Wolfgang Hachtel : Der Fremde

Der Fremde
Der Fremde und andere Erzählungen Originalausgabe: © Wolfgang Hachtel BoD, Norderstedt 2009 ISBN: 978-3-8391-7367-1, 155 Seiten
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

8 Erzählungen:

Penelope – Fräulein Wagners Ende – Liebe in Zeiten des Kriegs – Der Fremde – Tod im Sandveld – Die Tochter des Apothekers Nagel – Der Absturz – Judith verheiratet in Amerika
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Kritik

Die unter dem Titel "Der Fremde" zusammengefassten Erzählungen könnten durchaus spannend und unterhaltsam sein, wenn Wolfgang Hachtel die Handlung nicht eher referieren als inszenieren würde.
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Penelope

Betty, die Tochter eines verwitweten Dorflehrers, verliebt sich mit fünfzehn in Paul, den Hilfslehrer ihres Vaters. Als Paul den Ort verlässt, um Kartografie zu studieren, verspricht sie, auf ihn zu warten. Im Anschluss an sein Studium geht er jedoch als Forscher nach Südwestafrika, und als er 1927 eingeladen wird, Sven Hedin auf einer Expedition in die Mongolei und die Wüste Gobi zu begleiten, sagt er sofort zu.

Karl, Pauls Nachfolger als Hilfslehrer, hat sich inzwischen in Betty verliebt, und ihr Vater drängt sie, ihn zu heiraten. Um Zeit zu gewinnen, verspricht Betty, in einem Jahr Karls Frau zu werden, falls sie bis dahin kein Lebenszeichen von Paul erhalten sollte. 1929 trifft die Nachricht ein, Paul sei krank gewesen und werde demnächst über Hongkong zurückkehren. Nach seiner Ankunft in Hamburg reist er erst noch nach Berlin, um dort Interviews zu geben, Vorträge zu halten, an Konferenzen teilzunehmen und einen Kurzbericht über die Expedition abzugeben. Dann steht er unvermittelt in der Tür.

Paul und Betty heiraten. Sie bekommen drei Kinder.

Als Betty erfährt, dass eine Expedition in die nordwestlichen Provinzen Chinas geplant ist, lässt sie sich von ihrem Ehemann zusichern, dass er nicht daran teilnehmen werde. Trotz seines Versprechens bereitet Paul heimlich alles vor und hinterlegt auch ein Testament, in dem er die Versorgung seiner Familie regelt. Unter dem Vorwand, in der Kreisstadt zu tun zu haben, bricht er auf. Nach zwei Wochen schickt er einen Brief aus Berlin, in dem er Betty mitteilt, dass er die Expeditionsleitung übernommen habe und nach China unterwegs sei.

Anfangs erhält Betty noch Briefe, in denen Paul über seine Expedition prahlt, sich jedoch so gut wie nie nach ihr und den Kindern erkundigt. Nach drei Jahren verbreitet sich das Gerücht, der eitle Asienforscher habe seine Männer im Stich gelassen und sei danach entweder verdurstet oder von Nomaden umgebracht worden.

Betty wartet jahrelang. Dann lässt sie Paul für tot erklären, um einen verwitweten Land- und Gastwirt heiraten zu können. Der stirbt einige Zeit nach ihrem Bruder und ihrem Vater.

Mit ihrem jüngsten Sohn und dessen Frau führt Betty den von ihrem zweiten Mann geerbten Hof weiter.

Der Fremde

Am 5. Juli 1946 schließen die Briten die Grenze zwischen der britischen und der sowjetischen Besatzungszone in Deutschland. Die weiterhin aus Osteuropa eintreffenden Flüchtlinge stauen sich daraufhin in der Ostzone.

Viele überqueren die abgeriegelte Sektorengrenze illegal. Unter ihnen befindet sich ein Mann namens Ulrich. Mit Schmuckstücken seiner vor langer Zeit verstorbenen Mutter bezahlt er den Schleuser Volker.

Zunächst findet er auf einem Hof in Westfalen Arbeit, im Frühjahr dann im Rheinland. Aber es zieht ihn zurück in den Harz. Dort stellt ihn der verwitwete Landwirt Arno Riedbauer als Hilfskraft ein. Arno hatte es im „Dritten Reich“ zum Kreisbauernführer gebracht und betätigt sich bereits wieder politisch.

Während er auswärts zu tun hat, setzt die Magd Lena ihre Kammer versehentlich mit einer Kerze in Brand. In der Aufregung achtet zunächst niemand auf Erika, die jüngste der drei Töchter des Abwesenden. Als sie vermisst wird, schlagen die Flammen bereits aus dem Fenster. Unter Einsatz seines eigenen Lebens rettet Ulrich das Kind.

