Emmanuel Bove


Emmanuel Bove (bürgerlich: Emmanuel Bobovnikoff) wurde am 20. April 1898 in Paris geboren. Bei seinem Vater Emmanuel Bobovnikoff handelte es sich um einen vor der zaristischen Polizei nach Frankreich geflohenen Anarchisten. Die Mutter Rosalie Henriette Michels stammte aus Luxemburg und war Dienstmädchen.

Emmanuel Bove besuchte ein Gymnasium in Genf und studierte an einem englischen College, wurde Soldat der französischen Besatzungsarmee in Österreich, heiratete die Lehrerin Suzanne Vallois, zeugte mit ihr zwei Kinder und schlug sich mit Gelegenheitsjobs durch. 1923 kehrte er nach Frankreich zurück.

Nachdem Emmanuel Bove bereits unter dem Pseudonym Jean Vallois einige wenig anspruchsvolle Bücher veröffentlicht hatte, um Geld zu verdienen, druckte eine kleine Pariser Zeitschrift 1924 seine Weihnachtsnovelle „Nuit de Noël“. Dadurch wurde Sidonie-Gabrielle Colette auf Emmanuel Bove aufmerksam und lud ihn ein, für eine von ihr herausgegebene Buchreihe einen Roman einzureichen. Er versuchte es mit „Mes Amis“ / „Meine Freunde“, einem bereits 1921 in Tulln bei Wien verfassten Manuskript. Das Buch erwies sich als Erfolg, und Emmanuel Bove wurde dafür 1926 mit dem Prix Figuière ausgezeichnet.

Von 1926 bis 1936 schrieb er neben Belletristik auch als Reporter für verschiedene Zeitungen und Zeitschriften.

1930 wurde seine erste Ehe geschieden, und Emmanuel Bove heiratete die Künstlerin Louise Ottensooser.

Im März 1940 musste er erneut zum Militär, aber wegen seiner Schwächlichkeit wurde er nach vier Monaten entlassen. Um einer erneuten Einberufung zu entgehen, zog sich Emmanuel Bove mit seiner Frau in die Zone libre zurück. Später setzten sie sich nach Algier ab. Dort schrieb er seine letzten drei Romane: „Le Piège“ / „Die Falle“, „Non-lieu“ / „Verfahrenseinstellung“ und „Depart dans la nuit“ / „Abfahrt in der Nacht“.

Im Oktober 1944 kehrte Emmanuel Bove todkrank nach Paris zurück. Dort starb er am 13. Juli 1945 im Alter von 47 Jahren. Bestattet wurde er auf dem Friedhof Montparnasse, in der Gruft der Familie Ottensooser.

Zu Lebzeiten wurde der Schriftsteller Emmanuel Bove nicht nur von Colette, sondern auch von Rainer Maria Rilke und Samuel Beckett geschätzt, aber nach seinem Tod vergaßen ihn selbst die Franzosen, bis sie ihn in den Siebzigerjahren wiederentdeckten. In Deutschland machte sich Peter Handke ab 1981 durch Übersetzungen seiner Werke verdient. Inzwischen gilt Emmanuel Bove als ein Klassiker der Moderne.

Emmanuel Bove: Bibliografie (Auswahl)

  • Mes amis (1924; Meine Freunde, Übersetzung: Peter Handke, 1981)
  • Armand (1925; Armand, Übersetzung: Peter Handke, 1982)
  • Bécon-les-Bruyères (1927; Bécon-les-Bruyères. Eine Vorstadt, Übersetzung: Peter Handke, 1984)
  • La coalition (1927; Neuausgabe: La histoire d’un suicide, 1934; Die Verbündeten, Übersetzung: Thomas Laux, 1999)
  • Une fugue (1928; Flucht, Übersetzung: Martin Hennig, 1978)
  • La coalition (1928; Neuausgabe: Aftalion, Alexandre, 1986; Aftalion, Alexandre, Übersetzung: Ursula Dörrenbächer, 1989)
  • La mort de Dinah (1928; Dinah, Übersetzung: Michaela Ott, 1992)
  • Cœurs et visages (1928; Menschen und Masken, Übersetzung: Uli Aumüller, 1991)
  • Un père et sa fille (1928; Ein Vater und seine Tochter, Übersetzung: Gabriela Zehnder, 2000)
  • L’amour de Pierre Neuhart (1928; Die Liebe des Pierre Neuhart, Übersetzung: Thomas Laux, 1991)
  • Henri Duchemin et ses ombres (1928; Geschichte eines Wahnsinnigen, Übersetzung: Martin Zingg, 2016)
  • Begegnung und andere Erzählungen (Übersetzung: Thomas Laux, 2012)
  • Monsieur Thorpe (1930; Monsieur Thorpe, Übersetzung: Thomas Laux, 1993)
  • Journal écrit en hiver (1931; Journal – geschrieben im Winter, Übersetzung: Gabriela Zehnder, 1998)
  • Un célibataire (1932; Ein Junggeselle, Übersetzung: Georges Hausemer, 1990)
  • Un Raskolnikoff (1932; Schuld, Übersetzung: Thomas Laux, 2010)
  • Un suicide (1933; Neuausgabe: La dernière nuit, 1939; Die letzte Nacht, Übersetzung: Thomas Laux, 1988)
  • Le meurtre de Suzy Pommier (1933; Der Mord an Suzy Pommier, Übersetzung: Barbara Heber-Schärer, 1993)
  • Le beau-fils (1934; Der Stiefsohn, Übersetzung: Gabriela Zehnder, 2002)
  • Le pressentiment (1935; Die Ahnung, Übersetzung: Thomas Laux, 1996)
  • Le piège (1945; Die Falle, Übersetzung: Bernd Schwibs, 1996)
  • Départ dans la nuit (1945; Flucht in der Nacht, Übersetzung: Thomas Laux, 1997)
  • Non-lieu (1946; Einstellung des Verfahrens, Übersetzung: Thomas Laux, 1997)
  • Un homme qui savait (1985; Ein Mann, der wusste, Übersetzung: Gabriela Zehnder, 2000)
  • Mémoires d’un homme singulier (1987; Ein Außenseiter, Übersetzung: Dirk Hemjeoltmanns, 1995)
  • Un caractère de femme (1999; Colette Salmand, Übersetzung: Barbara Heber-Schärer, 2001)

2016 brachte die Edition diá 21 dieser Titel als eBooks heraus, darunter „Henri Duchemin et ses ombres“ / „Geschichte eines Wahnsinnigen“ erstmals in deutscher Sprache. Damit sind alle bisher ins Deutsche übertragenen Romane und Erzählungen von Emmanuel Bove als eBooks verfügbar, vier davon beim Suhrkamp Verlag. Die Ausgabe der Edition diá wird durch die Biografie „Emmanuel Bove“ von Raymond Cousse und Jean-Luc Bitton ergänzt.

© Dieter Wunderlich 2016

Emmanuel Bove: Menschen und Masken

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