Wilde Maus

Wilde Maus

Wilde Maus

Originaltitel: Wilde Maus – Regie: Josef Hader – Drehbuch: Josef Hader – Kamera: Andreas Thalhammer, Xiaosu Han – Schnitt: Ulrike Kofler, Monika Willi, Christoph Brunner – Darsteller: Josef Hader, Pia Hierzegger, Jörg Hartmann, Denis Moschitto, Georg Friedrich, Nora von Waldstätten, Crina Semciuc, Maria Hofstätter u.a. – 2017; 100 Minuten

Inhaltsangabe

Der Wiener Musikkritiker Georg Endl wird nach 25 Jahren entlassen, verheimlicht die unerwartete Arbeitslosigkeit jedoch seiner Frau Johanna, einer 43-jährigen Psycho­therapeutin, die vor dem Klimakterium unbedingt noch ein Kind haben möchte. Um sich am Chefredakteur zu rächen, beschädigt Georg dessen Auto und anderen Besitz. Auf dem Prater trifft er einen früheren Mitschüler, und die beiden fangen an, die stillgelegte Wilde Maus zu reparieren ...
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Kritik

Die teilweise groteske Tragikomödie "Wilde Maus" wechselt zwischen mehreren Handlungssträngen hin und her. Wichtiger als die Charaktere sind Josef Hader die Verwicklungen der Figuren, die in pointierten Dialogen mit viel Wiener Schmäh deutlich werden.
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Die Kündigung

Georg Endl (Josef Hader) ist 55 Jahre alt und arbeitet seit 25 Jahren als Musikkritiker für eine Zeitung in Wien. Als er zu Waller (Jörg Hartmann), dem aus Deutschland stammenden Chefredakteur, gerufen wird, traut er seinen Ohren nicht, als dieser ihm kündigt. Georgs Gehalt sei aufgrund der langen Zugehörigkeit so hoch, dass der Verlag drei jüngere Mitarbeiter entlassen müsste, um die gleichen Einsparungen zu erzielen, erklärt Waller. „Es wird Leserproteste geben“, meint Georg, aber Waller winkt ab: „Die meisten Ihrer Leser sind schon tot.“

Torschlusspanik

Weil Georg die unerwartete Arbeitslosigkeit als Schande empfindet, verheimlicht er sie seiner 43-jährigen Lebensgefährtin Johanna (Pia Hierzegger), einer Psychotherapeutin, die vor dem Klimakterium unbedingt noch ein Kind haben möchte und ihm vorwirft, sie dabei nicht genügend zu unterstützen: „Du unterdrückst den Samenerguss!“ Aus Frustration trinkt Johanna zu viel Rotwein. Sie drängt, es mit einer künstlichen Befruchtung zu versuchen, solange noch Zeit dafür ist, aber Georg hält sie hin.

Zeitvertreib

Er verbringt die Tage Zeitung lesend auf einer Parkbank, haut den Luziprack auf dem Prater und fährt mit der Liliputbahn. Den Lokführer kennt er von früher: Erich (Georg Friedrich) gehörte zu den Mitschülern, die ihn regelmäßig schikanierten und verprügelten. Weil Erich einen Teil der Einnahmen unterschlagen hat, wird er fristlos entlassen. Die beiden Arbeitslosen freunden sich an, pachten die „Wilde Maus“ und fangen an, die stillgelegte Achterbahn aus Holz wieder fahrtauglich zu machen.

Um sich für die Entlassung zu rächen, zerkratzt Georg den Porsche seines früheren Chefs. Er kauft sich ein Messer, um das Stoffverdeck zerschneiden zu können. Später besorgt er sich einen großen lebenden Fisch und setzt ihn in Wallers Pool.

Nach einem spontan besuchten Konzert trifft Georg auf seine junge Nachfolgerin bei der Zeitung (Nora von Waldstätten). Die unerfahrene Redakteurin sucht seinen Rat und lässt sich von ihm darüber belehren, dass Mozarts „Zauberflöte“ keine Oper, sondern ein Singspiel ist.

Trennungen

Johannas veganer Patient Sebastian (Denis Moschitto) beendet die Therapie, nachdem ihn sein Lebensgefährte verlassen hat, weil er sich an ihren Rat hielt, nicht nur an den Partner, sondern auch an sich selbst zu denken.

Waller, der längst weiß, wer ihm die bösen Streiche spielt, macht sich an Georgs Lebensgefährtin heran, die er von früheren Abendveranstaltungen der Zeitung kennt. Er bietet ihr einen Vertrag für ein Coaching der Redakteure an, erzählt beiläufig, dass Georg seit einer Woche krank gemeldet sei und erkundigt sich scheinheilig nach dessen Gesundheitszustand.

Weil Johanna bei Telefonaten mit Georg Jahrmarkts-Geräusche hörte, sucht und findet sie ihn auf dem Wurstelprater beim Verteilen von Handzetteln. Er helfe nur einem Freund aus, behauptet er, aber sie lässt sich von seinen Lügen nicht täuschen und wirft ihn aus der Wohnung.

Erichs rumänische Freundin Nicoletta (Crina Semciuc) unterhielt sich in den letzten Tagen mehr mit Georg, der ebenso wie sie ein wenig Italienisch kann. Weil es zwischen ihr und Erich keine gemeinsame Sprache gibt, trennt sie sich von ihm und kehrt nach Bukarest zurück. Die in Wien für den Bau einer Terrasse gesammelten Pflastersteine lässt sie ihrem Liebhaber da.

