Arno Geiger : Irrlichterloh

Irrlichterloh
Irrlichterloh Originalausgabe: Carl Hanser Verlag, München / Wien 1999 ISBN: 3-446-19779-6, 198 Seiten
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Trotz seines Studiums fand Jonas Kreuzer nur Arbeit in einer Schilderfabrik. Zum Ausgleich betätigt er sich nachts als Sprayer. Als er eines frühen Morgens nach Hause kommt, ist seine Lebensgefährtin Ann-Kathrin nicht mehr da. Weil Jonas vermutet, dass sie mit seinem Chef Caspar Zelzer ans Meer fährt, stiehlt er einem fürs Hochzeitsfoto posierenden Paar das Motorrad mit Beiwagen. In den klettert schließlich eine junge Frau, die er beinahe überfahren hätte ...
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Kritik

In der temporeichen Farce "Irrlichterloh" spielt Arno Geiger lustvoll mit Klischees und wirft mit lockeren Sprüchen um sich. Das ist originell und unterhaltsam.
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Jonas Kreuzer studierte zwar, fand jedoch nur einen Job in der Schilderfabrik „Zelzer’s Nachfahren“. Dort entwirft er Hausnummern und Verbotstafeln. Zum Ausgleich läuft er nachts mit zwei Dosen Lack im Geigenkasten durch die Straßen und betätigt sich als Sprayer. Er besitzt die „Zuversicht desjenigen, der keine Pläne hat und nichts versäumen kann“ (Seite 10).

Seit drei Jahren lebt Jonas mit Ann-Kathrin zusammen. Die ist eines frühen Morgens, als Jonas vom Sprayen nach Hause kommt, nicht mehr da. Er sucht nach ihr, zum Beispiel bei ihrer Freundin Franziska, die in einem ausrangiertem Doppeldeckerbus haust und ihm die verwitwete Galeristin Ira Constantin vorstellt, die bei ihr übernachtet hat. Ihr Mann, der Eisenbahnmagnat Constantin Constantin, kam vor etwa fünf Jahren bei der Bruchlandung eines Sportflugzeugs ums Leben. – Ann-Kathrin sei wahrscheinlich mit dem Bild unterwegs, meint Franziska. Zunächst weiß Jonas nicht, welches Bild sie meint, aber dann fällt ihm ein, dass sie von dem Gemälde „Das rauchende Mädchen“ spricht. Das hing bei ihm und Ann-Kathrin an der Wand.

Als Jonas hört, dass Ann-Kathrin bei seinem Chef Caspar Zelzer sein soll, klingelt er bei ihm. Caspars Schwester Clarissa meldet sich über die Gegensprechanlage und versichert Jonas, Ann-Kathrin sei nicht da. Jonas glaubt ihr nicht. An einem nahen Aussichtspunkt deckt er kurz mit der Hand das Münzfernrohr ab, das von einem japanischen Touristen benutzt wird. Während dieser sich von seiner an der Brüstung stehenden Frau weitere Münzen holt, übernimmt Jonas das Fernrohr und findet seinen Verdacht bestätigt: Caspar, Clarissa und Ann-Kathrin frühstücken gemeinsam auf dem Balkon. Überrascht stellt er fest, dass seine Freundin sich eine kürzere Frisur machen ließ.

Bald darauf sieht Jonas, wie Caspar mit Ann-Kathrin im Cabrio wegfährt.

Auf dem Domplatz wird gerade für ein Hochzeitsfoto posiert: Die großgewachsene Braut springt dem Bräutigam mit gegrätschten Beinen in die Hüfte. Augenscheinlich beabsichtigt das Paar, mit einer Beiwagenmaschine in die Flitterwochen zu fahren. Jedenfalls steht ein Motorrad mit Gepäck im Beiwagen in der Nähe, und am Heck hängt eine Schnur mit leeren Konservendosen. Der Schlüssel steckt. Bevor die Hochzeitsgesellschaft merkt, was Jonas treibt, hat er die Maschine angelassen und braust damit los.

In manchen Momenten ist es einfach besser, etwas Falsches zu tun als gar nichts. (Seite 48)

Generalüberholt und vollgetankt, fährt die Maschine mit all der Liebe, die ihr der Besitzer in Vorbereitung auf die Flitterwochen entgegengebracht hat. (Seite 51)

Während Jonas eine Einbahnstraße in der Gegenrichtung durchfährt, schrammt der Beiwagen Funken sprühend an einer Hauswand entlang.

Ziel ist das Strandhaus seines Chefs, denn dort vermutet er Caspar und Ann-Kathrin.

Als er unterwegs durstig wird, trinkt er das Wasser aus einem Fressnapf, weil er kein Geld bei sich hat und sich nichts kaufen kann.

Beinahe hätte er eine Fußgängerin überfahren. Schleudernd kommt er zum Stehen. Die junge Frau klettert unaufgefordert in den Beiwagen und lässt sich auch nicht von seiner Drohung einschüchtern, er werde in den nächsten ungeteerten Feldweg einbiegen.

Sie heißt Noemi. Ihre Mutter, eine Hongkong-Chinesin, betreibt in einem deutschen Dorf das von ihrem Mann hinterlassene Lokal „Zur goldenen Ente“. Noemi hat zwei ältere Brüder, Karl und Vincent, die „in wechselnden Berufen“ tätig sind. Sie selbst hat seit drei Jahren eine Halbtagsstelle bei der Post, angeblich nur, weil sie mit der Tochter eines Gemeinderats verwechselt wurde. Jedenfalls ist sie dafür zuständig, in ihrem Heimatdorf morgens die Post auszutragen und an dem von 10 bis 11 Uhr geöffneten Schalter Briefmarken zu verkaufen.

