Ida Casaburi : C wie Chiara, D wie Davonfliegen

C wie Chiara, D wie Davonfliegen
C wie Chiara, D wie Davonfliegen Originalausgabe: kalliope paperbacks, Bettina Weiss Verlag, Heidelberg 2013 ISBN: 978-3-9814953-1-7, 157 Seiten
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Chiara Alberti wächst ohne Geschwister in der Nähe von Neapel auf, und zwar in dem Bewusstsein, ein ungewolltes Kind zu sein. Außerdem hört sie von ihrer Mutter, sie sei unbegabt. Sie erlebt mit, wie ein eifer­süchtiger Nachbar mit einem Messer auf seine Frau losgeht und wie ihre Mutter den Vater betrügt. Mit 18 reißt sie aus. Erst sehr viel später findet Chiara zu sich selbst – und einen passenden Ehemann. Aber ihre aus einer früheren Beziehung stammende Tochter rebelliert gegen sie und entzieht sich ihr schließlich ganz ...
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Kritik

"C wie Chiara, D wie Davonfliegen" ist ein tragikomischer Roman. Ida Casaburi erzählt die lebendige, turbulente Geschichte temporeich, mit viel Sprachwitz und überbordender Fantasie, aber ohne Ausuferungen.
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Chiara ist das einzige Kind des Rechtsanwalts Aldo Alberti und seiner Ehefrau Eleonora. Die Eltern mussten wegen der ungewollten Schwangerschaft heiraten. Weil Chiara schon bei der Geburt Zähne hatte, war das Stillen für ihre Mutter schmerzhaft und Eleonoras Brüste entzündeten sich. So wächst das Kind in dem Gefühl auf, ungewollt zu sein und den Busen ihrer Mutter ruiniert zu haben. Später redet man Chiara auch noch ein, sie sei unbegabt. Außerdem ist sie von klein auf kränklich. Die Familie lebt am Rande der Kleinstadt Somma Vesuviana am Fuß des namengebenden Vulkans, bis Aldo Alberti zwei benachbarte Wohnungen im Stadtzentrum für die Familie und die Kanzlei kauft.

Als Aldo Alberti mit der kleinen Chiara die gerade mal vier Jahre ältere Vollwaise Rosa abholt, die von ihrer Tante wie eine der Ziegen weggegeben wird – übrigens auch so riecht – und bei der Familie des Anwalts als Dienstmädchen anfangen soll, prallt er auf der Rückfahrt frontal mit einem Motorradfahrer zusammen. Obwohl sich der Wagen zweimal überschlägt, kommen die Insassen mit dem Schrecken davon. Der Motorradfahrer liegt allerdings schwer verletzt auf der Straße.

Rosa glaubt an Hexen, Engel und Dämonen. Sie versucht, Chiara Angst vor Treppengeistern einzureden, aber die Fünfjährige hört nicht auf das Dienstmädchen, turnt stattdessen an der schmalen Außenseite des Treppengeländers herum – und stürzt zwei Stockwerke tief. Zum Glück federt eine mit Kohl gefüllte Einkaufstasche, die Rosa im Parterre des Treppenhauses abgestellt hat, um mit dem Hausmeister plaudern zu können, den Aufprall ab. Der Arzt diagnostiziert nur eine Gehirnerschütterung.

Mit etwas mehr Glück im Unglück hätte Chiara Alberti nach ihrem Sturz aus dem zweiten Stock am nächsten Tag wie Mozart spielen können. Es soll aber auch Menschen geben, die durch einen Schlag auf den Kopf zu Mördern werden. So gesehen konnte sie froh sein, nur ein paar Gehirnzellen verloren zu haben. Bedauerlicherweise handelte es sich gerade um diejenigen, die ihr einziges Talent ausmachten, die Fähigkeit, ganze Bücher gleich beim ersten Zuhören wortgenau in Erinnerung zu behalten – Punkte, Kommas und Seitenzahlen inbegriffen – und das schon im Alter von drei Jahren. Das Abhandenkommen von Chiaras außergewöhnlichem Gedächtnis fiel aber nicht auf, weil niemand sein Vorhandensein bemerkt hatte.

