Kroko

Kroko

Kroko

Originaltitel: Kroko - Regie: Sylke Enders - Drehbuch: Sylke Enders - Kamera: Matthias Schellenberg und Katrin Vorderwühlbecke - Schnitt: Frank Brummundt - Musik: Robert Philipp und Marc Riedinger - Darsteller: Franziska Jünger, Alexander Lange, Hinnerk Schönemann, Danilo Bauer, Harald Schrott, Anja Beatrice Kaul, Kimberley Krump, Sabrina Braemer, Heidi Bruck, Jonny Chambilla, Inga Dietrich, Marlene Warnstedt, Doro Kaminski u.a. - 2003; 90 Minuten

Inhaltsangabe

"Kroko" ist das Porträt einer Heranwachsenden, die nichts von Liebe und Mitmenschlichkeit weiß, aber gelernt hat, sich durch arrogantes Auftreten Respekt zu verschaffen. Bei der durch eine Jugendstrafe erzwungenen Begegnung mit geistig Behinderten funktionieren diese Mechanismen jedoch nicht. Allmählich scheint Kroko die Ambivalenz zwischen ihrer Macht und Ohnmacht zu begreifen ...
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Kritik

"Kroko" ist ein besonders gelungenes Jugenddrama mit überzeugenden Drehbuch-Einfällen, einer unsentimentalen Inszenierung und einer eindrucksvollen Besetzung.
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Die sechzehnjährige Julia Fiedler (Franziska Jünger), die sich lieber Kroko nennt, lebt im Berliner Arbeiterstadtteil Wedding. Mit ihrem eisigen, desinteressierten, hochnäsigen Verhalten, dem hüftlangen blonden Haar, der Sonnenbank-Bräune und ihrem pastellfarbigen Fummel hat sie sich bei Marlene (Marlene Warnstedt) und den anderen Mitgliedern ihrer Clique Respekt verschafft. Statt eine Ausbildung zu machen oder zu arbeiten, stehlen die Jugendlichen in Kaufhäusern, was sie selbst gern hätten oder zu Geld machen können.

Eddie (Hinnerk Schönemann) ist Krokos Freund. Als er sie eines Abends in der Disko „Palace“ versetzt, spricht sie kurzerhand zwei Fremde an, die zu ihrem Auto gehen. Max Reinhold – so heißt der Fahrer – ist bereit, Kroko, Pim (Doro Kaminski) und Marlene nach Wedding zu fahren. Als er nach dem Tanken von der Kasse zurückkommt, sitzt Kroko am Steuer, obwohl sie noch gar keinen Führerschein hat. Max kann gerade noch die hintere Tür aufreißen und in den Fond springen, bevor sie Gas gibt. Als Kroko vor einer Verkehrsampel hält und von zwei jungen Männern aus dem Auto daneben angemacht wird, fordert sie die beiden zu einem Wettrennen heraus. Max hat Angst um sein Auto, protestiert aber vergeblich. Plötzlich liegt ein von Kroko übersehener Radfahrer verletzt auf dem Kühler.

Dafür wird die Jugendliche zu sechzig Stunden Sozialarbeit in einer betreuten Wohngemeinschaft von geistig Behinderten verurteilt. Die Bewohner – darunter Thomas (Alexander Lange), Monika (Sabrina Braemer), Sabrina (Heidi Bruck) und Peer (Jonny Chambilla) – werden von Micha (Harald Schrott) und Annegret (Inga Dietrich) betreut. Beim ersten Mal kommt Kroko zu spät, und statt das Geschirr zu spülen, steht sie nur lustlos herum, bis die Stunde um ist. „Was wollnse hier?“, fragt Sabrina und erhält die Antwort: „Nischt“.

Auch zu Hause macht Kroko keinen Finger krumm; sie denkt nicht daran, sich ihrer allein erziehenden Mutter Sabine (Anja Beatrice Kaul) unterzuordnen, und mit ihrer kleinen Halbschwester Cora (Kimberley Krump) geht sie nicht sehr liebevoll um. Gleichgültig blättert sie in einer Illustrierten, während ihre Mutter und Eddie sich abmühen, dem Unfallopfer einen Entschuldigungsbrief zu schreiben. Wärme und Zärtlichkeit kennt Kroko nicht: Ihre Namenswahl ist kein Zufall. Lachen sieht man sie auch kein einziges Mal.

