Babel

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Babel

Babel – Originaltitel: Babel – Regie: Alejandro González Iñárritu – Drehbuch: Guillermo Arriaga – Kamera: Rodrigo Prieto – Schnitt: Stephen Mirrione, Douglas Cruse – Musik: Gustavo Santaolalla – Darsteller: Brad Pitt, Cate Blanchett, Said Tarchani, Boubker Ait El Caid, Gael Garcia Bernal, Adriana Barraza, Elle Fanning, Koji Yakusho, Rinko Kikuchi u.a. – 2006; 140 Minuten

Inhaltsangabe

Ein marokkanischer Ziegenhirt erwirbt ein Gewehr, das der Verkäufer von einem japanischen Jäger geschenkt bekam. Damit sollen seine beiden halbwüchsigen Söhne die Herde vor Schakalen schützen. Als die Jungen damit zum Spaß auf einen weit entfernten Touristenbus zielen, treffen sie versehentlich eine junge Amerikanerin. Sie droht zu verbluten. Verzweifelt versucht ihr Ehemann, Hilfe herbeizuholen ...
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Kritik

Alejandro González Iñárritu erzählt in "Babel" vier miteinander verzahnte Geschichten, die auf drei verschiedenen Kontinenten spielen. Wie der Titel vermuten lässt, geht es um Kommunikationsprobleme.
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Der marokkanische Ziegenhirt Abdullah (Mustapha Rachidi) kauft von dem Jagdführer Hassan (Abdelkader Bara) ein Gewehr, das dieser vor einigen Jahren von einem Japaner geschenkt bekam. Abdullahs Söhne Ahmed (Said Tarchani) und Yussef (Boubker Ait El Caid) sollen damit Schakale schießen, die sich der Herde nähern. Hassan behauptete, die Reichweite des Gewehrs betrage drei Kilometer. Aber das glauben die beiden Jungen nicht. Als sie sich langweilen, zielt Ahmed auf ein Auto auf der Passstraße, und Yussef schießt auf einen Reisebus. Sekunden später hält der Busfahrer (Omar El Mallouli) an. Offenbar schlug die Kugel in den Bus ein. Erschrocken laufen die beiden Jungen davon. Am Abend kommt der Vater verspätet nach Hause, weil die Passstraße gesperrt ist. Er hat gehört, eine amerikanische Touristin sei in einem Reisebus erschossen worden. Die Polizei hält es für möglich, dass es sich um einen Anschlag von Terroristen handelt.

Die Amerikanerin – sie heißt Susan Jones (Cate Blanchett) – ist zwar nicht tot, droht jedoch zu verbluten, denn das Geschoss traf sie in den Hals, während sie am Fenster lehnte und schlief. Susan und ihr Mann Richard (Brad Pitt) hatten ihre beiden Kinder Mike und Debbie (Nathan Gamble, Elle Fanning) in der Obhut ihrer mexikanischen Haushälterin Amelia (Adriana Barraza) in San Diego zurückgelassen und diese Reise in der Hoffnung angetreten, ihre kriselnde Ehe dadurch retten zu können. Aber es war ihnen bisher nicht gelungen, sich auszusprechen.

Weil die Fahrt zum nächsten Krankenhaus Stunden dauern würde, lotst der marokkanische Reiseleiter Anwar (Mohamed Akhzam) den Bus in sein Heimatdorf. Richard trägt die Schwerverletzte in Anwars Haus. Vom einzigen Telefon im Dorf ruft Richard seine Schwägerin Rachel in den USA an und bittet sie, die amerikanische Botschaft in Rabat zu alarmieren. Um die Blutung zu stoppen, bleibt dem einzigem Arzt, den es in der Gegend gibt – einem Veterinär (Hammou Aghrar) –, nichts anderes übrig, als Susans Wunde behelfsmäßig zuzunähen. Susan schreit vor Schmerzen, denn es gibt kein Betäubungsmittel. Erst als der Tierarzt fort ist, zündet Anwars Großmutter (Sfia Ait Benboullah) eine Haschisch-Pfeife an und lässt Susan ein paar Züge nehmen. Verzweifelt wartet Richard auf Hilfe von der Botschaft.

Die anderen Touristen beschweren sich über die Hitze, und nach einiger Zeit bestehen sie darauf, die Fahrt ohne das Ehepaar Jones fortzusetzen.