Nach ihrem Sturz machte sie jedoch Bekanntschaft mit einem Kopf, in dem anstatt Geschichten Gedanken lärmten, so laut wie das Geschrei von Menschen und Tieren auf dem wöchentlichen Viehmarkt.

Chiara hält sich gern auf der Dachterrasse des Hauses auf.

Manchmal köpfte ihr Vater ein Huhn oder ein Kaninchen in einer Ecke unter dem Schornstein, um keinen Schmutz in der Wohnung zu machen. Ein dunkelbrauner Fleck, dem weder Sonne noch Regen etwas anhaben konnten, markierte die Stelle.

Ihr Vater hatte einmal gesagt, Erfrieren sei ein schöner Tod. Deswegen wartete sie jeden Winter darauf, dass es schneite, nicht nur auf dem Vesuv. Als einmal im Dezember endlich auch in der Ebene ein paar Flocken fielen, stieg sie nachts hoch auf die Dachterrasse. Dort zog sie sich nackt aus, legte sich auf eine dünne Schicht leicht gefrorenen Schnees und bekam nichts als einen Schnupfen, Nierenschmerzen und eine Tracht Prügel.

Im Alter von neun Jahren erfährt Chiara, dass ihre Cousine Sara Ballettunterricht bekommen soll. Daraufhin möchte sie auch zum Ballett, aber ihre Mutter meint:

„Schätzchen, mit dem dicken Bauch kann man keine Ballerina werden.“

Inzwischen beschäftigt die Familie Alberti ein neues Dienstmädchen, das viel älter und gescheiter als Rosa ist: Maddalena.

Mit im Haus wohnt eine vierköpfige Familie: Professor Giordano lehrt Mathematik an der Universität in Neapel, sein Sohn Giovanni studiert Jura. Die Tochter heißt Lucia. Der Vorname von Signora Giordano lautet Violetta, eigentlich Violette, denn sie stammt aus Frankreich.

Während einer kleinen Feier tanzt Violetta Giordano mit Nino Scognamiglio, einem unverheirateten Cousin zweiten Grades von Aldo Alberti. Professor Giordano beobachtet das Paar eifersüchtig und zerrt seine Frau dann auf die Terrasse, in den Bereich, in dem die Wäscheleinen aufgespannt sind. Chiara, die sich dort hinter der Regentonne versteckt hat, schreit auf, als Professor Giordano mit einem Messer auf seine Frau losgeht – und verhindert dadurch ein Blutbad. Bei Violetta müssen im Krankenhaus nur ein paar nicht allzu tiefe Schnittwunden an den Armen genäht werden. Ihr Ehemann kommt jedoch für einige Jahre ins Irrenhaus von Aversa.

Allmählich versteht Chiara nun auch, was ihre Mutter und Onkel Nino tun, wenn der Vater nicht da ist.

Violetta Giordano bringt Chiara ein wenig Französisch bei und übt mit ihr Malen und Zeichnen.

An Weihnachten schenkte Violetta Chiara eine Staffelei, eine Leinwand, Pinsel und einen Malkasten. An Weihnachten schenkte Chiara ihrer Mutter ein Bild, das diese und Onkel Nino zeigte, wie sie sich aneinander schmissen, und zerstörte damit die Ehe ihrer Eltern.

Aldo Alberti schimpft über die Mussehe und meint:

„Das Kind hat den Anfang und das Ende bestimmt.“

Eleonora Alberti zieht zu einer Freundin in Neapel, und ihr Ehemann vergräbt sich in seiner Kanzlei. Weil Lucia Giordano inzwischen in Rom studiert, hat ihre Mutter für Chiara noch mehr Zeit. Allerdings fürchtet Chiara sich vor Giovanni Giordano, weil dieser ihr nachstellt.