Bevor Jonas zum Strandbad abbiegt, überredet er Noemi zum Aussteigen.

An der Kasse lügt er, er müsse nur rasch seiner Schwester etwas mitteilen und hinterlegt den Zündschlüssel als Pfand.

Statt Ann-Kathrin entdeckt er Caspar. Der kauft gerade Eis und geht damit zum Strandkorb 34. Jonas sucht die dazugehörige Strandkabine und tritt die Tür ein. Dann holt er sich an der Kasse seinen Schlüssel ab und behauptet, er habe bei der Strandkabine 34 einen Einbrecher beobachtet. Der Kassierer verständigt seinen Chef und rennt los. Jonas, der die Gelegenheit nutzt, um das Strandbad erneut zu betreten, erblickt Ann-Kathrin im Wasser und überlegt, ob er nach ihr rufen soll. Der Kassierer findet rasch heraus, wer die Strandkabine demoliert hat – und schlägt Jonas nieder.

Währenddessen trifft Ira Constantin ein und geht an der unbesetzten Kasse vorbei zum Strand, wo sie mit Caspar wegen des Bildes verabredet ist. Sie sieht, wie Jonas mit einer blutenden Kopfverletzung hinausgeschleift wird. Als Caspar ihr erklärt, das Bild sei aus der Strandkabine gestohlen worden, reist Ira wieder ab.

Mit ihrem Wagen überholt sie Jonas, der inzwischen zu Fuß unterwegs ist. Sie hält an, nimmt ihn mit, und er übernachtet in ihrer Villa. Ihre Tochter Ellen nennt sich zur Zeit Klara, gestern hieß sie noch Agnes. Jonas erkundigt sich bei der Bediensteten Patrizia:

– Wie viele Töchter hat Frau Constantin?
– Du liebes bisschen. Woher soll ich das wissen? Ich bin hier nur das Hausmädchen. (Seite 122)

Auf das versprochene Abendessen wartet Jonas vergeblich, aber am nächsten Morgen bringt ihm der Diener Nikolaj ein Frühstück. Ira berichtet ihm, dass das Bild aus der Strandkabine gestohlen worden sei und behauptet, es handele sich bei dem „Rauchenden Mädchen“ um die Fabrikantentochter Ina Regina Kannth, die Anfang der Dreißigerjahre viel von sich reden gemacht habe und 1957 bei einem Hotelbrand umgekommen sei.

Wenn Sie noch nicht erfahren möchten, wie es weitergeht,
überspringen Sie bitte vorerst den Rest der Inhaltsangabe.

Einige Zeit später taucht Noemi mit dem Bild bei Jonas auf. Sie war zu Fuß zum Strandbad gelaufen und hatte das Gemälde aus der Strandkabine geholt. Statt sich dafür zu bedanken, beschließt Jonas, es beim Pfandleiher zu versetzen. Noemi packt es ein. Sie kommen jedoch nicht weit. Während Jonas zuschaut, wie Noemi ausgelassen mit einem Kind in der Gischt eines kaputten Hydranten herumtollt, fordern zwei Fremde ihn auf, ihnen das Bild zu überlassen. Jonas packt einen der beiden an den Hoden, aber der andere schlägt mit der Faust nach ihm.

Die Ohrmuschel steht in Flammen. (Seite 170)

Noemi, die zunächst annahm, Jonas unterhalte sich mit zwei Bekannten, kommt angerannt und will wissen, was los ist. Picone habe sie geschickt, sagt einer der beiden Männer. Sie weigern sich, ihr das Bild zu geben.

Jonas hat auch keine Ahnung, wer Picone ist, und erst als die Kerle mit der Beute fort sind, klärt Noemi ihn darüber auf, dass sie statt des Bildes ein von ihm abgehängtes gerahmtes Werbeplakat eingepackt und „Das rauchende Mädchen“ ins Bad gestellt habe.

Sie will nicht glauben, dass es sich bei dem Bild um eine Fälschung handelt.

– Ich hab’s gemalt!, schreit er […]. Ich, persönlich! Jonas Kreuzer! […]
– Na und? Das war einmal. Jetzt ist es echt, verdammt. Alles andere ist Pedanterie. (Seite 174f)

Im Bad ist das Bild jedoch auch nicht mehr. Es wurde gestohlen.

Jonas und Noemi vermuten, dass es sich inzwischen bei der Galeristin befindet. In der Villa treffen sie nicht nur Ira und deren Tochter an, sondern auch Ann-Kathrin und Caspar. Das Bild lehnt am Schreibtisch. Aus seinem Geigenkasten holt Jonas zwei Spraydosen und bearbeitet damit „Das rauchende Mädchen“, ohne dass ihn jemand daran hindert.

Danach steigen Jonas und Noemi am Busbahnhof in einen Bus. Bevor der Fahrer den Motor anlässt, steigt Jonas noch einmal aus und lässt den Geigenkasten, für den er nun keine Verwendung mehr hat, im Stehimbiss zurück.

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Die Farce „Irrlichterloh“ von Arno Geiger handelt von einem ziellosen jungen Mann, der sich verloren vorkommt und noch nicht richtig erwachsen geworden ist. Die Geschichte dreht sich um ihn und ein Bild, hinter dem alle außer ihm her sind. Arno Geiger erzählt temporeich im Präsens aus wechselnden Perspektiven, zumeist in der dritten Person Singular, hin und wieder aber auch in der ersten. Die Handlung von „Irrlichterloh“ ist absurd und großenteils Nonsens; Arno Geiger spielt lustvoll mit Klischees und wirft mit lockeren Sprüchen um sich. Das ist originell und unterhaltsam.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2010
Textauszüge: © Carl Hanser Verlag

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