Borat

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Originaltitel: Borat. Cultural Learnings of America for Make Benefit Glorious Nation of Kazakhstan – Regie: Larry Charles – Drehbuch: Sacha Baron Cohen, Anthony Hines, Peter Baynham, Dan Mazer, Todd Phillips – Kamera: Luke Geissbuhler, Anthony Hardwick – Schnitt: Craig Alpert, Peter Teschner, James Thomas – Musik: Erran Baron Cohen – Darsteller: Sacha Baron Cohen, Ken Davitian, Luenell, Pamela Anderson u.a. – 2006; 85 Minuten

Inhaltsangabe

Der Fernsehreporter Borat Sagdiyev und der Produzent Azamat Bagatov werden von der Regierung in Kasachstan beauftragt, einen Dokumentarfilm über die Gebräuche in den USA zu drehen. Nach der Ankunft im Hotel "Wellington" in New York bringt ein Angestellter Borat zum Lift. In der Kabine beginnt der Kasache, seinen Koffer auszupacken, denn er hält den Fahrstuhl für sein Zimmer. Weitere Missverständnisse folgen ...
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Kritik

"Borat" ist eine Mischung aus Satire und Klamauk. Tabus missachtend, entlarvt Sacha Baron Cohen die Vorurteile seiner amerikanischen Gesprächspartner. Neben diesen Mockumentary-Szenen stehen gespielte Nonsense-Episoden.
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Der kasachische Fernsehreporter Borat Sagdiyev (Sacha Baron Cohen) wird von seiner Regierung beauftragt, einen Dokumentarfilm über die Sitten und Gebräuche in den „U, S und A“ zu drehen. Kasachstan will nämlich von den Amerikanern lernen.

Zu Beginn zeigt Borat uns das Leben in seinem Heimatdorf Kuzcek. Dazu gehört eine alljährliche Judenhatz. Auch Tolkay, den Dorf-Vergewaltiger, lernen wir kennen. Bevor Borat das Dorf verlässt, verabschiedet er sich von seinen Angehörigen: Er küsst eine schmierige Blondine leidenschaftlich auf den Mund und stellt sie uns dann als seine Schwester und viertbeste Prostituierte von Kasachstan vor. Das Alter seiner Mutter, die wie eine Neunzigjährige aussieht, gibt er mit 43 an. Und bei seiner Ehefrau Oxna handelt es sich um eine grobe, korpulente und aggressive Bäuerin. Das ganze Dorf läuft zusammen, als er mit seinem schäbigen Koffer in ein schrottreifes Taxi steigt.

Azamat Bagatov (Ken Davitian), der beleibte Produzent des Films, begleitet ihn nach New York. Während der U-Bahn-Fahrt vom Flughafen nach Manhattan begrüßt Borat die anderen Fahrgäste nach Landessitte: Er versucht, sie zu küssen. Dann klappt ihm versehentlich der Koffer auf, und ein lebendes Huhn flattert durch den Wagen. Er hat auch Zigeunertränen gegen AIDS dabei.

Im Hotel „Wellington“ bringt ihn ein Angestellter zum Lift. In der Kabine beginnt Borat, seinen Koffer auszupacken, denn er hält den Fahrstuhl für sein Zimmer. Nachdem man ihn über das Missverständnis aufgeklärt hat, ist er begeistert vom ungewohnten Komfort seines richtigen Zimmers und wäscht sich erst einmal das Gesicht im WC. Das Fernsehprogramm findet er jedoch enttäuschend: Als Azamat nach ihm schaut, beschwert er sich darüber, dass seit zwanzig Minuten nur ein Gruß des Hotels angezeigt wird. Der Produzent erklärt ihm daraufhin die Fernbedienung und zeigt ihm, dass man damit durch hundert Programme zappen kann. Auf einem der Kanäle läuft „Baywatch“ – und Borat verliebt sich in Pamela Anderson. Seine Frau hat ihm jedoch angedroht, seinen Schwanz abzuschlagen, wenn er sie betrügt. Er muss sich also beherrschen und sich vorerst mit einem Zeitschriftenfoto von Pamela Anderson begnügen, das er wie eine Ikone in ein Tuch einschlägt.

Als ihm ein Hotelangestellter ein Telegramm bringt, lässt er ihn den Text vorlesen: Es heißt, dass seine Ehefrau von einem Bären geschändet und getötet wurde. Da jubelt Borat, denn nun steht einer Heirat mit Pamela Anderson nichts mehr im Weg! Er muss nur noch nach Kalifornien.