Die Verhaltensweisen, die Kroko in ihrer Clique Anerkennung verschafften, werden von den Behinderten gar nicht beachtet. Nachdem Kroko bereits einige Stunden Sozialarbeit abgeleistet hat, unternehmen Micha und Annegret mit den Behinderten einen Ausflug im Kleinbus. Kroko lässt sich von Thomas überreden, mitzukommen. Abends besucht sie ihn in seinem Zimmer und bringt ihm eine Piccolo-Flasche Sekt mit, obwohl er keinen Alkohol trinken darf und wegen seiner Lähmungen einen Strohhalm benötigt. Er wird recht aufgekratzt: Kroko soll ihn in seinen Rollstuhl heben, damit sie das Quartier noch einmal verlassen können. Übermütig schiebt Kroko ihn zu einer Skater-Rampe, aber vor Schreck erleidet Thomas einen epileptischen Anfall. Da bleibt auch Kroko nicht länger cool, sondern sie alarmiert aufgeregt einen Krankenwagen und weckt Micha, um ihm zu beichten, was geschehen ist. Während Micha sich um Thomas kümmert, stellt Kroko sich mit ihrer Reisetasche an den Straßenrand und flüchtet per Anhalter zu Eddie.

Aufgrund des Vorfalls wird Kroko von Annegret hinausgeworfen. Bevor sie geht, erkundigt sie sich, wie es Thomas geht und schaut bei ihm vorbei, um sich zu verabschieden. Thomas meint, sie müsse einen ausgeben, aber Kroko hat eine bessere Idee: Sie verabredet sich mit ihm auf dem Rummelplatz.

Als die Mutter etwas zu erledigen hat und Kroko bittet, während ihrer Abwesenheit auf Cora aufzupassen, geht Kroko mit dem Kind ins Kaufhaus und versteckt die Puppen und Spielsachen, die Cora gefallen, in deren Puppenwagen. Dann lotst sie ihre Halbschwester mit dem Diebesgut an der Kasse vorbei.

In ihrer Clique taucht Kroko kaum noch auf, und die Beziehung mit Eddie ist nicht gerade konfliktfrei. Kroko beschwert sich im Bett darüber, dass er nicht darauf achtet, ob sie auch Lust empfindet, und als sie ihn mit einem anderen Mädchen sieht, droht sie ihm aus Eifersucht mit einer Anzeige wegen verschiedener Delikte bei der Polizei. Daraufhin schlägt er sie.

Mit einem blauen Auge geht Kroko zur vereinbarten Zeit zum Rummelplatz. Tatsächlich kommen auch Thomas, die anderen Behinderten sowie die Betreuer. Eddie taucht mit seiner neuen Freundin auf, macht sich über die „Behindis“ lustig und bedroht Thomas aus Eifersucht, bis Micha ihn vertreibt.

Als Cora ihrer Mutter erzählt, auf welche Weise sie in den Besitz der neuen Puppen und Spielsachen gekommen ist, wirft Sabine ihre ältere Tochter aus der Wohnung. Kroko weiß nicht, was sie tun soll und sucht Zuflucht bei Micha, der sie für die Nacht aufnimmt.

Zur Aufführung eines Theaterstücks durch die Behinderten lässt Kroko sich von dem dicken Rolle (Danilo Bauer) aus ihrer früheren Clique mit dem Moped hinbringen.

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In ihrem Debüt-Kinofilm „Kroko“ porträtiert Sylke Enders (*1965) eine Heranwachsende, die nichts von Liebe und Mitmenschlichkeit weiß, aber gelernt hat, sich durch arrogantes Auftreten Respekt zu verschaffen. Bei der durch eine Jugendstrafe erzwungenen Begegnung mit geistig Behinderten funktionieren diese Mechanismen jedoch nicht. Allmählich scheint Kroko die Ambivalenz zwischen ihrer Macht und Ohnmacht zu begreifen und sich der Öde ihres bisherigen Lebens bewusst zu werden.

Diese Entwicklung wird von Sylke Enders nur angedeutet; sie lässt alles in der Schwebe. Aber es gibt Hoffnung für Kroko.

„Kroko“ ist ein besonders gelungenes, authentisch wirkendes Jugenddrama mit überzeugenden Drehbuch-Einfällen, einer unsentimentalen Inszenierung und einer eindrucksvollen Besetzung. Für die Hauptdarstellerin Franziska Jünger, eine Arzthelferin, war es die erste Filmrolle. Die Behinderten Alexander Lange, Sabrina Braemer, Heidi Bruck und Jonny Chambilla gehörten zum Ensemble des Thikwa Theaters in Berlin.

Für „Kroko“ erhielt Sylke Enders einen Deutschen Filmpreis („Lola“) in Silber.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2005

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