Aldos fröhliche Schwester Rosolina Alberti zieht zu ihrem Bruder und kümmert sich um die Erziehung ihrer Nichte. Im Sommer reist sie mit Chiara für zwei Wochen nach Ischia, aber nach einer Woche erhalten sie in Sant‘ Angelo die Nachricht von Aldos Tod und müssen den Aufenthalt abbrechen.

Er hatte sich erschossen, mit der gleichen Pistole, die sein Vater benutzt hatte, auf der Dachterrasse, genau dort, wo die geköpften Hühner und Kaninchen immer ausgeblutet waren. Er hatte keinen Schmutz in der Wohnung machen wollen.

Auch Aldos Vater hatte sich erschossen. Von den genauen Umständen weiß Chiara nichts; sie hat zwar etwas von einem roten Spielzeugtelefon gehört, aber nicht verstanden, was das mit dem Selbstmord ihres Großvaters zu tun hatte.

Nach Aldos Tod kehrt Eleonora zurück, obwohl sie die Nähe ihrer Tochter nur schwer erträgt. Chiara kann nicht zu Violetta ausweichen, denn die Nachbarin lebt inzwischen in Südfrankreich. Auf die Dachterrasse mag Chiara nun nicht mehr. Meistens hält sie sich deshalb bei Maddalena in der Küche auf – bis sie kurz nach ihrem zehnten Geburtstag in ein Internat in Neapel kommt.

Sieben Jahre verbringt sie dort.

Ihr Abschlussdiplom als Grundschullehrerin verdankte sie allein der Tatsache, dass sie nicht zu den Armen und Stipendiaten, sondern zu den Schülern gehörte, deren Eltern zahlten.

An ihrem 18. Geburtstag setzt Chiara sich zu ihrer Mutter und Onkel Nino an den Tisch, um mit ihnen zu essen. Dass sie eine durchsichtige Bluse ohne Unterwäsche trägt, missfällt Eleonora, zumal Nino auf die kaum verhüllten Brüste starrt. „Du bist eine Schande für die ganze Familie!“, schimpft Eleonora. „Wo willst du landen, auf der Via Appia?“ In diesem Augenblick führt Maddalena Carlo Alberti herein, Aldos älteren Bruder, einen ehrwürdigen Notar. Er ist gekommen, um Chiara ein Sparbuch zu übergeben, das der Vater ihr hinterlassen hat.

Als Maddalena einige Zeit später im Spaß meint, Chiara sehe wie eine Wahrsagerin aus, tut diese so, als sähe sie etwas vor ihrem geistigen Auge.

„Und? Was siehst du?“
„Einen Mann. Er ist in einer Bar, hinter dem Tresen. Er trocknet ein Glas ab. Du stehst auf der anderen Seite und trinkst einen Espresso. Der Mann berührt deine Hand. Warte mal, nein, du bist es nicht. Die Frau sieht dir nur sehr ähnlich. Sie …“
Maddalenas Schmunzeln verschwand aus ihrem Gesicht wie das Wasser aus einem lecken Eimer. Sie sprang auf und schrie: „Woher weißt du von meiner Zwillingsschwester?“

Vielleicht hatte Maddalena doch schon einmal von der Schwester erzählt und vergaß es inzwischen. Es könnte auch sein, dass Chiara ein Gespräch belauschte. Chiara weiß selbst nicht mehr genau, wie sie von der Zwillingsschwester erfuhr, aber für Maddalena steht nun fest, dass die Tochter ihrer Dienstherrin das zweite Gesicht besaß.