Weil Azamat eine Wiederholung der Anschläge vom 11. September 2001 befürchtet, will er nicht fliegen. Also kauft Borat ein Auto. Er möchte eines mit einem „Muschi-Magneten“, aber der Verkäufer klärt ihn darüber auf, dass es so etwas nicht gibt: Das Auto selbst ziehe die Frauen an. Der Händler führt ihn zu einem Van, und Borat erkundigt sich, ob ein Schaden an dem Fahrzeug zu erwarten sei, wenn er damit in eine Gruppe Zigeuner rase. Statt des 50 000 Dollar teuren Autos kauft Borat dann doch lieber für 600 Dollar einen ausrangierten Eisverkäufer-Wagen.

Sein erstes Interview führt Borat noch in New York mit einem amerikanischen Humortrainer – den er zur Verzweiflung bringt. Einem Gesprächskreis von Feministinnen erklärt er, ein von seiner Regierung beauftragter Wissenschaftler habe herausgefunden, dass das Gehirn von Frauen nur so groß sei wie das von Eichhörnchen.

In Washington, D. C., wird Borat von dem Politiker Robert Laurence („Bob“) Barr (* 1948), empfangen. Er hat einen Teller mit Käse dabei und erklärt dem Amerikaner, in Kasachstan sei es Sitte, erst einmal gemeinsam ein Stück Käse zu essen. Während Barr kaut, eröffnet ihm Borat, der Käse sei von der Milch aus den Brüsten seiner Frau gemacht worden.

Bei einer Gay Parade hat endlich einmal niemand etwas dagegen, wenn Borat die Leute zur Begrüßung küsst. Am nächsten Tag redet er darüber mit dem peinlich berührten afroamerikanischen Politiker Alan Lee Keyes (* 1950), und als dieser ihn darüber aufklärt, dass die Männer schwul seien, fragt er mit gespieltem Entsetzen: „Meinen Sie wirklich, dass der Mann, der mir eine Gummifaust in meinen Anus stecken wollte, ein Homosexueller ist?“

Während eines Rodeos im Civic Center in Salem, Virginia, gelingt es Borat, mit einem Stars-and-Stripes-T-Shirt ans Stadion-Mikrofon zu kommen und sich als Reporter aus Kasachstan vorzustellen. „Lassen Sie mich sagen, dass wir euren Krieg von Terror unterstützen.“ Obwohl er durch das Radebrechen die Amerikaner zu Terroristen erklärt hat, applaudiert die Menge. Tosender Beifall auch, als er fortfährt: „Ich hoffe, ihr tötet jeden Mann, jede Frau und jedes Kind im Irak, bis zur letzten Eidechse!“ Erst als er seinen Wunsch artikuliert, Präsident George W. Bush möge das Blut jedes Iraker und jeder Irakerin trinken, ist das Publikum irritiert, und als er dann auch noch „The Star-Spangled Banner“ mit einem falschen Text singt, wird er ausgebuht: Eine Verunglimpfung ihrer Nationalhymne akzeptieren die Amerikaner nicht.

Von einem jüdischen Paar, das Bed and Breakfast anbietet, werden Borat und Azamat freundlich aufgenommen und bewirtet. Die Kasachen befürchten jedoch, von den Juden umgebracht zu werden und weisen die angebotenen Speisen zurück, weil sie vergiftet sein könnten. Als sie zwei Kakerlaken entdecken, halten Borat und Azamat sie für das verwandelte jüdische Ehepaar und bewerfen sie mit Geldscheinen. Dann fliehen sie durchs Fenster.

Am nächsten Tag erkundigte Borat sich in einem Waffenladen nach einer Pistole, die am besten dafür geeignet ist, Juden zu erschießen. Und weil der Waffenhändler einem Ausländer nichts verkauft, besorgt Borat sich zum Schutz gegen Juden in einer Tierhandlung einen Braunbären. Der verdreckt allerdings das Auto.

Bevor Borat sich von einer vornehmen weißen Südstaatler-Familie zu einer Dinnerparty einladen lässt, nimmt er Unterricht bei einer Benimm-Trainerin. Während des Abendessens fragt er einen der Herren nach dessen beruflicher Tätigkeit, und als dieser erklärt, er habe jahrelang ein Bauunternehmen geleitet, sei inzwischen jedoch zurückgetreten, meint Borat, er finde es großartig, dass in Amerika auch Zurückgebliebene mit am Tisch sitzen dürfen. Dann geht er zur Toilette, und als er von dort zurückkommt, bringt er seine Exkremente in einer Tüte mit. Die Gastgeberin begleitet ihn daraufhin zum WC und erklärt ihm, wie man es benützt. Borat hat noch jemanden eingeladen: die schmuddelige, übergewichtige afroamerikanische Prostituierte Luenell. Als sie vor dem Dessert hereinkommt, rufen die Gastgeber die Polizei.

