Willkommen bei den Sch'tis

Willkommen bei den Sch’tis

Willkommen bei den Sch'tis

Willkommen bei den Sch'tis – Originaltitel: Bienvenue chez les Ch'tis – Regie: Dany Boon – Drehbuch: Dany Boon, Alexandre Charlot, Franck Magnier – Kamera: Pierre Aïm – Schnitt: Luc Barnier, Julie Delord – Musik: Philippe Rombi – Darsteller: Kad Merad, Dany Boon, Zoé Félix, Anne Marivin, Line Renaud, Guy Lecluyse, Philippe Duquesne, Stéphane Freiss, Michel Galabru, Patrick Bosso, Lorenzo Ausilia-Foret u.a. – 2008; 105 Minuten

Inhaltsangabe

Philippe Abrams wohnt mit seiner Ehefrau Julie und seinem Sohn Raphaël in Salon-de-Provence bei Marseille. Dort leitet er eine Postfiliale. Weil Julie lieber am Meer leben würde, bewirbt Philippe sich für eine Stelle an der Riviera und täuscht eine Behinderung vor, um seine Chancen zu verbessern. Als er auffliegt, wird er nach Nordfrankreich strafversetzt. Dort, so heißt es, seien die Lebensbedingungen nahezu unerträglich ...
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Kritik

Die Komödie "Willkommen bei den Sch'tis" ist ein humorvolles Plädoyer für Vorurteilslosigkeit, in dem Dany Boon v.a. auf Slapstick setzt.
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Philippe Abrams (Kad Merad) wohnt mit seiner Ehefrau Julie (Zoé Félix) und seinem Sohn Raphaël (Lorenzo Ausilia-Foret) in Salon-de-Provence nordwestlich von Marseille. Dort leitet er eine Filiale der Post. Weil Julie lieber am Meer leben würde, bewirbt Philippe sich für eine Stelle in Cassis, aber die bekommt ein Behinderter.

Als Philippe von seinem in der Postdirektion in Marseille beschäftigten Freund Jean Sabrier (Stéphane Freiss) erfährt, dass der Leiter einer Filiale an der Riviera demnächst in den Ruhestand gehen wird, bewirbt er sich als Nachfolger und gibt sich in den Unterlagen als Behinderter aus. Bevor er jedoch den Rollstuhl ausgepackt hat, kommt ein Inspektor in die Dienststelle, der sich darüber wundert, dass in der Bewerbung für die Stelle in Cassis noch keine Behinderung angegeben war. In letzter Sekunde schafft Philippe es, seinen Bürostuhl auf die andere Seite des Schreibtisches zu wuchten und sich selbst in den Rollstuhl zu setzen. Aber als der Inspektor ihm zum Abschied die Hand hinstreckt, steht Philippe höflich auf – und entlarvt sich als Betrüger.

Zur Strafe wird er für mindestens zwei Jahre nach Bergues in der nordfranzösischen Region Nord-Pas-de-Calais versetzt. Julie ist nicht bereit, ihn dorthin zu begleiten, denn ihr in Nordfrankreich geborener Großonkel (Michel Galabru) beschreibt das Leben dort wie ein Horrorszenario. Im Winter falle das Thermometer bis auf minus 40 Grad, und es werde erst mittags für kurze Zeit hell, behauptet er. Kein Wunder, dass die meisten Bewohner alkoholkrank und geistig beschränkt sind.

Julie bleibt also mit Raphaël in Salon-de-Provence, als Philippe sich mit einem dicken Anorak bekleidet ins Auto setzt und nach Norden aufbricht. Weil er mit 50 Stundenkilometern über die Autobahn schleicht, um die Ankunft hinauszuzögern, wird er von einer Polizeistreife (Jérôme Commandeur, Patrick Bosso) angehalten. Aber als Inspektor Lebic hört, wohin der Verkehrssünder unterwegs ist, verzichtet er aus Mitleid auf eine Verwarnung.

Spätabends trifft Philippe in Bergues ein – und wird mit einem Wolkenbruch empfangen. Auf die schlechte Sicht und seine Aufregung ist es zurückzuführen, dass er einen auf der Straße stehenden Mann anfährt. Erschrocken springt er aus dem Wagen, und als der Mann zu sprechen beginnt, befürchtet Philippe einen Hirnschaden oder wenigstens einen gebrochenen Kiefer, denn die Sprache ist für ihn unverständlich. Es stellt sich heraus, dass es sich bei dem Mann um den Postboten Antoine Bailleul (Dany Boon) handelt. Er ist unverletzt und spricht immer so, denn er ist ein Sch’ti, und die Sch’tis verständigen sich in einem vom Flämischen beeinflussten französischen Dialekt, der mit dem Picard verwandt ist.

