Martha Marcy May Marlene

Martha Marcy May Marlene

Martha Marcy May Marlene

Martha Marcy May Marlene – Originaltitel: Martha Marcy May Marlene – Regie: Sean Durkin – Drehbuch: Sean Durkin – Kamera: Jody Lee Lipes – Schnitt: Zac Stuart-Pontier – Musik: Daniel Bensi, Saunder Jurriaans – Darsteller: Elizabeth Olsen, Sarah Paulson, John Hawkes, Hugh Dancy, Brady Corbet, Christopher Abbott, Louisa Krause, Sheryl Lee, Julia Garner, Maria Dizzia, Diana Masi, Allen McCullough u.a. – 2011; 100 Minuten

Inhaltsangabe

Martha flieht nach zwei Jahren aus einer Sekte. Zuflucht findet sie bei ihrer älteren Schwester Lucy und deren Ehemann, die allerdings nichts von ihrer Sekten­zugehörigkeit wissen. Darüber schweigt Martha auch weiterhin, aber sie wird von Erinnerungen daran wie von Albträumen heimgesucht und kommt nicht von der Identität los, die ihr in der Sekte aufoktroyiert wurde. Die Angst, die Sekte könne versuchen, sie gewaltsam zurückzuholen oder zu ermorden, steigert sich zum Verfolgungswahn ...
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Kritik

Sean Durkin veranschaulicht die psychischen Verstörungen einer Frau, die zwei Jahre lang einer Sekte angehörte. "Martha Marcy May Marlene" ist eine beklemmende psychologische Studie mit Elizabeth Olsen als überzeugender Hauptdarstellerin.
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Auf einer Farm scheint eine Gruppe junger Menschen wie Hippies zu leben. Sie bauen ihr eigenes Gemüse an und wollen autark werden. Beim Abendessen sitzen zunächst nur die Männer am großen Tisch. Erst als sie gesättigt sind, machen sie Platz für die Frauen, die nebenan gewartet haben und nun essen dürfen, was übrig ist.

Im Morgengrauen flieht eine junge Frau aus dem Farmhaus in den nahen Wald. Ein Mann verfolgt sie, aber sie versteckt sich im Gebüsch. Schließlich sitzt sie in einem Diner und isst etwas. Da wird sie mit dem Namen Marcy May angesprochen; der Mann, der sie verfolgte – er heißt Watts (Brady Corbet) – setzt sich zu ihr. Patrick mache sich Sorgen, sagt er und fordert sie auf, mit ihm zurückzukehren. Als sie nicht darauf eingeht, lässt er sie sitzen und geht.

Die junge Frau wählt an einem öffentlichen Fernsprecher außerhalb des Diners eine Nummer, aber als abgehoben wird, ist sie kaum in der Lage zu sprechen. „Martha“, bist du es, fragt die Angerufene. Ohne noch mehr als ein paar Worte gesagt zu haben, stammelt Martha oder Marcy May, sie müsse jetzt aufhören, aber die Frau am anderen Ende der Leitung drängt sie immer wieder, den Hörer nicht einzuhängen und ihr zu sagen, wo sie sich befindet. Kurz darauf wird Martha abgeholt. Die Frau, die sie anrief, heißt Lucy (Sarah Paulson) und ist ihre ältere Schwester. Zwei Jahre lang hörte sie nichts von Martha. Die behauptet jetzt, bei einem Freund in den Catskill Mountains gewesen zu sein und ihr Handy verloren zu haben.

Lucy nimmt sie mit in das luxuriöse Sommerhaus an einem See in Connecticut, das sie und ihr Ehemann Ted (Hugh Dancy) gemietet haben. Sie sind erst seit einigen Monaten verheiratet und wohnen eigentlich in der Stadt. Ted arbeitet in der Baubranche und hat nur zwei Wochen Urlaub, den sie hier am See verbringen.

Wie weit der Ort entfernt sei, an dem Lucy sie abgeholt habe, lautet eine der ersten Fragen Marthas nach der Ankunft. Ansonsten redet sie wenig, und über die zwei Jahre in der Sekte sagt sie überhaupt nichts, obwohl Lucy immer wieder fragt, was sie seit ihrem Verschwinden getan habe.

Erinnerungen drängen sich Martha auf, etwa die Szene, als sie heimlich mit Zoe (Louisa Krause) raucht und der Sektenführer Patrick (John Hawkes) sie zur Rede stellt. Oder wie sie von Patrick a tergo vergewaltigt wird und Zoe ihr danach erklärt, alle Mädchen hätten dies erlebt, es handele sich um ein Reinigungsritual und ihre Schmerzen seien ein Zeichen für die Wirksamkeit.

„Kann es sein, dass es keine Unterscheidung gibt zwischen Erinnerung und Traum?“, fragt Martha einmal ihre Schwester.

Die von Patrick gezeugten Kinder wurden von allen Frauen in der Sekte gemeinsam aufgezogen.

So wie Martha von Zoe eingeführt worden war, übernahm sie später die Patenschaft für Sarah (Julia Garner), auch als es um das angebliche Reinigungsritual ging.

Martha geht schwimmen. Unbekümmert zieht sie sich am Seeufer aus und springt ins Wasser. Entsetzt ruft Lucy sie zurück und hüllt sie in ein großes Handtuch. Hier dürfe man wegen der Kinder nicht nackt baden, erklärt sie, denkt dabei aber wohl eher an Ted.

Lucy und Ted wollen ein Kind haben. Als Martha das hört, lacht sie zum ersten Mal: Sie kann sich ihre Schwester nicht als Mutter vorstellen.