Bei einem Antiquitätenhändler in Dallas, Texas, benimmt Borat sich wie der sprichwörtliche Elefant im Porzellanladen, indem er zuerst eine Lampe umstößt und dann mit gespielt ungeschickten Ausweichbewegungen immer noch mehr zerbricht.

Eines Abends, als Borat aus der Dusche kommt, ertappt er seinen Produzenten, der nackt auf dem Bett liegt, das Zeitungsfoto von Pamela Anderson anstarrt und masturbiert. Aufgebracht über diese Schändung seiner Angebeteten, stürzt Borat sich auf ihn. Bei dem Ringkampf nehmen die beiden nackten Männer nacheinander mehrere homosexuelle Posen ein. Azamat flieht aus dem Hotelzimmer, und Borat verfolgt ihn. So gelangen sie in einen voll besetzten Konferenzsaal, wo sie ihren Kampf auf der Bühne fortsetzen, bis sie von Sicherheitskräften hinausgezerrt werden.

Nach dieser Auseinandersetzung macht Azamat sich mit Bär, Geld und Pässen aus dem Staub. Als der Sprit zur Neige geht, fährt Borat in eine Tankstelle, zählt die Münzen in seiner Hosentasche und möchte von dem Tankwart für 16 Cents Benzin. Kurz darauf bleibt das Auto stehen, und Borat muss zu Fuß weiter.

Drei korporierte Studenten nehmen ihn ein Stück in einem Wohnwagen mit. Die betrunkenen jungen Männer teilen seine Ansicht, dass die Welt besser wäre, wenn man die Frauen zu Sklaven machen würde und beschweren sich darüber, dass in den USA Minderheiten den Ton angeben. Als sie ihn darüber aufklären, dass Pamela Anderson wohl keine Jungfrau mehr sei, bricht er schluchzend zusammen.

Trost sucht er bei einem Gottesdienst der Pfingstgemeinde (United Pentecostal Camp Meeting) mit dem republikanischen Politiker Charles („Chip“) Willis Pickering jr. (* 1963) und dem Richter James W. Smith. Nachdem er Azamat Bagatov und Pamela Anderson großmütig vergeben hat, nehmen Mitglieder der Pfingstgemeinde ihn im Bus mit nach Los Angeles.

Bei einem Umzug trifft er Azamat wieder, und sie versöhnen sich. Als Azamat erzählt, dass Pamela Anderson eine Initiative gegen das Quälen von Tieren unterstützt, glaubt Borat sich verhört zu haben und fragt verwundert nach: „Gegen?“

Bei einer Autogrammstunde von Pamela Anderson in Orange, Kalifornien, reiht Borat sich in die Warteschlange ein. Als er an der Reihe ist, macht er ihr einen Heiratsantrag und präsentiert ihr einen nach kasachischer Tradition mit ihrem und seinem Namen bestickten Hochzeitssack. Pamela Anderson versucht, ihn loszuwerden, aber er stülpt ihr den Sack blitzschnell über. Sie befreit sich. Panisch vor Angst rennt sie davon.

Statt mit Pamela Anderson kehrt Borat mit Luenell als neuer Ehefrau in sein Heimatdorf in Kasachstan zurück.

Dort verbessert sich aufgrund seiner Forschungen in den „U, S und A“ eine Menge. Beispielsweise ersetzen die Bewohner die Judenhatz durch eine Zeremonie, bei der sie einen Mann ans Kreuz hängen und ihn mit Mistgabeln traktieren.

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„Borat. Kulturelle Lehrung von Amerika um Benefiz zu machen für glorreiche Nation von Kasachstan“ ist eine Mischung aus Satire und Klamauk. Tabus missachtend, entlarvt Sacha Baron Cohen die Vorurteile seiner amerikanischen Gesprächspartner. Neben diesen Mockumentary-Szenen stehen gespielte Nonsense-Episoden. Die Bandbreite der Komik reicht vom subversiven Humor der Satire bis zu vulgärer Geschmacklosigkeit.

