David Garnett : Dame zu Fuchs

Dame zu Fuchs
Originalausgabe: Lady into Fox, 1922 Meine Frau die Füchsin Übersetzung: Hans Reisiger, Maria von Schweinitz Rowohlt Verlag, Reinbek 1952 Dame zu Fuchs Neuübersetzung: Maria Hummitzsch Dörlemann Verlag, Zürich 2016 ISBN: 978-3-03820-026-0, 159 Seiten ISBN: 978-3-03820-926-3 (eBook)
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Eine junge Frau verwandelt sich unvermittelt in eine Füchsin, verliert zunehmend ihre Manieren und verwildert. Ihr Ehemann versucht sie zunächst einzuhegen, nicht nur, weil er sie nicht verlieren möchte, sondern auch zum Schutz vor den Gefahren, denen ein Fuchs in der Natur ausgesetzt ist. Aber ihr Freiheitsdrang ist zu groß: er muss sie laufen lassen ...
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Kritik

"Dame zu Fuchs" ist eine tragikomische, surreale Geschichte über Emanzipation und Freiheitsliebe sowie den Gegensatz von Natur und Kultur bzw. Zivilisation. David Garnett erzählt sie wie ein sachlicher Berichterstatter.
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Richard Tebrick heiratet 1879 die 23-jährige Waise Silvia Fox und zieht sich mit ihr auf seinen Landsitz Tangley Hall in Rylands bei Stokoe in Oxfordshire zurück. Silvia wurde nach dem frühen Tod ihrer Mutter von einer strengen Gouvernante erzogen, die vor einem Jahr starb. Der Vater war vor seinem Ableben lange bettlägerig und nicht mehr bei Verstand. Außer der Gouvernante hatte Silvia nur noch einen Onkel – Reverend Canon – als Bezugsperson.

Während eines Waldspaziergangs Anfang 1880 hört das Ehepaar die Hörner von Jägern und das Bellen ihrer Hunde. Richard Tebrick möchte einen Blick auf die Jagdgesellschaft erhaschen und eilt deshalb zum Waldrand. Aber Silvia empfindet bei dem Lärm nur Furcht und Ekel, seit sie als zehnjähriges Kind zu einer Parforcejagd mitgenommen wurde. Als ihr Mann sich umdreht, hat sie sich in einen Fuchs verwandelt.

Erst nach Einbruch der Dunkelheit wagt Richard Tebrick es, die Fähe nach Hause zu tragen. Er bringt sie ins Schlafzimmer. Gegenüber dem Personal behauptet er, seine Frau sei am Nachmittag wegen schlechter Nachrichten nach London gereist. Er werde ihr am nächsten Morgen folgen und das Haus vorübergehend schließen. Er entlässt die Köchin, Mrs Brant, das Zimmermädchen Janet und Mrs Cork, Silvias früheres Kindermädchen, und zahlt ihnen als Abfindung je einen Monatslohn aus. Weil die beiden Hofhunde den Fuchs riechen und deshalb nicht zu kläffen aufhören, erschießt Tebrick sie kurzerhand im Mondlicht.

Am nächsten Morgen wäscht und bürstet er Silvia. Dann parfümiert er sie, um den strengen Fuchsgeruch zu überdecken. Sie frühstücken gemeinsam, und er füttert sie mit einem weich gekochten Ei und einer Scheibe Schinken. Weintrauben für sie lässt er aus London kommen. Damit Silvia nicht nackt herumlaufen muss, zieht er ihr ein Jäckchen an. Und er liest ihr aus dem Briefroman „Clarissa“ von Samuel Richardson vor, bis er bemerkt, dass sie nicht zuhört, sondern die Taube im Käfig anstarrt.

Daraufhin lässt er die Taube frei und zerreißt das einzige Foto seiner Frau. Er liebt Silvia so wie sie jetzt aussieht.