Kurz darauf probiert Chiara es mit ihrer Mutter und sagt:

„Ich sehe Papa … er hat etwas Rotes in der Hand … Es sieht aus wie ein Spielzeugtelefon. Er macht etwas damit. Jetzt sehe ich Opa …“

Eleonora ist entsetzt. Ihre Tochter war damals noch zu klein, um den Grund für den Suizid ihres Großvaters zu verstehen. Rosolina muss geplaudert haben! Aber die Schwägerin schwört, ihrer Nichte nichts verraten zu haben. Um sich für die ungerechte Anschuldigung zu rächen, erzählt Rosolina, was damals geschah: Chiaras Großvater hatte beim Poker ein fünfstöckiges Mietshaus, 80 Haselnussbäume und einen nagelneuen Lancia verloren. Durch eine von seinem Sohn Aldo eingerichtete, mit dem normalen Telefon verbundene Haussprechanlage fand er dann auch noch heraus, dass seine Frau ihn betrog. Das war zu viel für ihn: Er erschoss sich.

Chiara beschließt, ihr Elternhaus zu verlassen und macht sich auf den Weg zu Violetta Giordano. Aber am Bahnhof erfährt sie, dass sie den Zug nach Nizza um eine halbe Stunde verpasste und erst am nächsten Morgen wieder einer fahren wird. Sie verbringt also die Nacht im Wartesaal. Dort kommt sie mit einem deutschen Studenten namens Robert ins Gespräch, der daraufhin nicht, wie geplant, den Zug nach Mailand nimmt. Chiara lässt dann auch den Zug nach Nizza ohne sie abfahren und reist stattdessen mit Robert nach Deutschland. Er nimmt sie mit in das von ihm bewohnte Wochenendhaus seiner Eltern. Von dort aus erreicht er die Universität mit dem Fahrrad in einer Stunde.

Als Kind trank Chiara gern Hustensaft. Nun hält sie sich an Wein. Das gefällt Robert gar nicht, und nach einem halben Jahr wirft er ihr außerdem vor, noch immer keinen deutschen Satz sprechen zu können. Er meint, sie sei unbegabt, und als sie daraufhin behauptet, über das zweite Gesicht zu verfügen, entgegnet er:

„Hör auf mit dem Unsinn! Du hast keine Gabe. Du hast Probleme.“

Chiara beginnt, sich Arme und Beine mit einer Nagelschere zu ritzen. Schließlich verlässt sie Robert und nimmt nun doch einen Zug nach Nizza. Violetta überlässt ihr ein Zimmer über ihrer Garage, und Chiara hilft ihr in dem kleinen Laden, in dem sie außer Kleidern und Bildern auch Heilmittel aus Blumen und Kräutern anbietet.

Bald nach ihrer Ankunft stellt sie fest, dass ihre Tage ausbleiben. Violetta lässt sie deshalb von ihrem Geliebten untersuchen. Antoine Eberle ist Arzt wie sein Vater und sein Großvater es waren. Er wäre lieber Zauberer geworden, weil sein Vater Carl Friedrich Eberle ihm jedoch kein erfolgreiches Medizinstudium zutraute, bewies Antoine ihm, dass er Unrecht hatte.

Wie befürchtet, ist Chiara schwanger. Sie ruft Robert an. Der holt sie eine Woche später ab und fährt mit ihr nach Holland, wo Chiara sich einer Abtreibung unterzieht.

Zurück an der Riviera, verliebt Chiara sich in Antoine, aber der Arzt versucht sie auf Distanz zu halten. Chiara hört auf, sich zu ritzen. Stattdessen reißt sie sich Haare aus.

Pascal Rozier, ein Bekannter Antoines, der an der Universität in Lyon französische Literatur lehrt, umwirbt sie. Als er sagt, er halte sich für einen Mann, der seine verlorene Hälfte sucht, erwidert Chiara:

„Meine Tante hat ihre auch lange gesucht, und nachdem sie sie endlich gefunden hatte, kam sie dahinter, dass ein Viertel davon einer anderen gehörte.“

Schließlich bringt Pascal Chiara bei seiner Mutter auf dem Anwesen La Renardière unter.

Eines Tages passt Chiara Antoine vor seinem Schiff im Hafen ab. Widerstrebend nimmt er sie mit an Bord.