Dem Filialleiter steht eine Dienstwohnung über dem Postamt zu. Aber Philippes Vorgänger hat die Möbel mitgenommen, und die Räume sind leer. Kurzerhand nimmt Antoine seinen neuen Chef mit nach Hause. Der fünfunddreißigjährige Junggeselle wohnt noch immer bei seiner Mutter (Line Renaud). Er überlässt dem Gast sein Zimmer und übernachtet selbst auf der Couch. Weil Philippe ihn für schwul hält, verbarrikadiert er die Türe mit einem Stuhl.

Am nächsten Morgen möchte Philippe Tee, aber es gibt nur Muckefuck, und das Käsebrot schmeckt so aufdringlich, dass es die Sch’tis vor dem Abbeißen in den Ersatzkaffee tunken.

Im Postamt stellt Antoine dem neuen Direktor die Kollegen vor: Fabrice Canoli (Philippe Duquesne), Yann Vandernoout (Guy Lecluyse) und Annabelle Deconninck (Anne Marivin). Sie begrüßen Philippe freundlich, aber ohne sich von seinem Rang in der Hierarchie beeindrucken zu lassen. Missmutig setzt Philippe sich an den Schreibtisch.

Mittags fragt Annabelle, ob Philippe mit ihr, Canoli und Vandernoout zur „Frittenhütte“ mitkommen wolle. Er glaubt, es handele sich um ein Restaurant mit diesem Namen, aber als er in der Schlange vor der Frittenbude steht, erkennt er seinen Irrtum. Es gibt Frikandeln mit Pommes frites. Aus was die Fleischrollen gemacht seien, fragt Philippe. „Das wollen Sie lieber nicht wissen“, lautet die Antwort. Ein paar Minuten später kommt auch der Briefträger Antoine. Er ist betrunken und macht sich über den Mann aus dem Süden lustig.

Philippe geht beleidigt zurück ins Büro. Aber am Nachmittag bringen ihm die Mitarbeiter Möbel für die Dienstwohnung, die sie zusammengesammelt haben, und tragen sie ihm hinauf. Da versöhnt Philippe sich mit ihnen und lädt sie nach Lille zum Essen ein. In der lustigen Runde übt er die ersten Redewendungen in Sch’ti, und gibt die Bestellung im Dialekt auf. Doch der Kellner (Christophe Rossignon) stammt aus Paris und versteht ihn nicht.

Als Philippe in seine Dienstwohnung kommt, ruft Julie an. Sie ist besorgt, weil er sich noch nicht gemeldet hat. Er versichert ihr, es sei alles halb so schlimm. Weil Julie ihm jedoch nicht glaubt, stöhnt er schließlich über die Hölle, in die er geraten sei.

Übers Wochenende fährt er zu seiner Familie nach Salon-de-Provence. Bei der Rückfahrt nach Bergues wird er von derselben Polizeistreife wie eine Woche zuvor angehalten, diesmal allerdings nicht mit 50, sondern mit 160 Stundenkilometern. Da ist ein Bußgeld fällig.

Das Leben in Nordfrankreich gefällt Philippe immer besser, und er findet es gut, dass die Mitarbeiter nicht vor dem Direktor katzbuckeln, sondern herzlich und offen mit ihm umgehen.

Am zweiten Wochenende in Salon-de-Provence, an dem Julie seine Freunde eingeladen hat, bestätigt er dennoch deren Vorurteile.

Philippe entgeht nicht, dass Antoine in Annabelle verliebt ist. Die beiden waren ein Jahr lang ein Paar, aber nach einem Streit mit Antoines dominanter Mutter verlangte Annabelle von ihm, sich zwischen ihr und der Mutter zu entscheiden, und da zerbrach die Beziehung. Annabelle lässt sich regelmäßig von einem jungen Motorradfahrer namens Tony (Alexandre Carrière) zum Postamt bringen, und sie küsst ihn demonstrativ, wenn Antoine in der Nähe ist. Eines Tages stößt Antoine aus Eifersucht das Motorrad um, und die Männer prügeln sich. Philippe versucht zu schlichten, bekommt jedoch selbst einen Schlag ab.

