Manfred Gregor : Die Brücke

Die Brücke
Die Brücke Erstausgabe: Verlag Kurt Desch, München / Wien / Basel 1958 Taschenbuch: Goldmann Verlag, München 1961 Neuere Ausgabe: DVA, Frankfurt/M 2005
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Ende April 1945 werden sieben sechzehnjährige Gymnasiasten dazu abkommandiert, eine Brücke in ihrer Heimatstadt bis zur bevorstehenden Sprengung zu sichern. Aufgrund der vaterländischen Parolen, die sie fortwährend gehört hatten, begreifen sie nicht, dass sie damit nur vor einem Fronteinsatz bewahrt werden sollten. Stattdessen kämpfen sie blindwütig gegen die anrückenden amerikanischen Panzer und fallen alle bis auf einen.
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Kritik

In seinem unter dem Pseudonym "Manfred Gregor" veröffentlichten Antikriegsroman verarbeitete Gregor Dorfmeister eigene Erlebnisse in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs. "Die Brücke" veranschaulicht den Wahnsinn und die Sinnlosigkeit des Krieges.
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1955 führt ein Zufall Albert Mutz wieder in die Stadt, in der er die letzten Tages des Zweiten Weltkriegs verbrachte, und er erinnert sich an die Ereignisse.

Im April 1945 brachte der NSDAP-Ortsgruppenleiter sich und seine Frau vor den nur noch dreißig Kilometer entfernten Amerikanern in Sicherheit, aber sein Sohn, ein sechzehnjährige Gymnasiast, wurde noch mit sechs Klassenkameraden zur Wehrmacht einberufen. Nachdem Hans Scholten, Albert Mutz, Walter Forst, Jürgen Borchart, Karl Horber, Klaus Hager und Siegi Bernhard zwei Wochen gedrillt worden waren, sollten sie in der Nacht mit ihrem Bataillon in den längst aussichtslosen Krieg ziehen, aber der Studienrat Stern überzeugte die Offiziere, dass die sieben unausgebildeten Rekruten an der Front eher eine Belastung darstellen würden. Deshalb wurde Unteroffizier Heilmann dazu abkommandiert, mit den Jungen eine militärisch unwichtige Brücke in der Stadt bis zur bevorstehenden Sprengung zu sichern.

[…] ließ Leutnant Fröhlich die Lastautos auf der Brücke der kleinen Stadt halten. Unteroffizier Heilmann stieg ab und brüllte: „Na, wo bleibt denn dieser müde Verein?“
Verdrossen sprangen die sieben von der Rampe des Wagens auf die Straße. Leutnant Fröhlich: „Die Brücke ist ein strategisch wichtiger Punkt! Ihr haltet die Brücke besetzt. Unteroffizier Heilmann hat das Kommando!“ Dann leise zu Heilmann: „Sowie der Zauber hier losgeht, haut ihr ab! Verstanden?“ (Seite 18)

Als Heilmann in der Stadt nachsehen wollte, ob es schon an der Zeit war, sich mit seinen Schutzbefohlenen abzusetzen, hielt ihn eine Doppelstreife der Feldgendarmerie für einen Deserteur, und als er davonrannte, wurde er erschossen. Die Jungen, die sich aufgrund der vaterländischen Parolen, mit denen sie aufgewachsen waren, im Krieg beweisen wollten, blieben ratlos zurück. Ein General, der in einem Kübelwagen über die Brücke kam, befahl einem der Insassen – Unteroffizier Schlopke – das Kommando über die sieben Jugendlichen zu übernehmen, aber Schlopke verdrückte sich bei der ersten Gelegenheit. Einen Zivilisten, der den Jugendlichen riet, nach Hause zu gehen, jagte Hans Scholten davon.

Am nächsten Morgen wurden die Gymnasiasten von zwei amerikanischen Tieffliegern angegriffen. Danach stand Siegi Bernhard nicht mehr auf: Er war tot.

Nach dem Tod des Unteroffiziers und ihres Kameraden kämpften die sechs noch lebenden Jungen um so blindwütiger gegen die anrückenden amerikanischen Panzer.

Dem General wurde gemeldet, dass die Amerikaner sich von der Brücke wieder zurückgezogen hatten, nachdem zwei ihrer Panzer von den Jugendlichen abgeschossen worden waren.

