Ein andalusischer Hund

Ein andalusischer Hund

Ein andalusischer Hund

Ein andalusischer Hund – Originaltitel: Un chien andalou – Regie: Luis Buñuel – Drehbuch: Luis Buñuel und Salvador Dalí – Kamera: Albert Duverger – Schnitt: Luis Buñuel – Darsteller: Pierre Batcheff, Simone Mareuil, Luis Buñuel, Salvador Dalí, Jaime Miravilles, Robert Hommet u.a. – 1929, 16 Minuten

Inhaltsangabe

Luis Buñuel und Salvador Dalí redeten 1928 über Träume. Zwei Traumsequenzen bildeten die Kristallisationskerne einer Filmidee: Eine Hand mit krabbelnden Ameisen und ein Vollmond, an dem eine dünne, lange Wolke vorbeizieht. "Ein andalusischer Hund" beginnt mit der Mond-Szene. Danach schneidet ein Mann einer Frau mit einem Rasiermesser quer durchs linke Auge ...
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Kritik

Luis Buñuel und Salvador Dalí reihten in freier Assoziation Szenen ohne zeitliche oder räumliche Beziehungen aneinander. Hinter den Bildern gibt es keine Bedeutung. "Ein andalusischer Hund" gilt als Klassiker des surrealistischen Film.
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Ein Mann schärft ein Rasiermesser, tritt hinaus auf den Balkon und beobachtet, wie eine Wolke vor dem Vollmond vorbeizieht. Dann schneidet er ganz ruhig einer Frau mit dem Rasiermesser quer durchs linke Auge. Eine Frau beobachtet vom Fenster aus, wie sich ein seltsam gekleideter Radfahrer nähert, ohne erkennbare Ursache umkippt und mit dem Hinterkopf auf die Bordsteinkante stürzt. Sie läuft hinunter; er scheint tot zu sein. Eine junge Frau schubst mit einem Stöckchen eine abgetrennte Hand auf der Straße herum; Schaulustige umringen sie, bis Polizisten für Ordnung sorgen. Die Frau bleibt allein auf der Straße stehen. Mehrere Autos streifen sie beinahe. Dann wird sie totgefahren. Aus einem Loch in der Hand eines Mannes krabbeln Ameisen. Ein Mann blickt lüstern eine Frau an, greift nach ihren Brüsten, die plötzlich unbekleidet sind und sich unter den Händen des Mannes in ein Gesäß verwandeln. Die Frau weicht vor dem Mann in eine Zimmerecke zurück. Er versucht, wieder zu ihr zu gelangen, aber dabei muss er zwei Konzertflügel an Seilen hinter sich herziehen, auf denen abwechselnd der Kadaver eines Esels und zwei Seminaristen liegen. Ein Mann wischt mit der Hand seinen Mund weg. Im nächsten Augenblick hat er anstelle des Mundes krauses Haar im Gesicht, und eine im selben Zimmer stehende Frau, die ihn beim Schminken ihrer Lippen beobachtet, stellt erschrocken fest, dass ihre Achselbehaarung verschwunden ist. Ein Paar geht am Strand entlang, und im letzten Bild sehen wir es bis zur Brust eingegraben im Sand.

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Luis Buñuel (1900 – 1983) und Salvador Dalí (1904 – 1989), die sich seit ihrer Studienzeit kannten, redeten 1928 in Figueras über Träume. Dalí erzählte von einem Traum, in dem eine Hand mit krabbelnden Ameisen vorkam, und Buñuel schilderte eine Traumsequenz, bei der eine dünne, lange Wolke vor dem Vollmond vorbeizieht, als ob sie ihn durchschneiden würde. Diese beiden Vorstellungen bildeten die Kristallisationskerne einer Filmidee. Im Verlauf einer Woche schrieben Luis Buñuel und Salvador Dalí das Drehbuch. Das Geld für die Realisierung des Projekts erhielten sie von Buñuels Mutter. Gedreht wurde Ende 1928, Anfang 1929 zwei Wochen lang in einem Atelier in Billancourt und in Le Havre. Den Schnitt nahm Luis Buñuel selbst vor. Im April 1929 wurde der Kurzfilm in Paris erstmals vorgeführt.

Das Publikum war entsetzt, besonders über die Szene, in der einer Frau scheinbar ein Auge zerschnitten wird. (Bei den Dreharbeiten wurde das Auge einer toten Kuh benutzt.)

In freier Assoziation hatten Luis Buñuel und Salvador Dalí surreale Szenen aneinandergereiht. Zwischentitel („gegen drei Uhr morgens“, „vor sechzehn Jahren“, „im Frühling“) täuschen einen zeitlichen Zusammenhang vor, der gar nicht existiert. Das gilt auch für die räumlichen Beziehungen: Eine Frau geht durch eine Tür, die gerade noch ins nächste Zimmer führte, auf einen Strand hinaus. Die Kausalitäten sind absurd. Es gibt keine Bedeutung hinter den Bildern: Form und Inhalt sind identisch.

Nur bei einer Szene drängt sich eine Interpretation auf: Ein lüsterner Mann, der zu einer Frau will, ist an zwei Konzertflügel gefesselt und kommt nur mühsam vorwärts. Da denkt man an Triebe, die durch moralische Konventionen unterdrückt werden.

Eigentlich wollten Buñuel und Dalí einen in keiner Weise erklärbaren Film und wählten dementsprechend auch einen Titel, der keinen Bezug dazu hat: „Ein andalusischer Hund“. Mit dieser Irrationalität hielten sie sich an das „Erste Manifest des Surrealismus“ von André Breton aus dem Jahr 1924. Inzwischen gilt „Ein andalusischer Hund“ als Klassiker des surrealistischen Films.

Während der Vorführung des Stummfilms legte Luis Buñuel Platten mit argentinischen Tangos und Passagen aus der Oper „Tristan und Isolde“ von Richard Wagner auf. Seit 1960 gibt es „Ein andalusischer Hund“ mit einer Tonspur.

Beide Hauptdarsteller Simone Mareuil und Pierre Batcheff starben durch Suizid.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2008

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