Einige Zeit später taucht Volker unerwartet auf.

Ulrich ahnt, dass der Schleuser Nachforschungen über ihn anstellen wird und vertraut sich deshalb Irene an, Arnos ältester Tochter. Ohne es sich gegenseitig eingestanden zu haben, lieben sich die beiden.

Er sei im Osten des Harzes ohne Mutter aufgewachsen, erzählt Ulrich der Zwanzigjährigen. Sein Vater habe dort einen der größeren Höfe besessen und eine Reihe von Tagelöhnern beschäftigt. Einer von ihnen, er hieß Kotte, war bei der SA und sah eine Chance, Ulrichs Vater den Hof abzujagen, weil dieser seinekritische Einstellung gegenüber dem Nationalsozialismus nicht verhehlte. Immerhin erreichte Kotte, dass der Landwirt 1939 eingezogen und er mit der vorübergehenden Bewirtschaftung des begehrten Hofes betraut wurde. Der Vater kehrte allerdings bald verwundet und mit einer Auszeichnung wegen Tapferkeit von der Ostfront zurück, war nach seiner Genesung zwar nicht mehr kriegstauglich, konnte jedoch den Hof wieder selbst führen. Kurz vor Kriegsende starb er, und Ulrich beerbte ihn. Kotte, der sich unter den sowjetischen Besatzern als Kommunist gerierte, drängte darauf, den Besitzer im Rahmen der Bodenreform zu enteignen. Um sich dagegen zu wehren, schaltete Ulrich einen Rechtsanwalt ein. Als er mit dem Fahrrad hinfuhr, drängte Kotte ihn mit seinem Motorrad absichtlich von der Straße, hielt an und attackierte ihn. Ulrich zog sein Messer und verletzte seinen Gegner gleich mit dem ersten Stich tödlich am Hals. Nachdem er die Leiche und das Motorrad versteckt hatte, flüchtete er in den Westen.

Irene küsst ihn und versichert ihm, sie werde zu ihm halten.

Ihr Vater möchte, dass sie den um sie werbenden Bauernsohn Walter Pflüger heiratet, aber Irene will Ulrich oder keinen. Als sie Arno gesteht, wen sie liebt, nimmt er sich vor, die Beziehung der beiden zu beenden.

Kurz darauf bringt Volker ihm ein Fahndungsplakat aus der sowjetischen Besatzungszone. Kotte und Ulrich, die vor zwei Jahren am selben Tag verschwanden, werden von der Polizei gesucht. Volker hat auch von der langjährigen Feindschaft der beiden erfahren und vermutet, dass Ulrich sich von ihm über die Sektorengrenze schleusen ließ, nachdem er Kotte ermordet hatte.

Arno zeigt seiner Tochter das Plakat, erreicht damit jedoch nichts, weil sie bereits Bescheid weiß.

In seinem Zorn unterrichtet Arno die Polizei.

Doch bevor Ulrich verhaftet werden kann, taucht er unter.

Irene verlässt die Familie und geht ins Ausland. Ihre Schwester Gesine heiratet auf einem anderen Bauernhof ein. Erika übernimmt zusammen mit ihrem Ehemann den Hof des Vaters. Hin und wieder schreibt Irene ihren Schwestern aus Australien. Ob sie Ulrich jemals wiedersah, erfahren Gesine und Erika nicht.

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In seiner Freizeit schrieb der Biologieprofessor Wolfgang Hachtel (* 1940) acht Erzählungen, die er 2009 unter dem Titel „Der Fremde“ als Buch veröffentlichte:

  • Penelope
  • Fräulein Wagners Ende
  • Liebe in Zeiten des Kriegs
  • Der Fremde
  • Tod im Sandveld
  • Die Tochter des Apothekers Nagel
  • Der Absturz
  • Judith verheiratet in Amerika

 

Die Geschichten handeln von Menschen, die auf die eine oder andere Weise verschwinden. Sie könnten durchaus spannend und unterhaltsam sein, wenn Wolfgang Hachtel nicht so kurz, knapp und abstrakt erzählen würde, dass man beinahe glauben könnte, statt der fertig ausgearbeiteten Erzählung ein Exposé zu lesen. Die Handlung wird eher referiert als inszeniert. Dementsprechend fehlt es auch an Dialogen. In der Erzählung „Der Fremde“ gibt es zwar eine wörtliche Rede, aber es ist ein seitenlanger Monolog, der viel zu wenig in eine Szene eingebettet ist. Durch die Art der Darstellung bleiben auch die Charaktere schemenhaft. Außerdem ist die Sprache nicht ganz frei von Holprigkeiten und Grammatikfehlern.

 

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2010

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