Antoine wird während des Briefeaustragens von den meisten Leuten auf ein Bier oder einen Schnaps eingeladen. Weil er nicht „nein“ sagen kann, ist er schon mittags betrunken. Um das abzustellen, begleitet Philippe ihn eines Tages auf seiner Tour. Bei der ersten Adresse widersteht Antoine der Versuchung, aber als Monsieur Vasseur (Fred Personne) den Herren von der Post Kaffee anbietet, nimmt Philippe die Einladung an. Antoine trinkt tatsächlich nur Kaffee; Philippe lässt sich dagegen Schnaps in den Kaffee kippen, und es dauert nicht lang, bis er betrunken ist. Schließlich klingeln sie an Haustüren, auch wenn sie keine Post haben, nur um mit den Bewohnern etwas zu trinken. Sturzbetrunken schlägt Philippe seinem neuen Duz-Freund Antoine ein Rennen mit den Dienstfahrrädern vor – und fällt prompt einer Polizeistreife auf. Zur Ausnüchterung werden die beiden Betrunkenen über Nacht eingesperrt.

Als Philippe sich nach dem dritten Wochenende bei der Familie verabschieden will, hebt Julie einen weiteren Koffer ins Auto und überrascht ihn mit der Ankündigung, sie werde mitkommen. Es sei falsch und eigensüchtig von ihr gewesen, ihn allein seinem Schicksal in Nordfrankreich zu überlassen. Fürs Erste hat sie Raphaël zu ihren Eltern gebracht und unbezahlten Urlaub genommen. Sobald sie sich in Bergues eingerichtet hat, will sie den Sohn nachholen.

Auf der Autobahn verliert Philippe die Kontrolle über den Wagen und gerät in die Leitplanken. Während Julie sich mit dem Abschleppauto zurückbringen lässt, nimmt Philippe einen Zug nach Norden.

In Bergues kündigt er seinen Mitarbeitern die baldige Ankunft seiner Frau an. Sie sei depressiv, sagt er, doch seit sie glaube, dass er hier die Hölle durchmache, gehe es ihr besser. Als er zugibt, im Gespräch mit ihr die Vorurteile der Süd- gegen die Nordfranzosen bestätigt zu haben, verlassen Antoine, Annabelle, Fabrice Canoli und Yann Vandernoout den Raum. Philippe nimmt an, dass sie beleidigt sind.

Er holt Julie am Bahnhof ab. Vor dem Bahnhof werden sie von seinen Mitarbeitern mit dem Postauto erwartet. Antoine, Annabelle, Fabrice und Yann geben sich so, wie es den Vorurteilen entspricht: Sie grölen und trinken während der Fahrt ein Bier nach dem anderen. In der Gasse, durch die sie Julie und Philippe begleiten, streiten und prügeln sich die Bewohner. Eine Frau kippt Unrat vor die Tür. Philippe führt seine Frau in eine winzige Wohnung, in der die Wände abblättern. Das sei sein Zuhause, lügt er.

Am Abend heißen die Postler die Ehefrau ihres Direktors auf einem Grillfest willkommen. Wieder trinken und rülpsen sie. Als Julie zaghaft fragt, welches Fleisch gegrillt werde, antwortet einer: „Was wir halt kriegen können.“ Und im nächsten Augenblick jagt jemand eine Katze mit einem Gewehr. Julie isst daraufhin nur etwas vom alten Brot.

Philippe schlägt Julie vor, sie zum Zug zu bringen, aber sie will trotz allem bei ihm bleiben.

Als sie am nächsten Morgen aufwacht, ist Philippe bereits fort. Sie zieht sich an, geht los und fragt einen Passanten nach dem Postamt. Der Mann klärt sie darüber auf, dass sie sich in der alten verlassenen Bergarbeitersiedlung von Bergues befindet. Das Postamt sei nicht hier, sondern in dem Ortsteil, in den die Menschen gezogen sind. Da durchschaut Julie die Täuschung.

Verärgert fährt sie zurück nach Salon-de-Provence.

Antoine befolgt Philippes Rat und redet mit seiner Mutter. Er kündigt an, dass er ausziehen und mit Annabelle zusammen eine eigene Wohnung mieten werde. Zu seiner Überraschung versucht seine Mutter nicht, ihn davon abzuhalten, sondern stimmt seinem Plan zu.

Jetzt müsste er nur noch Annabelle einen Heiratsantrag machen. Aber das wagt er nicht.

Wieder schaltet Philippe sich ein. In der Nacht klingelt er Annabelle heraus und fährt sie mit dem Postauto zum Belfried. Antoine sitzt bereits am Carillon, und auf Philippes Zeichen beginnt er die Glocken zu spielen. Gleichzeitig entrollt Philippe von der Turmspitze ein Laken, auf das Antoine eine Liebeserklärung für Annabelle geschrieben hat.

Sie ist gerührt, und als Antoine herunterkommt, fällt sie ihm in die Arme. Bald darauf heiraten die beiden.