In der Sekte gab es kein Privateigentum, und am Abend schlief jeder in einem Saal, wo und mit wem er wollte. Kopuliert wurde vor allen anderen. Als Martha nicht schlafen kann, geht sie ins Schlafzimmer von Lucy und Ted, und obwohl die beiden gerade ein Kind zu zeugen versuchen, legt sie sich wie selbstverständlich in den freien Teil des Doppelbetts. Erschrocken fahren Lucy und Ted auseinander. Ted ist wütend, aber Lucy versucht ihrer Schwester zu erklären, dass man andere Leute nicht beim Sex stört.

Lucy macht sich Vorwürfe, weil sie die Familie früh verlassen hatte und sich danach nicht mehr um ihre jüngere Schwester kümmerte, sie nicht dazu anhielt, ein College zu besuchen. Aber Martha kann mit diesen Schuldgefühlen nichts anfangen; sie brauche Lucys Hilfe nicht und habe sie auch früher nicht gebraucht, behauptet sie.

Als Ted sie nach ihren Plänen fragt, versteht sie die Frage zunächst nicht, aber dann meint sie, ihr gehe es nicht um Karriere, Erfolg und materiellen Besitz, und deshalb plane sie ihre Zukunft auch nicht. Die unverhohlene Kritik an seinem Lebensstil bringt Ted in Rage.

Eines Nachts schleicht Martha sich ins Wohnzimmer und ruft heimlich bei der Sekte an. Sie fragt nach Zoe, aber das Mädchen, das abgehoben hat, behauptet, Marlene zu heißen. Das ist der Deckname, den alle weiblichen Mitglieder der Sekte nennen, wenn sie mit der Außenwelt in Verbindung treten. Martha legt wieder auf.

In einer ihrer Erinnerungen sieht sie sich zusammen mit Patrick und anderen Sektenmitgliedern in einem Haus einbrechen. Als der Eigentümer (Allen McCullough) sie stellt, ersticht Zoe ihn von hinten. Der Mord belastet Marcy May. Nachdem sie mit Zoe darüber gesprochen hat, schließt sie sich im Bad ein und weint. Watts, der das Gespräch belauscht hat, unterrichtet Patrick, und der bringt Zoe dazu, auf Marcy May einzureden, bis diese die Tür öffnet. Zornig stürzt Patrick sich auf Marcy May, aber dann beruhigt er sich, meint, er habe sie wohl überfordert und versichert ihr, dass sie seine Favoritin sei.

Bei einer Gartenparty glaubt Martha in einem der männlichen Gäste ein Sektenmitglied zu erkennen. Panisch vor Angst flieht sie ins Haus und lässt sich von Ted und Lucy nur schwer beruhigen. Offenbar befürchtet sie, dass die Sekte sie aufspüren und gewaltsam zurückholen oder töten könnte.

Ted und Lucy kommen zu der Überzeugung, dass Martha psychiatrische Hilfe benötigt.

In der letzten Urlaubsnacht schreckt Martha aus einem Traum hoch, und als sie im Treppenhaus auf Ted trifft, hält sie ihn für einen Mann aus der Sekte. Sie tritt ihn deshalb, und er stürzt über die Treppe hinunter. Zum Glück verletzt er sich nicht ernsthaft. Lucy, die aus dem Schlafzimmer herbeigeeilt ist, verspricht ihrer Schwester professionelle Hilfe. Martha fleht sie an, bei ihr bleiben zu dürfen, aber als Lucy von ihrem Wunsch spricht, eine Familie zu gründen, verhöhnt Martha sie und schreit, sie werde eine miserable Mutter.

Am nächsten Morgen versöhnen sich die beiden Schwestern. Sie habe bereits mit einem Psychiater einen Termin für Martha vereinbart, sagt Lucy.

Bevor Ted und Lucy mit Martha ein paar Stunden später in die Stadtwohnung fahren, schwimmt Martha noch im See. Am anderen Ufer glaubt sie einen Mann aus der Sekte zu sehen. Kurz nachdem sie mit dem Auto losgefahren sind, kann Ted dem Mann, der plötzlich auf die Straße läuft, gerade noch ausweichen. Martha beobachtet, wie der Andere zu einem geparkten Wagen läuft und ihnen folgt.

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In dem Sekten- bzw. Paranoia-Thriller „Martha Marcy May Marlene“ veranschaulicht Sean Durkin die psychischen Veränderungen einer Frau, die zwei Jahre lang einer Sekte angehörte. Auch als sie sich davon getrennt hat und ihre ältere Schwester Lucy sich um sie kümmert, kommt Martha nicht von der Identität los, die ihr in der Sekte aufoktroyiert wurde. Erinnerungen suchen sie wie Albträume heim. Und die Angst, die Sekte könne versuchen, sie gewaltsam zurückzuholen oder zu ermorden, steigert sich zum Verfolgungswahn.

Man kann „Martha Marcy May Marlene“ als beklemmende psychologische Studie sehen. Sean Durkin lässt uns zunächst im Unklaren über die Landkommune. Erst aus den zumeist sehr kurzen Flashbacks erfahren wir mehr. Bedeutung und Zusammenhänge werden erst allmählich klar. In dieser Erzählstruktur spiegelt sich auch die existenzielle Verstörung Marthas.

Sean Durkin (* 1981) gewann mit seinem Debütfilm „Martha Marcy May Marlene“ beim Sundance Film Festival den Dramatic Directing Award.

In der Hauptrolle überzeugt Elizabeth Olsen (* 1989) mit einer facettenreichen Darstellung. Bei ihr handelt es sich um die jüngere Schwester der Zwillinge Mary-Kate und Ashley Olsen. Mit Martha in „Martha Marcy May Marlene“ und Sarah in „Silent House“ spielte sie 2011 ihre ersten beiden Hauptrollen.

„Marcy’s Song“, den der Sektenführer Patrick anstimmt, stammt von Jackson C. Frank (1943 – 1999).

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2013

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