Als er sich erstmals mit der Fähe ins Freie wagt, freut sie sich ungemein, und es macht ihr Spaß, dass die Enten vor ihr in die Mitte des Teichs fliehen.

Silvia schläft zunächst neben ihrem Mann im Bett, dann rollt sie sich am Fußende zusammen, und schließlich zieht sie es vor, auf dem Boden zu schlafen. Ihre früher so gepflegten Tischmanieren lassen nach, und sie zerfetzt das Jäckchen.

Tebrick stellt sie auf die Probe: Er pflückt einen Strauß Schneeglöckchen und besorgt ein lebendes Kaninchen. Beides präsentiert er ihr im Garten. Ihre Freude über die Blumen ist groß, aber als er ins Haus geht, um eine Vase zu holen, erfüllen sich seine schlimmsten Befürchtungen: Der Fuchs zerfleischt das Kaninchen.

Mrs Cork kommt besorgt zurück. An dem Abend, als Richard Tebrick die Fähe ins Haus brachte, entdeckte sie das Tier im Schlafzimmer und erkannte sogleich Silvia, deren Amme sie bereits gewesen war. Aber sie wagte nichts zu sagen, weil sie nicht wie die Hunde erschossen werden wollte. Als sie Silvia nackt herumlaufen sieht, schimpft sie, das sei eine Schande und kündigt an, sich um sie zu kümmern. Aber die Fähe zerfetzt alles, was sie ihr anzuziehen versucht.

Gerüchten zufolge brannte Mrs Tebrick mit einem anderen Mann durch. Wegen des Getuschels beschließt Tebrick, Tangley Hall zu verlassen. Mrs Corks verwitweter Sohn Simon, ein Schweinehirt, bewohnt mit seiner kleinen Tochter Polly ein Häuschen in der Nähe von Stokoe. Bei ihm kommen seine Mutter und das Ehepaar Tebrick unter. Polly freut sich über die Spielgefährtin, und Richard Tebrick gefällt darüber hinaus, dass zu dem Häuschen ein kleiner, von einer Mauer umschlossener Garten gehört, in dem der Fuchs gefahrlos herumtollen kann.

Aber es dauert nicht lang, bis er Silvia an der Lunte aus einem Loch zerren muss: Sie versuchte, sich unter der Mauer hindurch zu graben. Ein paar Tage später entdeckt er sie auf dem Ast einer Birke. Augenscheinlich will sie versuchen, von dort über die Mauer zu springen. Aber die Entfernung ist zu groß; sie stürzt innerhalb des Gartens ab und bleibt mit verdrehtem Kopf liegen. Weil Tebrick annimmt, dass sie sich das Genick gebrochen hat, will er sich die Kehle durchschneiden. Aber bevor er dazu kommt, merkt er, dass sie ihren Tod nur vorgetäuscht hat.

Es ging ihm nicht darum, sie einzusperren, sondern sie gegen Gefahren – beispielsweise Hunde und Jäger – zu schützen. Als er nun sieht, wie heftig sie nach Freiheit drängt, lässt er sie schweren Herzens laufen und kehrt allein nach Tangley Hall zurück. Dort verwahrlost er zunehmend, beginnt zu trinken und entwickelt sich zum Menschenfeind.


Wenn Sie noch nicht erfahren möchten, wie es weitergeht,
überspringen Sie bitte vorerst den Rest der Inhaltsangabe.


Nach einiger Zeit hört er einen Fuchs und geht hinaus. Es ist Silvia. Sie führt ihn zu einem Fuchsbau und zeigt ihm stolz ihren Wurf. Silvia hat ihn also betrogen! Aber als er darüber nachdenkt, wird ihm klar, dass er sie nicht länger wie eine Frau beurteilen darf. Sie ist jetzt eine Fähe und paart sich mit einem Fuchsrüden. Nachdem Tebrick seine Eifersucht überwunden hat, freut er sich über die Welpen, spielt mit ihnen und tauft sie auf die Namen Sorel, Kasper, Selwyn, Esther und Angelica. Als sie älter werden, begleitet er sie bei der Jagd und treibt ihnen Kaninchen zu. Er klettert auf Bäume und nimmt für die Füchse Vogelnester aus.