Sie blieben den ganzen Tag zusammen. Sie frühstückten nicht nur bei Serge, sie aßen bei ihm auch zu Mittag und zu Abend. Serge bereitete die Fische zu, die sie gefangen hatten, und tischte seinen besten Wein auf. Als der Mond aufging, waren sie zu betrunken, um zurückzufahren. Serge bot ihnen ein Zimmer an. Antoine nahm zwei. Nachts verließ Chiara ihres und kletterte zu ihm ins Bett. Sie liebten sich, mehrmals. […]
Als die Sonne aufging, wachte Antoine auf und sah sie an, mehr wütend als sorglos und glücklich.

Maddalena ruft an: Eleonora, die inzwischen mit Nino verheiratet ist, hatte nach vier Monaten Schwangerschaft eine Fehlgeburt. Chiara lässt sich von Pascal nach Nizza bringen. Zum Abschied schenkt er ihr ein Buch, in das er einen Brief gelegt hat und küsst sie überraschend auf den Mund. Während der Zugfahrt nach Neapel blättert Chiara lustlos in dem Buch und lässt das Kuvert ungeöffnet.

Obwohl sie inzwischen hungert, statt sich zu ritzen oder sich Haare auszureißen, entgeht ihrer Mutter nicht, dass sie schwanger ist. Das findet Eleonora, die gerade ein Kind verloren hat, besonders schlimm.

Wenn Chiara ihre Tochter Francesca stillt, hält das Eleonora nicht vom Rauchen ab. Sie drängt Chiara, das Baby zur Adoption freizugeben. Nino zwickt Chiara in den Hintern und greift ihr unter den Rock – so wie er es früher bei Eleonora tat.

Ohne Chiara etwas davon zu sagen, teilt Maddalena Antoine Eberle in einem Brief mit, dass er Vater geworden sei, und er schickt daraufhin ein Flugticket nach Nizza. Als Chiara aus Neapel abreist, ahnt sie nicht, dass sie ihre Mutter erst 20 Jahre später, als „großes, altes, krankes, fremdes Kind“ nach einem Schlaganfall wiedersehen wird.

Antoine holt Chiara, die nur noch 40 Kilo wiegt, vom Flughafen in Nizza ab. Er bringt sie und Francesca zu seiner Mutter, die das Kind beharrlich „Françoise“ nennt.

Chiaras Hoffnung, dass Violetta sich mit ihr versöhnen würde, erfüllt sich nicht.

Pascal Rozier ist nicht mehr da; er hat einen Lehrauftrag im Ausland angenommen.

Der mit Antoine befreundete Apotheker Bernard, der lieber Arzt geworden wäre, umwirbt Chiara. Nach sieben Jahren im Waisenhaus war Bernard von einem Apotheker und dessen Ehefrau adoptiert worden. Die beiden starben kurz nacheinander, bevor Bernard 21 Jahre alt war. Als er Chiara einen Liebesbrief schreibt, legt sie ihn Antoine hin. Nachdem dieser ihn gelesen hat, kommt es zwischen Antoine und Chiara zu einer heftigen Auseinandersetzung, in deren Verlauf sie schließlich mit einem Messer auf ihn losgeht.

Als sie wieder zu sich kommt, weiß sie nicht nicht mehr, was dann geschah. Sie reißt sich den Infusionsschlauch aus dem Arm und trinkt etwas von dem billigen Cognac, den das Dienstmädchen Louise versteckt hat.

Drei Wochen später zieht sie mit ihrer Tochter in eine kleine Wohnung am Hafen, die Antoine gehört. Bernard besucht sie dort regelmäßig, bis sie ihn eines Tages mit einer anderen Frau zusammen sieht und ihm dann in die Kirche folgt, wo er sich mit Antoine trifft. Dem belauschten Gespräch der beiden Männer entnimmt Chiara, dass Bernard sie in Antoines Auftrag umwarb. Von da an kommt er nicht mehr zu ihr, und Chiara erfährt, dass er die Absicht hat, Jeanette Ledoux zu heiraten, die Frau, mit der sie ihn sah.