Der angeforderte Krankenwagen bleibt aus, weil die US-Botschaft einen Rettungshubschrauber schicken will. Der trifft jedoch auch nicht ein.

Die marokkanische Polizei durchkämmt auf der Suche nach dem Schützen das Gebiet. Sie verdächtigen zunächst Hassan, aber er erklärt, er habe sein Gewehr Abdullah verkauft. Als die Polizeioffiziere Ahmed und Yussef nach ihrem Vater fragen, geraten die Jugendlichen in Panik und gestehen Hassan, was sie getan haben. Er holt mit ihnen zusammen das Gewehr, das sie in einer Höhle versteckten. Auf ihrer Flucht werden sie jedoch von der Polizei entdeckt und gestellt. Ahmed wird von einem Schuss ins Bein getroffen. Yussef feuert auf die Polizisten und verletzt einen von ihnen. Kurz darauf stirbt Ahmed durch einen zweiten Schuss. Während Abdullah sich verzweifelt über seinen toten Sohn beugt, zertrümmert Yussef das Gewehr an einem Felsen und ergibt sich mit erhobenen Händen. Der Junge gesteht, die Amerikanerin erschossen zu haben.

Endlich trifft der von der US-Botschaft in Rabat angeforderte Rettungshubschrauber ein und bringt Susan in eine Klinik, wo sie sofort operiert wird. Vom Krankenhaus aus ruft Richard die Haushälterin an, die am nächsten Tag zur Hochzeit ihres Sohnes nach Mexiko reisen möchte. Eigentlich versprach Rachel, die Kinder zu übernehmen, aber aus irgendeinem Grund schafft sie es nicht nach San Diego, und Richard verlangt von Amelia rücksichtslos, sich weiter um Mike und Debbie zu kümmern. Seine Nerven liegen blank. Notfalls müsse ihr Sohn eben die Hochzeit verschieben, meint er, bevor er auflegt.

Amelia nimmt die Kinder kurzerhand mit, als ihr Neffe Santiago (Gael García Bernal) sie mit dem Auto abholt.

In der Nacht will Santiago seine Tante und die Kinder nach San Diego zurückbringen, obwohl er nicht mehr nüchtern ist. Den amerikanischen Grenzbeamten kommt es verdächtig vor, dass zwei Mexikaner mit zwei US-amerikanischen Kindern unterwegs sind. Deshalb überprüfen sie die Papiere und den Kofferraum besonders gründlich. Plötzlich gibt Santiago Gas und rast los. Streifenwagen verfolgen ihn. Als er genügend Vorsprung hat, setzt er Amelia, Mike und Debbie in der Wüste ab und fährt allein weiter. Sobald er die Polizei endgültig abgehängt hat, will er zurückkommen.

Amelia schläft mit den Kindern im Freien. Am Morgen ist Santiago noch immer nicht da. Daraufhin geht Amelia mit Mike an der Hand und Debbie auf dem Arm los und sucht den Highway. Als sie das Mädchen nicht mehr tragen kann, legt sie die Kinder in den Schatten eines Baumes und versucht es allein. Ein vorbeifahrender Streifenpolizist wird schließlich auf die um Hilfe rufende Mexikanerin aufmerksam. Rasch stellt er fest, dass es sich um die Beifahrerin des in der Nacht Geflüchteten handelt. Nachdem er sie in Handschellen gelegt hat, folgt er ihr zu der Stelle, an der sie die Kinder zurückließ, aber sie sind nicht mehr da.

Auf der Polizeiwache erfährt Amelia, dass Mike und Debbie gefunden wurden. Wie es ihnen geht? „Das geht Sie nichts an!“, antwortet der Polizeibeamte barsch. Vergeblich beteuert sie, seit sechzehn Jahren in San Diego zu leben und die Kinder von ihrer Geburt an betreut zu haben. Da sie sich illegal in den USA aufhielt, wird sie nach Mexiko abgeschoben.

Bei dem Japaner, der Hassan das Gewehr geschenkt hatte, handelt es sich um Yasujiro Wataya (Kôji Yakusho). Seit dem Tod seiner Frau lebt er mit seiner gehörlosen Tochter Chieko (Rinko Kikuchi) allein in einem Hochhaus in Tokio. Weil die Heranwachsende glaubt, er habe ihre Mutter in den Selbstmord getrieben, wehrt sie alle seine Versuche ab, ihr verständnisvoll zu begegnen. Dazu kommt, dass Chieko sich wegen ihrer Behinderung ausgegrenzt fühlt.

