In einer besseren Welt

In einer besseren Welt

In einer besseren Welt

In einer besseren Welt – Originaltitel: Hævnen – Regie: Susanne Bier – Drehbuch: Anders Thomas Jensen – Kamera: Morten Søborg – Schnitt: Pernille Bech Christensen, Morten Egholm – Musik: Johan Söderqvist – Darsteller: Mikael Persbrandt, Trine Dyrholm, Ulrich Thomsen, Markus Rygaard, William Jøhnk Nielsen u.a. – 2010; 115 Minuten

Inhaltsangabe

Während der idealistische Arzt Anton seinen Söhnen Gewaltfreiheit vorlebt, ist der zwölfjährige Schüler Christian entschlossen, sich mit allen Mitteln Respekt zu verschaffen. Christian wird für Antons von Mitschülern gemobbten Sohn Elias zum Beschützer, aber er verführt ihn auch dazu, das Vorbild seines pazifistischen Vaters zu missachten. Der stößt in einem sudanesischen Flüchtlingslager auf einen sadistischen Warlord, der ärztliche Hilfe benötigt ...
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Kritik

Das komplexe Familiendrama "In einer besseren Welt" kreist um die Frage, wie man mit Gewalt umgehen sollte. Die Inszenierung ist eindrucksvoll. Nur die letzten Minuten des mit einem "Oscar" prämierten Films von Susanne Bier sind nicht ganz überzeugend.
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Nach dem Krebstod seiner Frau in London bringt Claus (Ulrich Thomsen) seinen zwölfjährigen Sohn Christian (William Jøhnk Juel Nielsen) zu seiner Mutter Signe (Elsebeth Steentoft) nach Dänemark. Er arbeitet zwar weiterhin in England, besucht die beiden jedoch so oft er kann.

In der Schule wird Christian neben Elias (Markus Rygaard) gesetzt. Es dauert nicht lang, bis er merkt, dass Elias von Mitschülern gemobbt und wegen seiner Zahnspange als „Rattenfresse“ beschimpft wird. Der Anführer der Clique, die es auf Elias abgesehen hat, heißt Sofus (Simon Maagaard Holm).

Die Lehrer wissen, dass Sofus und dessen Kumpane Elias bei jeder Gelegenheit beschimpfen und herumstoßen, aber statt etwas dagegen zu unternehmen, bestellen sie die Eltern in die Schule und drücken ihre Sorge aus, dass sich die häufige Abwesenheit des Vaters und die Trennung der Eltern ungünstig auf Elias‘ schulische Leistungen auswirken.

Elias kann mit seinem Vater Anton (Mikael Persbrandt) oft wochenlang nur über Skype reden, denn der schwedische Arzt leitet die Krankenstation in einem sudanesischen Flüchtlingslager. Weil ihn seine Ehefrau Marianne (Trine Dyrholm) bei einem Seitensprung ertappte, trennte sie sich von ihm. Elias und sein kleiner Bruder Morten (Toke Lars Bjarke) leben bei ihr. Sie arbeitet als Ärztin im örtlichen Krankenhaus.

Eines Tages beobachtet Christian, wie Sofus Elias in einen Waschraum folgt. Kurz entschlossen nimmt er seine Fahrradpumpe, schleicht den beiden nach, schlägt zornig auf Sofus ein, und als dieser am Boden liegt, setzt er ihm ein Messer an den Hals, bis er verspricht, Elias fortan in Ruhe zu lassen.

Sofus und seine Eltern melden den Vorfall der Schulleitung und der Polizei. Elias und Christian, die getrennt vernommen werden, beteuern, dass bei dem Streit kein Messer im Spiel gewesen sei. Deshalb kommen sie ungeschoren davon, und der Rektor (Bodil Jørgensen) verlangt von ihnen und Sofus nur, dass sie sich gegenseitig zum Zeichen der Versöhnung die Hand geben.

Während Anton sich wieder einmal in Dänemark aufhält und seine beiden Söhne bei sich hat, gerät Morten auf einem Spielplatz mit einem anderen Kind (Lucas Oliver Nyman) in Streit. Anton zieht die beiden auseinander. Aber da kommt der Vater des anderen Jungen angerannt (Kim Bodnia) und ohrfeigt Anton, weil er seinen Sohn am Arm packte. Der friedfertige Arzt nimmt es hin, aber Elias versteht das nicht, und Christian schon gar nicht.