Rache

Als Georg eine Überwachungskamera auf Wallers Grundstück zertrümmert, wird er von der Besatzung eines Streifenwagens festgenommen, aber nach der Unterzeichnung eines Protokolls über die Sachbeschädigung wieder freigelassen.

Nachdem er in einem asiatischen Schnellrestaurant gegessen hat, fragt er die Besitzerin an der Kasse (April Bracatti) nach dem Sushi-Koch, der ihm bekannt vorkam und der plötzlich verschwand. Der sei eigentlich Musiker, berichtet sie, habe seinen Beruf jedoch wegen der vernichtenden Kritik in einer Zeitung aufgeben müssen. Georg ahnt, dass der Verriss von ihm war. Als er das Lokal verlässt, sieht er, wie der gescheiterte Musiker sein Auto zertrümmert und davonläuft. Ein Passant, der den Vorfall mit dem Handy aufgenommen hat, bietet Georg eine Zeugenaussage an, aber der lässt ihn und das Wrack einfach stehen.

Er kauft sich einen Revolver und lernt schießen. Doch als er zur Redaktion geht, um Waller zu töten, erfährt er von der Sekretärin (Maria Hofstätter), dass der Chef Urlaub auf einer Berghütte macht.


Wenn Sie noch nicht erfahren möchten, wie es weitergeht,
überspringen Sie bitte vorerst den Rest der Inhaltsangabe.


Spoiler

Georg leiht sich Erichs Auto und fährt zur angegebenen Adresse in den Bergen. Waller ist nicht allein auf der Hütte, sondern mit seinem Lebensgefährten Sebastian. Sie feiern ihre Versöhnung.

Georg zielt abwechselnd auf die beiden Männer, bringt es aber nicht fertig, einen Menschen zu erschießen. Stattdessen prügelt er sich mit Waller.

Frustriert fährt er weiter hinauf. Er schluckt Tabletten, steigt aus, nimmt eine Flasche Schnaps mit, stapft eine Weile durch den kniehohen Schnee, zieht sich bis auf die Unterhose aus und legt sich hin.

Aber bevor er erfroren ist, entdecken ihn zwei Bauern von einem Traktor aus. Georg rennt zum Auto und fährt nach Wien zurück.

Er ruft Johanna an, sagt, er sitze im strömenden Regen vor dem Haus im Auto und sie möge ihm etwas zum Anziehen bringen. Erst als er sich noch einmal meldet, geht Johanna auf die Bitte ein und geht mit ein paar Kleidungsstücken von ihm hinunter.

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Mit der teilweise grotesken Tragikomödie „Wilde Maus“ nimmt Josef Hader Teile der Wiener Gesellschaft aufs Korn. Im Mittelpunkt steht ein nach 25 Jahren überraschend entlassener Musikkritiker. Um dessen Lebensgefährtin, eine Psychotherapeutin, dreht sich ein zweiter Handlungsstrang. Und gegen Ende zu wechselt Josef Hader kurz zu zwei weiteren Protagonisten. Die Charaktere werden nicht besonders gründlich ausgeleuchtet. Wichtiger sind Josef Hader offenbar die Beziehungen bzw. Verwicklungen der Figuren, die nicht zuletzt in pointierten Dialogen deutlich werden. Da fließt dann viel Wiener Schmäh ein.

„Wilde Maus“ ist Josef Haders Regiedebüt. Außerdem schrieb er das Drehbuch und spielt die Hauptrolle, also den Musikkritiker Georg. Bei Pia Hierzegger, die dessen Lebensgefährtin Johanna verkörpert, handelt es sich auch im wirklichen Leben um Josef Haders Lebensgefährtin.

Der Titel bezieht sich auf eine der beiden hölzernen Hochschau- bzw. Achterbahnen auf dem Wiener Wurstelprater. Mit dem Begriff „Wilde Maus“ wird eine Achterbahn ohne Inversionen bezeichnet, deren enge Kurven keine Überhöhung aufweisen. Dadurch entsteht beim Fahren der Eindruck, dass der Wagen – der die Sicht aufs Gleis verdeckt – über die jeweilige Kurve hinausschießt.

Die Dreharbeiten für „Wilde Maus“ fanden von September bis November 2015 in Wien und Niederösterreich statt.

Die eingeblendete Prater-Musik stammt von Georg Gabler. Folgende Musikstücke aus der Klassik werden in „Wilde Maus“ angespielt:

  • Antonio Vivaldi: Sonata d-Moll, op. 1, Nr. 12, RV. 63 (Il Giardino Armonico)
  • Georg Friedrich Händel: Wassermusik, Suite Nr. 2 (Aradia Ensemble)
  • Franz Schubert: Streichquartett Nr. 14 d-moll (D 810), „Der Tod und das Mädchen“ (Quatuor Mosaïques)
  • Ludwig van Beethoven: Sinfonie Nr. 3 in Es-Dur op. 55, „Eroica“ (Deutsche Kammerphilharmonie Bremen)
  • Ludwig van Beethoven: Sinfonie Nr. 7 in A-Dur op. 92 (Deutsche Kammerphilharmonie Bremen)
  • Wolfgang Amadeus Mozart: Eine kleine Nachtmusik (Cappella Istropolitana)
  • Robert Schumann: Sinfonie Nr. 4 in d-Moll, op. 120 (Deutsche Kammerphilharmonie Bremen)
  • Igor Strawinsky: Der Feuervogel (Philharmonia Orchestra London)
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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2017

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