Grenzen werden pausenlos überschritten in diesem Film – zwischen Dokument und Fiktion, Authentischem und Gespielten, Korrektem und Inkorrektem […] Der Filmemacher ist […] ein Wegelagerer, der die Wirklichkeit überrumpelt.
(Fritz Göttler, Süddeutsche Zeitung, 31. Oktober 2006)

Das Europäischen Zentrum für Antiziganismusforschung in Hamburg zeigte die Filmemacher wegen Volksverhetzung an, weil sie angeblich eine Roma-Siedlung in Rumänien verunglimpfen. (Die Aufnahmen für das im Film gezeigte fiktive Dorf Kuzcek fanden in Glod statt, einem Dorf, das zur Gemeinde Moroeni im Zentrum von Rumänien gehört.) Aber dabei handelt es sich wohl um ein Missverständnis, denn „Borat“ nimmt ja gerade Diskriminierung, Rassismus, Antisemitismus, Sexismus und Homophobie aufs Korn.

Sacha Baron Cohen ist Jude, und sein Film richtet sich natürlich nicht gegen die Juden oder andere diskreditierte, verfolgte Minderheiten dieser Welt, sondern gegen die Fabrikation und den Einsatz von Ressentiments und Vorurteilen, wie sie in der westlichen Welt das Denken bestimmen.
(Fritz Göttler, a. a. O.)

Cohen ist der Spross einer walisisch-jüdisch-iranischen Mittelstandsfamilie aus Staines, Grafschaft Surrey, England. Gemeinsam besuchten Cohen und Mazer [Produzent Dan Mazer] die vornehme „Haberdashers Aske’s“-Privatschule und das „Christ’s College“ in Cambridge […]
Schon dieser Hintergrund macht klar, dass Cohen keineswegs unreflektiert oder fahrlässig mit Gefühlen wie Antisemitismus und Rassismus spielt. In seiner Entschlossenheit, Dumpfsinn, Vorurteile und Hass zu entlarven […], kann man eine Mission erkennen […] „Borat bringt die Menschen dazu, ihre Tarnung aufzugeben“, sagt Mazer. (Tobias Kniebe, Süddeutsche Zeitung, 21. Oktober 2006)

Mit Ausnahme von Sacha Baron Cohen, Ken Davitian und Luenell treten in „Borat“ keine Schauspieler auf. (Pamela Anderson steht hier nicht als Darstellerin vor der Kamera.) Angeblich unterschrieben alle gezeigten Personen Einverständniserklärungen, aber sie glaubten vermutlich, in einem Dokumentarfilm mitzumachen, nicht in einer Hollywood-Satire. Gedreht wurde offenbar, ohne vorher entsprechende Genehmigungen einzuholen („Hit and Run“). Über neunzigmal soll die Polizei gerufen worden sein.

Die Filmmusik komponierte Erran Baron Cohen, der Bruder des Hauptdarstellers.

Bei Sacha Noam Baron Cohen (* 1971) handelt es sich um einen im Vereinten Königreich aus dem Fernsehen bekannten Komiker. 1998 trat er erstmals in einer Fernseh-Show als Hoax-Interviewer „Alistair Leslie Graham“ alias „Ali G“ auf. Mit der Figur wurde er so berühmt, dass darüber ein Film gedreht wurde: „Ali G in da House“ (2002). 2009 kam ein dritter Film mit Sacha Baron Cohen in die deutschen Kinos: „Religulous“.

Originaltitel: Ali G – Regie: Mark Mylod – Drehbuch: Sacha Baron Cohe, Dan Mazer – Kamera: Ashley Rowe – Schnitt: Paul Knight – Darsteller: Sacha Baron Cohen, Emilio Rivera, Gina La Piana, Dana de Celis, Dominic Delesilva, Jacqueline Castro u.a. – 2002; 90 Minuten

Originaltitel: Religulous – Regie: Larry Charles – Drehbuch: Bill Maher – Kamera: Anthony Hardwick – Schnitt: Jeff Groth, Christian Kinnard, Jeffrey M. Werner – 2008; 100 Minuten

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2009

Walter Kempowski - Das Echolot
Walter Kempowski hat einige Tage zwischen Juni 1941 und Mai 1945 herausgegriffen und dazu Collagen aus privaten und offiziellen Dokumenten zusammengestellt. "Das Echolot" ist ein polyphoner Stimmenchor, eine aus tausend authentischen Perspektiven erzählte Geschichte.
Das Echolot