Philippe fährt mit dem Postauto nach Salon-de-Provence und passt seine Frau an der Schulpforte ab, wo sie auf Raphaël wartet. Sie versöhnen sich, und Raphaël wundert sich darüber, dass seine Eltern sich in aller Öffentlichkeit küssen.

Nach mehr als drei Jahren in Bergues wird Philippe auf die Île de Porquerolles versetzt. Das ist traumhaft, aber der Abschied von den Sch’tis fällt ihm schwer. Eines ihrer Sprichwörter lautet: „Wer in den Norden zieht, weint zweimal, wenn er ankommt und wenn er wieder abfährt.“

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Während Südfranzosen von ihren Landsleuten im Norden für leichtlebig und unzuverlässig gehalten werden, heißt es umgekehrt, die Nordfranzosen seien rückständig und lebten in einer von Arbeitslosigkeit, Alkoholkrankheit und schlechtem Wetter geprägten Gegend. Tatsächlich gehört die Region Nord-Pas-de-Calais zu den ärmsten und niederschlagsreichsten in Frankreich, und es sterben dort überdurchschnittlich viele Menschen an den Folgen des Alkoholmissbrauchs.

Die Komödie „Willkommen bei den Sch’tis“ soll dazu beitragen, die Vorurteile gegen die Nordfranzosen abzubauen. Allerdings ersetzt Dany Boon das Klischee nicht durch ein realistisches Bild, sondern durch eine Karikatur. In der idyllischen Welt des Films scheint es weder Fernsehgeräte noch Computer oder gar Smartphones zu geben. Ausländer oder Einwanderer sind ebenso wenig zu sehen. Offenbar geht es Dany Boon, dessen Vater algerischer Abstammung war, nicht um Gesellschaftskritik, sondern um ein humorvolles Plädoyer für Aufgeschlossenheit und Toleranz. „Willkommen bei den Sch’tis“ ist ein harmloses, aber recht lustiges und vitales Feel-Good-Movie, in dem Dany Boon vor allem auf Situationskomik setzt. Auch wenn die Gags mitunter vorhersehbar und nicht besonders raffiniert sind, gibt es „bei den Sch’tis“ viel zu lachen.

Gedreht wurde „Willkommen bei den Sch’tis“ an dreiundfünfzig Tagen von Mai bis Juni 2007 in Salon-de-Provence, Bergues, Bruay-la-Buissière und Lille.

Die Kleinstadt Bergues liegt ganz im Norden Frankreichs, in der Region Nord-Pas-de-Calais an der belgischen Grenze. Die Menschen lebten hier bis nach dem Zweiten Weltkrieg vom Bergbau. In seinem 1885 veröffentlichten Roman „Germinal“ schildert Émile Zola ihr Elend.

Mit mehr als 20 Millionen KinobesucherInnen im eigenen Land brach „Willkommen bei den Sch’tis“ den bis dahin von „Die große Sause“ („La grande vadrouille“, 1966, Regie: Gérard Oury) gehaltenen Rekord. Unter Einbeziehung auch ausländischer Produktionen hatte nur „Titanic“ ein klein wenig mehr Besucher in die Kinos gelockt, aber das war noch vor der Zeit der Raubkopien.

Für die deutsche Synchronisation erfand Beate Klöckner einen fiktiven Dialekt. Die beiden Hauptfiguren Philippe und Antoine werden von Michael Lott und Christoph Maria Herbst synchronisiert.

Massimo Gaudioso (Drehbuch) und Luca Miniero (Regie) verlegten die Handlung in „Willkommen im Süden“ von Frankreich nach Italien: Der in der norditalienischen Provinz tätige Postbeamte Alberto Colombo versucht, nach Mailand versetzt zu werden, wird aber stattdessen nach Castellabate südlich von Neapel geschickt.

Willkommen im Süden – Originaltitel: Benvenuti al sud – Regie: Luca Miniero – Drehbuch: Massimo Gaudioso nach dem Drehbuch „Willkommen bei den Sch’tis“ von Dany Boon, Alexandre Charlot, Franck Magnier – Kamera: Paolo Carnera – Schnitt: Valentina Mariani – Musik: Umberto Scipione – Darsteller: Claudio Bisio, Alessandro Siani, Angela Finocchiaro, Valentina Lodovini, Dany Boon u.a. – 2010; 100 Minuten

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2011

Walter Rauscher - Hitler und Mussolini
Es ging Walter Rauscher wohl nicht darum, neue Erkenntnisse über die beiden Diktatoren zu gewinnen, sondern um eine Darstellung, deren Reiz der Wechsel der Perspektive ist: Einmal wird das Geschehen aus der Sicht Hitlers, dann wieder aus der Mussolinis beleuchtet.
Hitler und Mussolini