Ein paar Tage später sehen Elias und Christian den Choleriker wieder und notieren sich sowohl den Firmennamen an seinem Auto als auch das Kennzeichen. Der Mann heißt Lars. Elias gibt die Informationen an seinen Vater weiter und drängt ihn, etwas zu unternehmen. Daraufhin geht Anton mit seinen beiden Söhnen und Christian zu der Autowerkstatt, in der Lars arbeitet und stellt ihn zur Rede. Aber das führt nur dazu, dass er erneut geschlagen wird. Danach versucht er den Jungen einzureden, dass es nicht weh getan habe und er als moralischer Sieger aus der Auseinandersetzung hervorgegangen sei. Aber Christian nimmt ihm das nicht ab.

Während Anton wieder im Sudan ist, findet Christian in der Werkstatt seines verstorbenen Großvaters alte Feuerwerkskörper und beschließt, daraus nach einer Anleitung im Internet eine Bombe zu basteln. Arglos hilft Elias ihm dabei, und sie zünden testweise einen kleinen Sprengkörper am Strand. Es funktioniert!

Kurz darauf findet Elias‘ Mutter das Messer und ahnt sofort, dass die beiden Jungen bei der Vernehmung logen. Aufgebracht fährt sie zu Claus und klärt ihn darüber auf. Als Claus dann seinen Sohn zur Rede stellt, kontert dieser, indem er seinen Vater als Lügner beschimpft und ihm vorwirft, den Tod der Mutter gewollt zu haben.

Im Sudan rettet Anton wieder einmal das Leben einer schwer verletzten jungen Frau. Der Warlord „Big Man“ (Odiege Matthew) macht sich einen Spaß daraus, mit seinen Männern zu wetten, ob es sich beim ungeborenen Kind einer Schwangeren um einen Jungen oder ein Mädchen handelt. Dann schneiden sie ihr den Bauch auf, um nachzusehen.

Eines Tages rast ein mit schwer bewaffneten Männern besetzter Jeep ins Flüchtlingslager. Big Man zeigt Anton eine Wunde an seinem rechten Bein, in der es bereits von Maden wimmelt. Er will sein Bein nicht verlieren und fordert den Arzt auf, ihm zu helfen. Anton verlangt erst einmal, dass die Waffen tragenden Männer das Camp verlassen. Dann fängt er an, die Verletzung zu behandeln, obwohl sich die Krankenschwestern weigern, ihm bei der ärztlichen Versorgung des Monsters zu assistieren.

Als es Big Man besser geht, trägt er dem Arzt seine nützliche Freundschaft an, aber Anton erklärt ihm unumwunden, dass er nicht sein Freund sei und es auch nicht werden wolle.

Wieder muss Anton eine junge Afrikanerin operieren, der die Gefolgsleute des Warlords den Bauch aufschnitten. Für das Mädchen kommt jede Hilfe zu spät. Sie stirbt. Big Man, der inzwischen mit Krücken gehen kann, sieht die Tote, grinst Anton an und sagt: „Kleine Möse, großes Messer.“ Da wirft Anton ihn eigenhändig aus dem Zelt. Als Big Man zu Boden fällt, stürzen sich die Flüchtlinge auf ihn und prügeln auf ihn ein. Er wird totgeschlagen. Anton sieht es, greift aber nicht ein.

Am selben Abend ruft Elias seinen Vater unerwartet an. Er möchte ihm sagen, dass Christian einen Sprengkörper gebastelt hat, mit dem er am nächsten Morgen Lars‘ Auto in die Luft jagen will. Aber die Verbindung ist so schlecht, dass Anton ihn nicht versteht. Außerdem fühlt er sich nach dem soeben Erlebten zu erschöpft für ein Gespräch mit seinem Sohn und vertröstet ihn auf den nächsten Tag.


Wenn Sie noch nicht erfahren möchten, wie es weitergeht,
überspringen Sie bitte vorerst den Rest der Inhaltsangabe.


Damit bei der Explosion niemand verletzt wird, hat Christian sich mit Elias für Sonntag um 7 Uhr verabredet. Da sei niemand unterwegs, meint er. Sie setzen die Zündschnur in Brand, werfen die Bombe unter Lars‘ Auto und rennen um die nächste Hausecke. In diesem Augenblick nähert sich eine joggende Frau mit ihrer Tochter (Camilla Bendix, Alberte Blichfeldt). Entsetzt verlässt Elias die Deckung und läuft ihnen entgegen, um sie zu warnen. Da explodiert das Auto. Elias wird zu Boden geworfen und bleibt leblos liegen. Die Jogger kommen mit dem Schrecken davon.

