ersatz für die tödlich verunglückte Katya. Inzwischen ist ihr bereits aufgefallen, dass es von ihr und Geoff keine Erinnerungsfotos gibt. Das Fundament, das nach Kates bisheriger Vorstellung die Ehe seit 45 Jahren trug, bricht weg.

Darüber verliert sie kein Wort, als sie Geoff in der Fabrik abholt und er auf der Rückfahrt über die früheren Kollegen herzieht.

Bevor Kate am Freitagmorgen aufsteht, fährt Geoff bereits in die Stadt. Sie folgt ihm und fragt im Reisebüro nach ihrem Mann. Die Angestellte (Hannah Chalmers) sagt, er sei da gewesen und habe sich nach Reisen in die Schweiz erkundigt. Als Kate ihn später darauf anspricht, beteuert er, eine so weite Reise sei für ihn viel zu anstrengend.

Bei der Feier am Samstag tut Kate alles, um die Gäste über ihr Gefühlschaos hinwegzutäuschen. Geoff beteuert in seiner Ansprache, dass er Kate überreden konnte, ihn zu heiraten, sei das Beste gewesen, was er in seinem Leben erreicht habe. Am Ende weint er, wie von Lena vorhergesagt. Die Gäste sind gerührt. Kate lächelt. Das versucht sie auch noch, als Geoff mit ihr wie beim Kennenlernen zu „Smoke Gets in Your Eyes“ tanzt, aber als die Musik abbricht, entzieht sie ihm abrupt ihre Hand.

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Der Kinofilm „45 Years“ von Andrew Haigh (Drehbuch, Regie) basiert auf der Kurzgeschichte „In Another Country“ von David Constantine.

Ein unerwarteter Rückblick in die Vergangenheit ändert plötzlich die Gegenwart und stellt eine vor 45 Jahren geschlossene Ehe in Frage. Aber dieser Einbruch in den zur Routine gewordenen Alltag geschieht ohne Gekeife. „45 Years“ ist ein leises, feinfühliges Kammerspiel.

Die vorwiegend im Cottage des Ehepaars Kate und Geoff Mercer spielende Handlung ist in sechs mit den Wochentagen von Montag bis Samstag über­schriebene Kapitel gegliedert. Dass es Herbst ist, passt zur Situation eines in Kürze seinen 45. Hochzeitstag feiernden Paares. Andere Motive sind gegensätzlich angelegt. Die Distanzierung der Ehepaartner wird nicht zuletzt durch Einstellungen angedeutet, in denen eine der beiden Personen zu sehen, die andere aber nur zu hören ist. Gleich zu Beginn vernehmen wir bereits das Geräusch des Diaprojektors, den Kate später auf dem Dachboden entdeckt und der ihr eine Erkenntnis verschafft, die ihre Welt zusammenbrechen lässt. Das hat Andrew Haigh trotz einer eher beiläufig wirkenden Erzählweise sorgfältig aufgebaut.

Der Konflikt wird, wie gesagt, nicht lautstark ausgetragen, im Grunde nicht einmal verbal. Bevor Kate ein heißes Bad nimmt, um sich nach dem ersten Schock zu beruhigen, meint sie: „Kann ich dir denn wegen etwas böse sein, was vor unserer Ehe geschah?“ Geoff erwidert: „Nicht wirklich.“ Darauf sagt sie nur noch leise: „Aber …“

Diese beiden Durchschnittsmenschen, auf die sich Andrew Haigh in „45 Years“ voll konzentriert, werden von Charlotte Rampling und Tom Courtenay überzeugend dargestellt. Ohne Worte, mit winzigen Gesten und nuancierten Veränderungen der Mimik lassen sie uns das Gefühlschaos ahnen, in das sie der Brief aus der Schweiz gestürzt hat. Für diese bewunderungswürdige schauspielerische Leistung wurden Charlotte Rampling und Tom Courtenay bei der 65. Berlinale – in deren Rahmen am 6. Februar 2015 die Premiere von „45 Years“ stattfand – mit „Silbernen Bären“ ausgezeichnet. Charlotte Rampling erhielt für die Rolle in „45 Years“ außerdem eine „Oscar“-Nominierung.

Bei dem Popsong, zu dem Kate und Geoff am Ende tanzen, handelt es sich um „Smoke Gets in Your Eyes“ aus dem Musical „Roberta“ (1933) von Jerome Kern (Musik) und Otto Harbach (Text).

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2016

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In einer Satire wie "Solar" sind deftige Überspitzungen erlaubt. Auf ein paar billige Gags hätte Ian McEwan jedoch verzichten sollen. Auch ohne sie würden funkelnder Wortwitz, Situationskomik und gut vorbereitete Slapsticks den Leser gut unterhalten.
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