Donnerwetter, dachte der General, Teufelskerle sind das.
[…] Es war genauso gekommen, wie er sich das errechnet hatte. Die Amerikaner hatten einen starken Spähtrupp zur Brücke geschickt, hatten Feuer erhalten und sich befehlsgemäß wieder zurückgezogen. Der General wusste genau, wie das weitergehen würde. Jabos, Artillerie, Spähtrupp und dann wieder Jabos, Artillerie und Spähtrupp, so lange, bis dieser Spähtrupp melden konnte: Die Brücke ist nicht mehr besetzt! (Seite 115)

Aber der General beschloss, die Initiative zu ergreifen und befahl Leutnant Hampel, die Brücke zu sprengen. Die Jugendlichen sollte der Offizier nach Hause schicken. Der General wusste nicht, dass nur noch drei von ihnen lebten: Walter Forst, Hans Scholten und Albert Mutz.

Beim Abmarsch blieb Walter Forst noch kurz zurück, um die Panzerfäuste mitzunehmen. Da wurde er von einem Artilleriegeschoss zerfetzt.

Als Hans Scholten begriff, dass die Brücke, bei deren Verteidigung fünf seiner Kameraden gefallen waren, gesprengt werden sollte, geriet er darüber mit Leutnant Hampel in Streit – und als der Offizier zu seiner Pistole griff, wurde er von Albert Mutz erschossen. Die beiden Jungen scheuchten die fünf Soldaten fort, die mit der Vorbereitung der Sprengung beschäftigt waren, aber die Männer gingen nur bis zu ihrem Lastwagen, packten dort ihre Karabiner und griffen an. Tödlich getroffen sackte Hans Scholten am Brückengeländer zusammen, gerade, als auch ein amerikanischer Panzer wieder auf die Brücke zurollte.

Da verließ Albert Mutz die Brücke und ging zu seiner Mutter nach Hause.

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Gregor Dorfmeister veröffentlichte seinen Roman „Die Brücke“ 1958 unter dem Pseudonym „Manfred Gregor“. Das Buch wurde 1959 von Bernhard Wicki verfilmt: „Die Brücke“. In die chronologisch erzählten Ereignisse der letzten Kriegstage schiebt der Autor immer wieder Rückblenden ein, in denen die Beteiligten charakterisiert werden. Auch wenn „Die Brücke“ kein literarisches Meisterwerk ist, halte ich es für lesenswert, denn der Antikriegsroman veranschaulicht den Wahnsinn und die Sinnlosigkeit des Krieges und zeigt, was geschehen kann, wenn jugendlicher Idealismus missbraucht wird.

Dem Buch liegen eigene Erlebnisse des Autors zugrunde. Gregor Dorfmeister wurde am 7. März 1929 in Tailfingen (Württemberg) geboren, wuchs aber in Bad Tölz auf. Im April 1945 wurde er zusammen mit anderen Sechzehnjährigen zum „Volkssturm“ eingezogen und in der SS-Junkerschule in Bad Tölz kurze Zeit gedrillt. Während ihres Einsatzes wurden die Jugendlichen wiederholt von amerikanischen Tieffliegern angegriffen. Nur Gregor Dorfmeister und zwei seiner Kameraden lebten noch, als sie auf der Isarbrücke von Bad Tölz von Feldgendarmen angehalten wurden, die sie aufforderten, die Brücke gegen die anrückenden Amerikaner zu sichern. Sobald die Gendarmen sie allein ließen, beschloss Gregor Dorfmeister, nach Hause zu gehen, denn der Krieg war so oder so verloren. Die beiden anderen hielten ihn für feig und blieben bei der Brücke. In der Nacht auf den 2. Mai besetzten die Amerikaner Bad Tölz. Am Morgen ging Gregor Dorfmeister noch einmal hinunter zur Brücke. Ein US-Soldat lehnte am Brückengeländer. Gregor Dorfmeisters Kameraden lagen tot am Boden, und eine ältere Frau spuckte die Leichen im Vorbeigehen an.

 

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2005
Textauszüge: © Verlag Kurt Desch
Die Seitenangaben beziehen sich auf die o. e. Taschenbuchausgabe.

Bernhard Wicki: Die Brücke

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