Elias wird ins Krankenhaus gebracht.

Nachdem die Polizei überprüft hat, dass die Jugendlichen allein und nicht etwa im Auftrag von Erwachsenen handelten, wird der Fall als Vandalismus eingestuft, und Christian bleibt eine Inhaftierung erspart.

Er macht sich Sorgen um Elias und möchte ihn im Krankenhaus besuchen, aber Marianne erlaubt es ihm nicht. Sie presst ihn im Korridor gegen die Wand, packt ihn am Hals und beschimpft ihn als mörderischen Psychopathen. Endlich kann er sich losreißen und davonlaufen.

Weil er annimmt, dass Elias durch seine Schuld tot ist, steigt er auf das Dach eines hohen Silos. Von dort will er sich hinunterstürzen.

Anton, der wieder in Dänemark ist und in dieser Nacht erstmals wieder mit seiner Frau schlief, bekommt im Krankenhaus mit, dass Claus Marianne anruft und nach seinem Sohn fragt, der verschwunden ist. Weil ihm Elias von dem Silo erzählte, ahnt Anton, wo der Junge zu finden ist und was er vorhat. Im letzten Augenblick kann Anton ihn vom Selbstmord abhalten. Die Ärzte seien zuversichtlich, dass Elias wieder ganz gesund wird, sagt er und geht mit ihm hinunter. Auf der Straße wehrt Christian sich nicht dagegen, dass sein Vater ihn umarmt.

Marianne nimmt Christian mit ins Krankenhaus und lässt ihn mit Elias allein. Christian entschuldigt sich bei seinem Freund.

Anton fliegt wieder nach Afrika.

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„In einer besseren Welt“ kreist um die Frage, wie man mit Gewalt umgehen sollte. Die Gewalt im Großen – durch einen sadistischen Warlord im Sudan verkörpert – wird durch die Gewalt im Alltag gespiegelt: Mobbing unter Schülern und ein erwachsener Choleriker.

Gewalt erzeugt Gegengewalt, aber lässt sich die Gewaltspirale aufhalten, indem man sich bei einem Angriff nicht wehrt? Während der friedfertige, idealistische Arzt Anton seinen Söhnen Gewaltfreiheit vorzuleben versucht, ist der zwölfjährige Schüler Christian entschlossen, sich mit allen Mitteln Respekt zu verschaffen. Christian wird für Antons von Mitschülern gemobbten Sohn Elias durch einen Gewaltakt zum Beschützer, aber er verführt ihn auch dazu, das Vorbild seines pazifistischen Vaters zu missachten. Die Frustration des intelligenten Jungen, dessen Mutter kürzlich starb und der seinem Vater misstraut, findet ein Ventil in der systematischen Vorbereitung eines Racheakts.

Bei „In einer besseren Welt“ handelt es sich zugleich um ein Familiendrama. Der vielbeschäftigte Geschäftsmann Claus findet nach dem Tod seiner Frau keinen Zugang zu seinem Sohn Christian. Und der idealistische Arzt Anton, der seinen Söhnen ein Vorbild sein möchte, lässt sich zu einem Seitensprung hinreißen, der seine Ehe mit Marianne zu zerstören droht.

Anders Thomas Jensen (Drehbuch) und Susanne Bier (Regie) haben viel hineingepackt in den Film „In einer besseren Welt“. Ein Handlungsstrang spielt in Dänemark, der andere im Sudan. Verbunden sind sie durch Anton, den in Dänemark wohnenden schwedischen Arzt, der sich in einem sudanischen Flüchtlingslager engagiert. Herrliche Landschaftsaufnahmen kontrastieren mit Grausamkeiten.

Die schauspielerischen Leistungen sind eindrucksvoll, besonders die des 1997 geborenen Dänen William Jøhnk Juel Nielsen.

Weniger überzeugend sind die letzten Minuten von „In einer besseren Welt“. Die Ungewissheit, ob Christian noch rechtzeitig von einem Selbstmordversuch abgehalten werden kann, wirkt wie billige Effekthascherei, und dass sich am Ende alles in Wohlgefallen auflöst, passt nicht zu der kaputten Gesellschaft, die Susanne Bier in dem Film darstellt.

Abgesehen davon handelt es sich bei „In einer besseren Welt“ um ein sehenswertes Drama. Es wurde in der Kategorie „Bester ausländischer Film“ mit einem „Oscar“ prämiert.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2012

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