Madame Rozier ist verreist. Chiara, die ihre Blumen gießen soll, trinkt dort drei Wochen nach Francescas erstem Geburtstag Campari und schluckt dazu zwei Packungen Schlaftabletten. Als letztes hört sie die Glocken, die zur Christmette rufen.

„Na dann, Chiara, gleich fliegst du davon, D wie Davonfliegen, S wie Sterben.“

Weil Passanten auffällt, dass in Madame Roziers Haus Licht brennt, obwohl sie verreist ist, rufen sie die Polizei, und Chiara wird gerade noch rechtzeitig ins Krankenhaus gebracht.

Als Madame Rozier zurückkommt, holt sie Chiara und Francesca zu sich.

Chiara besorgt sich schließlich eine Anstellung als Sprachlehrerin für italienische Einwanderer und erhält so nicht nur eine Wohnung, sondern auch einen Platz für ihre Tochter in einer Kindertagesstätte.

Francesca Alberti entwickelt sich zu einem widerspenstigen Kind. Im Alter von zwölf Jahren nennt sie sich Françoise Eberle und erwartet, dass Antoine dies auch amtlich macht. Fünf Jahre später ertappt Francesca ihre Mutter mit einem Liebhaber, und es gelingt ihr dann, René für sich zu gewinnen. Als Chiara sie daraufhin schlägt, lächelt sie zufrieden, statt sich zu wehren. Nach dieser Auseinandersetzung schickt Chiara ihre Tochter zu deren Großmutter.

Madame Eberle ruft ein paar Monate später entnervt Chiara an und beklagt sich über ihre Enkelin. Männergeschichten und Alkoholexzesse habe sie noch hingenommen, sagt sie, aber nun sei Françoise auch noch mit einer lesbischen Engländerin zusammen, habe die Schule abgebrochen und tanze mit ihrer Partnerin Lynn für die Gäste auf billigen Kreuzfahrtschiffen.

Jahrelang hört Chiara nichts mehr von ihrer Tochter. Dann steht sie plötzlich wieder vor der Tür, aber nur weil sie Geld haben möchte, um in Toulon einen Kurs machen zu können, mit dem sie einen Schein als Skipperin erwerben möchte.

Schließlich reist Chiara zu Francesca und deren Lebensgefährtin, die inzwischen auf einer Mittelmeerinsel wohnen. Lynn ist ihr sofort sympathisch. Weil es Chiara dort gefällt, kündigt sie ihre Stelle in Nizza und kauft sich auf der Insel nicht nur ein Haus, sondern auch einen kleinen Laden.

Gavino Murra, der Vorbesitzer des Anwesens La Pietraia, hatte Cannabis angebaut und schließlich eine aus Marokko stammende Prostituierte geheiratet. Einige Tage nach der Hochzeit erlag er einem Herzinfarkt. Die Witwe vernichtete die Anpflanzung und kehrte in ihre Heimat zurück.

Ein halbes Jahr später kommt Lynn zu Chiara: Francesca hat sie verlassen und lebt jetzt mit einer anderen Frau in Spanien. Das lesbische Paar erwartet ein Kind, denn Francesca ließ sich von einem ahnungslosen jungen Mann schwängern.

Eines Tages fällt Pascals ungeöffneter Brief aus dem Buch, das er Chiara beim Abschied in Nizza schenkte. Erst jetzt liest sie ihn.

Bald darauf heiraten sie. Sie bedauert es, den Brief nicht bereits im Zug nach Neapel gelesen zu haben, aber er meint, sie hätte ihn damals vielleicht gar nicht verstanden.

Chiara scheibt einen Roman mit dem Titel „Vergiftete Leben“. Und zu Pascal sagt sie:

„Schluss mit Tränen! Schluss mit Fliegen! Es ist endlich Zeit anzukommen.“

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Die Kinder sind immer die Opfer und aus Opfern werden Täter.