Eines Tages hört er wieder den Lärm einer Jagdgesellschaft. Besorgt geht er hinaus und öffnet das Tor. Da kommt Silvia auch schon auf ihn zugerannt, dicht gefolgt von der Hundemeute und den Reitern. Sie springt in seine Arme. Bevor die Jäger zur Stelle sind, fallen die Hunde über Tebrick und die Fähe her. Die Männer hören den verzweifelten Schrei einer Frau. Ein Reiter setzt mit dem Pferd über die Mauer und vertreibt die Hunde. Mr Tebrick blutet aus zwanzig Verletzungen und hält den toten Fuchs in den Armen.

Einige Zeit bangt man um sein Leben, aber er erholt sich, sammelt neue Kraft, kommt wieder zu Verstand und erreicht ein hohes Alter.

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Eine junge Frau verwandelt sich in eine Füchsin, verliert zunehmend ihre Manieren und verwildert. Ihr Ehemann versucht sie zunächst einzuhegen, nicht nur, weil er sie nicht verlieren möchte, sondern auch zum Schutz vor den Gefahren, denen ein Fuchs in der Natur ausgesetzt ist. Aber ihr Freiheitsdrang ist zu groß: er kann sie nicht halten.

Wie Franz Kafka in „Die Verwandlung“ erzählt David Garnett in „Dame zu Fuchs“ von der märchenhaften, surrealen Metamorphose eines Menschen zum Tier. Aber die beiden Werke sind grundverschieden. Während Franz Kafka die Perspektive des Protagonisten Gregor Samsa einnimmt, schildert David Garnett alles konsequent so, wie Richard Tebrick es erlebt. Darüber hinaus tritt er selbst als angeblicher Berichterstatter auf und gibt sich dabei ebenso sachlich wie lakonisch.

Und hätte ich auch nur einen Bruchteil von dem geglaubt, was mir erzählt wurde, wäre ich nie bis zum Grund der Geschichte vorgedrungen, die hier erzählt wird, so viel davon war nachweislich falsch, absurd und absolut unvereinbar mit den ermittelten Fakten. Aus diesem Grund finden Sie hier nur die schlichte Fassung der Geschichte vor; üppige Ausschmückungen, die einige sicher recht unterhaltsam gefunden hätten, habe ich allesamt ausgespart, denn von etwas zu lesen, an dessen Wahrheit auch nur der leiseste Zweifel besteht, halte ich für eine billige Form der Unterhaltung.

Alles, was annähernd in Richtung einer Erklärung ginge, sind reine Mutmaßungen, die ich eher anführe, weil ich nichts verheimlichen will, als weil ich sie für tauglich hielte.

Der Autor warnt davor, etwas vom Hörensagen zu glauben und behauptet, es seien beispielsweise Gerüchte im Umlauf, David Garnett sei am Biss einer zuvor von ihm gequälten Katze gestorben.

„Dame zu Fuchs“ ist eine tragikomische, merkwürdige Geschichte über Emanzipation und Freiheitsliebe sowie den Gegensatz von Natur und Kultur bzw. Zivilisation.

Füchse spielen übrigens in der japanischen Kultur eine große Rolle (Kitsune-Mythen).

„Lady into Fox“ erschien 1922. Erst dreißig Jahre später war eine deutsche Übersetzung verfügbar („Meine Frau die Füchsin und Der Mann im Zoo“, Übersetzung: Hans Reisiger und Maria von Schweinitz, Rowohlt Verlag, Reinbek 1952). Unter dem Titel „Dame zu Fuchs“ legte der Dörlemann Verlag 2016 eine Neuübersetzung von Maria Hummitzsch vor.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2017
Textauszüge: © Dörlemann Verlag

David Garnett (kurze Biografie, Bibliografie)

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