Im Zweifel

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Im Zweifel

Originaltitel: Im Zweifel – Regie: Aelrun Goette – Drehbuch: Dorothee Schön – Kamera: Leah Striker – Schnitt: Monika Schindler – Musik: Annette Focks – Darsteller: u.a. Claudia Michelsen, Henning Baum, Thomas Loibl, Thomas Thieme, Jordan Dwyer, Paula Knüpling, Valerie Koch, Andreas Schröders, Jörg Pose, Nina Vorbrodt, Hildegard Schroedter – 2016; 90 Minuten

Inhaltsangabe

Die Pastorin Judith Ehrmann wird für das Bischofsamt vorgeschlagen. Aufgrund ihres Engagements fühlen sich Ehemann und Sohn vernachlässigt. Nach einem schweren Verkehrsunfall sucht die Polizei einen flüchtigen Autofahrer. Weil die Be­schrei­bung auf Christoph Ehrmanns Wagen passt, und dieser verschrammt ist, zweifelt Judith an ihrem Mann. Die Krise zwingt sie, sich auch mit dem Zustand ihrer Familie, ihrem Selbstverständnis, ihrer Karriereplanung und dem Glauben auseinanderzusetzen ...
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Kritik

"Im Zweifel" ist ein vielschichtiges (Ehe-)Drama mit Thriller-Elementen. Die Inszenierung von Aelrun Goette konzentriert sich auf die von Claudia Michelsen eindrucksvoll und glaubwürdig verkörperte Hauptfigur.
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Die Pastorin Judith Ehrmann (Claudia Michelsen) wird in ihrer Kirchengemeinde in Brandenburg als ebenso liberale wie besonnene und glaubwürdige Vertreterin ihrer Konfession geschätzt. Ihren nachdenklichen Radioansprachen können selbst Atheisten etwas abgewinnen. Ihr Vorgesetzter Theo Schwarzberg (Thomas Thieme) drängt sie zur Kandidatur für das Amt der Landesbischöfin in Berlin, nicht zuletzt auch, um den engstirnigen Anwärter Härtling (Wilfried Hochholdinger) auszustechen.

Aufgrund ihres Engagements – sie arbeitet auch noch als Notfallseelsorgerin – fühlen sich ihr Ehemann und ihr Sohn vernachlässigt. Christoph Ehrmann (Henning Baum) gibt am Gymnasium Musikunterricht. Früher fuhr er Motorrad, aber die Maschine steht mittlerweile unter einer dick verstaubten Plane in einem Schuppen. In seiner Frustration bezeichnet er seine Frau einmal als „heilige Judith von Brandenburg“, wirft ihr Perfektionismus vor und klagt, alles sei für sie wichtiger als die Familie. Der 17-jährige Paul (Jordan Dwyer) hat mit dem Vater ein enges Verhältnis, aber er leidet darunter, dass an den Sohn der Pfarrerin strengere Maßstäbe als an andere Jugendliche gelegt werden. Als ihn ein süffisant lächelnder Polizist im Streifenwagen nach Hause bringt, weil er mit dem Fahrrad unterwegs war, obwohl er zwei Bier getrunken hatte, schreit er seine Mutter an: „Mein einziges Problem bist du.“

Christoph antwortet auf die Frage, was er von einem Umzug nach Berlin für den Fall ihrer Berufung als Landesbischöfin halte, mit der Unterstellung, dass sie bereits allein darüber entschieden habe.

Als Notfallseelsorgerin wird sie zu einem Unfallort gerufen. Ein Auto hat sich überschlagen. Der 18-jährige Gymnasiast Oliver Schütz (Julius Nitschkoff), der am Lenkrad saß, kommt mit einer schweren Kopfverletzung und gebrochenem Becken ins Krankenhaus. Die zwei Jahre jüngere Beifahrerin Lisa Müller stirbt noch am Unfallort. Herr Dadischeck (Hendrik Arnst), der Pächter einer nahen Tankstelle, sagt als Zeuge aus, dass der Unfallwagen von einem schwarzen Kombi touchiert worden sei, dessen Fahrer nicht angehalten habe.

Judith Ehrmann begleitet Hauptkommissar Markus Minow (Thomas Loibl) zu den Eltern (Valerie Koch, Andreas Schröders) des toten Mädchens, um ihnen die Nachricht zu überbringen. Leonie (Paula Knüpling), die ältere Tochter, macht sich Vorwürfe, weil sie während der Abwesenheit der Eltern Lisas Hausarrest überwachen sollte, aber stattdessen mit ihrem Freund unterwegs war und erst kurz vor den Eltern nach Hause kam.

Paul ist über den Tod seiner Mitschülerin Lisa bestürzt. Christoph kennt sowohl Lisa Müller als auch Oliver Schütz vom Musikunterricht.

Am anderen Morgen beobachtet Judith durchs Fenster, wie Christoph und Paul etwas am linken Kotflügel des schwarzen Autos ihres Mannes anschauen. Später bringt Christoph den Wagen in die Werkstatt, und als Judith sich nach dem Grund erkundigt, sagt er etwas von einem Reset des Bordcomputers. Aber sie findet eine Rechnung über Lackierarbeiten, die beweist, dass er gelogen hat. Saß Christoph in dem dunklen Kombi, den der Tankstellenpächter sah? Verursachte er den Unfall?