Um die Jungen zu provozieren, die vor ihr zurückschreckten, als sie merkten, dass sie weder hören noch sprechen kann, zieht sie ihr Höschen aus und zeigt ihnen ihr „haariges Monster“.

Vergeblich versucht sie, den Zahnarzt (Shigemitsu Ogi) zu küssen, bei dem sie an diesem Nachmittag einen Termin hat: Er wirft sie hinaus.

Die Kommissare Kenji Mamiya und Hamano (Satoshi Nikaido, Kazunori Tozawa) fragen Chieko nach ihrem Vater, der nicht zu Hause ist. Mamiya gibt ihr seine Geschäftskarte und bittet sie, ihrem Vater auszurichten, er möge ihn anrufen. Sie vermutet, dass die Polizei ihren Vater wegen des Suizids ihrer Mutter vernehmen will, aber die Beamten versichern ihr, nur ein paar Fragen zu haben.

Am Abend begegnen Chieko und ihre Freundin Mitsu (Yuko Murata) zwei Jungen – Haruki und Takeshi (Nobushige Suematsu, Shinji Suzuki) – die ihnen Whisky zu trinken geben und sie Party-Drogen schlucken lassen, bevor sie zusammen in eine Diskothek gehen. Als Chieko sieht, wie Mitsu von einem der Jungen geküsst wird, verlässt sie frustriert das Lokal und geht nach Hause. Obwohl es schon spät ist, fordert sie den Pförtner (Junichi Hayakawa) auf, Kommissar Kenji Mamiya anzurufen: Er soll zu ihr kommen, denn sie habe ihm etwas mitzuteilen.

Mamiya wundert sich darüber, dass ihm Chieko aufschreibt, ihr Vater habe geschlafen, während ihre Mutter sich vom Balkon stürzte. Deshalb ließ sie ihn mitten in der Nacht rufen? An der Wand fällt ihm ein Foto auf, das Yasujiro Wataya mit dem Jagdführer Hassan zeigt. Sie haben ein Gewehr bei sich. Er erklärt dem Mädchen, mit diesem Gewehr sei kürzlich in Marokko auf eine amerikanische Touristin geschossen worden. Die marokkanische Polizei wolle sicher sein, dass die Waffe nicht vom Schwarzmarkt stammt. Deshalb müsse er mit Chiekos Vater sprechen.

Plötzlich kommt Chieko splitternackt aus einem Nebenzimmer und wirft sich dem verblüfften Kommissar an den Hals. Als sie merkt, dass sie ihn nicht verführen kann, schluchzt sie. Mamiya legt ihr seinen Mantel um und nimmt sie in den Arm, bis sie sich etwas beruhigt hat. Dann geht er. In der Eingangshalle des Apartmenthauses begegnet er Yasujiro Wataya und redet kurz mit ihm. Dabei kommen sie auch auf den Tod von Watayas Frau zu sprechen, und dieser erklärt dem Kommissar, sie sei nicht vom Balkon gesprungen, sondern habe sich erschossen.

Als Wataya in seine Wohnung kommt, steht Chieko nackt auf dem Balkon und blickt in die Tiefe. Er nimmt sie in den Arm.

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Wie der Titel „Babel“ vermuten lässt, geht es in diesem ergreifenden Film des mexikanischen Regisseurs Alejandro González Iñárritu um Kommunikationsprobleme. An der Schwierigkeit, sich zu verständigen, ändern auch die weltumspannenden, rund um die Uhr verfügbaren Kommunikationsmittel nichts. Für Susan und Richard ist die schreckliche Situation, in die sie in Marokko geraten, aber auch eine Chance, ihre Ehekrise zu überwinden und wieder miteinander zu reden.

Alejandro González Iñárritu erzählt in „Babel“ auf auf ebenso virtuose wie spannende Weise vier miteinander verzahnte Geschichten; zwei davon spielen in Marokko und je eine in Amerika und in Japan.

Die Gleichzeitigkeit der Ereignisse, die symptomatisch ist für die moderne Wahrnehmung zwischen Fernsehbedienung, Telefon, E-Mails und SMS, gibt dem ehemaligen Filmkomponisten Iñárritu die Struktur, um sehr verschiedene Töne anzuschlagen, um zwischen den fernsten Ländern hin- und herzuzappen. (Anke Sterneborg, Süddeutsche Zeitung, 21. Dezember 2006)

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2007 / 2009

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