Chiara Alberti wächst ohne Geschwister auf, und zwar in dem Bewusstsein, ein ungewolltes Kind zu sein. Außerdem hört sie von ihrer Mutter, sie sei unbegabt. Erst sehr spät findet Chiara zu sich selbst – und einen passenden Ehemann. Aber ihre aus einer früheren Beziehung stammende Tochter rebelliert gegen sie und entzieht sich ihr schließlich ganz.

Die Charaktere der Protagonistin und der Nebenfiguren hätte Ida Casaburi in ihrem Roman „C wie Chiara, D wie Davonfliegen“ etwas farbiger herausarbeiten können, aber die einige Jahrzehnte überspannende Geschichte ist lebendig, turbulent und mitreißend. Mit Ausnahme eines einmaligen Vorgriffs auf Ereignisse 20 Jahre in der Zukunft (Schlaganfall und Tod Eleonoras) entwickelt Ida Casaburi das Geschehen chronologisch. An Einfällen mangelt es in „C wie Chiara, D wie Davonfliegen“ nicht: Mit überbordender Fantasie führt uns Ida Casaburi von einer Wendung zur anderen, ohne sich dabei in Ausuferungen zu verlieren; im Gegenteil: Sie erzählt stringent und temporeich.

Geschickt beendet sie einige Abschnitte mit einem Cliffhanger. Pointen bereitet sie mitunter viele Seiten im Voraus vor und setzt sie dann um so wirkungsvoller. Trotz zahlreicher Vergleiche gibt die Sprache sich einfach. Eine Besonderheit des ersten Teils sind italienische Einsprengsel, sowohl Wörter als auch Idiome. Und das ganze Buch funkelt vor Sprachwitz. „C wie Chiara, D wie Davonfliegen“ ist ein tragikomischer Roman.

Schade ist, dass bei der Lektorierung der eine oder andere Sprachschnitzer bzw. Denkfehler übersehen wurde.

Er hatte sich erschossen, mit der gleichen Pistole, die mein Vater benutzt hatte […] (Seite 35)

Chiara nahm eines seiner Bücher, eine Erstausgabe, eine von denen, die im Schutzumschlag steckten, und ging nach oben. Robert bemerkte es nicht. Vorsichtshalber sperrte sie die Tür zu, bevor sie anfing, Konfetti aus ihr zu machen. (Seite 57)

War er fort, verschwand erst das Lächeln, dann meine Mutter, und ich sah sie nur noch zu den Mahlzeiten. (Seite 61)

„Kennen Sie die Geschichte, in der Mann und Frau ursprünglich eins waren? Sie waren für die Götter zu mächtig und wurden deswegen auseinandergerissen. Ich sehe im Spiegel einen Mann, der die verlorene Hälfte sucht.“
„Meine Tante hat ihre auch lange gesucht, und nachdem sie sie endlich gefunden hatte, kam sie dahinter, dass ein Viertel davon einer anderen gehörte.“ (Seite 66)

Ein paar Frauen mit Kopftüchern saßen da und beteten ihre Rosenkränze. (Seite 118)

Der Titel „C wie Chiara, D wie Davonfliegen“ steht in Verbindung mit den Kapitelüberschriften: A wie Antoine, B wie Bernard, C wie Chiara, F wie Francesca, P wie Pascal, R wie Robert, V wie Violetta, A wie Abschied, aber auch Ankommen, D wie Davonfliegen, G wie Gift, H wie Hoffnung, I wie Illusion, M wie Mutter, S wie Sterben.

Fazit: Mit dem tragikomischen Roman „C wie Chiara, D wie Davonfliegen“ bietet Ida Casaburi ein besonderes Lesevergnügen.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2013
Textauszüge: © kalliope paperbacks, Bettina Weiss Verlag

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Die Spange