„Der Zweifel kann ein Ort der Begegnung sein, eine Chance, ein kluger Begleiter“, sagt Judith in einer ihrer Radioansprachen. Sie persönlich ist durch den Zweifel in eine Ehe- und Lebenskrise geraten. Plötzlich erscheint ihr alles fragwürdig. Judith muss sich mit dem Verdacht gegen ihren Mann, dem Zustand der Familie, ihrem Selbstverständnis, ihrer Karriereplanung und dem Glauben auseinandersetzen.

Der atheistische Kommissar Markus Minow spürt, wie aufgewühlt die Pfarrerin ist. Auf humorvolle Weise flirtet er mit ihr – bis sie sich mit ihm zum Essen in einem Restaurant verabredet und es danach zulässt, dass er sie auf der Straße gegen eine Hauswand drückt und küsst.


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Am nächsten Tag kommt Markus Minow zu den Ehrmanns, um sich bei Judith für den Kuss zu entschuldigen, aber vor allem auch dienstlich, denn Christoph Ehrmanns Auto steht auf der Liste von schwarzen Kombis, die polizeilich überprüft werden sollen, weil sie seit dem Unfall wegen Blechschäden in einer Werkstatt waren. Judith erklärt dem Kommissar, es sei nicht nötig, ihren am Flügel spielenden Mann zu stören, denn die Schramme am linken Kotflügel sei an einer Ecke im Parkhaus entstanden, und sie sei selbst dabei gewesen.

Christoph beendet sein Spiel von sich aus und kommt ins Zimmer. Bevor ihm Markus Minow eine Frage stellen kann, sagt Judith, sie habe dem Kommissar bereits erklärt, wie die Schramme am Auto entstanden sei.

Aufgrund der Lüge begreift Christoph, was seine Frau von ihm denkt: Sie glaubt, dass er im Stande sei, zwei schwerverletzte Schüler liegen zu lassen und Unfallflucht zu begehen! Das macht ihn fassungslos.

Nachdem der Kommissar gegangen ist, sagt er Judith die Wahrheit: Paul, der den Führerschein machen will, übte mit ihm auf einem Werksgelände das Fahren und streifte dabei einen Pfosten.

Nach der Trauerfeier für Lisa Müller erfährt Judith von Markus Minow, dass die Polizei den Fahrerflüchtigen gefasst hat.

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„Im Zweifel“ ist ein vielschichtiges (Ehe-)Drama mit Thriller-Elementen. Es handelt von Moral und religiösem Glauben, Lüge und Zweifel, Vertrauen und Verant­wortung, Perfektionismus und Selbst­überforderung. Dorothee Schön (Drehbuch) und Aelrun Goette (Regie) konzentrieren sich auf die von Claudia Michelsen verkörperte Hauptfigur, eine souverän wirkende Pastorin mit liberalen Ansichten, die durch einen Verdacht gegen ihren Mann aus der Bahn geworfen wird. Die Krise zwingt sie dazu, sich nicht nur mit dem Zweifel an ihrem Mann, sondern auch dem Zustand ihrer Familie, ihrem Selbstverständnis, ihrer Karriereplanung und ihrem Glauben auseinanderzusetzen. Das eröffnet ihr aber zugleich die Chance für bewusste Veränderungen.

Am Ende des Films „Im Zweifel“ sehen wir einen Split Screen, und wenn die Müllers die Nachricht vom Tod ihrer Tochter bzw. Schwester erhalten, setzt Aelrun Goette auf eine Kamerafahrt mit einer Horizontalmontage (Plansequenz). Abgesehen davon hält sich die Regisseurin stilistisch zurück. Die Schlichtheit der Erzählweise betont den Inhalt.

Getragen wird „Im Zweifel“ von der Hauptdarstellerin Claudia Michelsen, die in jeder Szene zu sehen ist. Ihr gelingt es, mit nuancierter Mimik und Gestik eine eindrucksvolle Frauenfigur lebendig zu machen, einen Charakter mit einer großen Bandbreite von Emotionen.

Die Film- und Theaterschauspielerin Claudia Michelsen (* 1969) wurde bereits ebenso wie Aelrun Goette und Dorothee Schön mit zwei „Grimme“-Preisen ausgezeichnet, und zwar für „Der Turm“ und „Grenzgang“. Die Regisseurin Aelrun Goette (* 1966) bekam „Grimme“-Preise für „Unter dem Eis“ und „Keine Angst“, Dorothee Schön (* 1961) für die Drehbücher der Filme „Frau Böhm sagt Nein“ und „Der letzte schöne Tag“.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2016

Aelrun Goette: Unter dem Eis

John le Carré - Federball
John le Carré kontrastiert die Skrupellosigkeit von Politikern und intriganten Geheimagenten mit der Naivität eines jungen Idealisten. Darf jemand formalen Landesverrat verüben, um eine zutiefst unmoralische politische Entwicklung zu verhindern? Um dieses Dilemma dreht sich der spröde und sachliche Spionageroman "Federball".
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