Nackt unter Wölfen

Nackt unter Wölfen

Nackt unter Wölfen

Originaltitel: Nackt unter Wölfen - Regie: Frank Beyer - Drehbuch: Bruno Apitz und Frank Beyer, nach dem Roman "Nackt unter Wölfen" von Bruno Apitz - Kamera: Günter Marczinkowsky - Schnitt: Hildegard Conrad - Musik: Joachim Werzlau - Darsteller: Erwin Geschonneck, Armin Mueller-Stahl, Fred Delmare, Krzysztyn Wójcik, Peter Sturm, Wolfram Handel, Herbert Köfer, Erik S. Klein, Viktor Awdjuschko, Gerry Wolff, Boleslaw Plotnicki, Gerd Ehlers, Joachim Tomaschewsky, Angela Brunner, Jürgen Strauch, Fred Ludwig u.a. - 1963; 120 Minuten

Inhaltsangabe

Im Frühjahr 1945 schmuggelt ein polnischer Häftling ein verwaistes Kind in das KZ Buchenwald. Wenn der kleine Junge gemeldet wird, schlagen ihn die SS-Männer tot. Trotzdem wollen führende Mitglieder einer im Konzentrationslager aufgebauten Untergrundorganisation das Kind nicht schützen, weil sie den von ihnen geplanten Häftlingsaufstand für wichtiger halten. Die Lagerleitung, der Gerüchte zugetragen werden, sucht sowohl nach dem Kind als auch nach den Mitgliedern der Widerstandsgruppe ...
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Kritik

Obwohl Frank Beyer sich bei der Verfilmung von Bruno Apitz' Bestseller "Nackt unter Wölfen" an in der DDR vorgegebenen Sprachregelungen hielt, gehört der Film auch nach der Wende noch zu den deutschen Kino-Klassikern, denn es handelt sich um ein spannendes und gut gespieltes Drama.
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Der neu eingelieferte polnische Häftling Zacharias Jankowski (Boleslaw Polotnicki) schmuggelt im Frühjahr 1945 einen schäbigen Koffer mit in das Konzentrationslager Buchenwald und ist sehr besorgt, ihn nicht zu verlieren. Aber man nimmt ihm alles ab. Der Koffer gelangt in die Effektenkammer, wo der Kapo André Höfel (Armin Mueller-Stahl) und dessen Vertreter Rudi Pippig (Fred Delmare) erschrocken feststellen, dass darin ein kleiner Junge (Jürgen Strauch) versteckt war. Zur Rede gestellt, sagt Jankowski, dass die jüdischen Eltern des dreieinhalbjährigen Jungen in Auschwitz ermordet wurden und er sich daraufhin des Waisen annahm.

Höfel und Pippig gehören zu einer geheimen kommunistischen Widerstandsgruppe, die sich unter den politischen Häftlingen im Konzentrationslager Buchenwald gebildet hat. Herbert Bochow (Gerry Wolff), der Leiter der Untergrundorganisation, verlangt, dass Jankowski Buchenwald mit dem nächsten Transport nach Auschwitz verlässt und den Jungen unbemerkt mitnimmt. Er will nicht fünfzigtausend Häftlinge und den geplanten Aufstand wegen eines einzelnen Kindes gefährden.

Bevor jedoch wieder ein Transport zusammengestellt wird, entdeckt Hauptscharführer Zweiling (Wolfram Handel) das Kind in der Effektenkammer. Wenn die Amerikaner das Konzentrationslager Buchenwald erreichen, könnte es für ihn von Vorteil sein, ein von ihm gerettetes jüdisches Kind vorweisen zu können. Deshalb ordnet er heimlich an, den Jungen in Buchenwald zu lassen, und die in der Effektenkammer beschäftigten Häftlinge gehen darauf ein, weil sie glauben, den Hauptscharführer damit in der Hand zu haben. Also wird zwar Jankowski für den bevorstehenden Transport eingeteilt, aber das Kind bleibt in der Effektenkammer.

Zweilings Ehefrau Hortense (Angela Brunner) hält sein Verhalten für viel zu gefährlich. Er lässt sich umstimmen und bittet sie, in Blockbuchstaben auf ein Stück Karton zu schreiben: „Höfel und Kropinski wollen Zweiling eins auswischen und halten ein Kind versteckt“. Bei Marian Korpinski (Krzysztyn Wójcik) handelt es sich um einen in der Effektenkammer beschäftigten polnischen Häftling. Die Notiz, die aussieht, als stamme sie von einem der Häftlinge, schiebt Zweiling unter der Bürotür eines anderen SS-Offiziers hindurch.

Daraufhin durchsuchen der sadistische Untersturmführer Reineboth (Erik S. Klein) und der fanatische Hauptsturmführer Kluttig (Herbert Köfer) die Effektenkammer, finden aber das Kind nicht, weil es inzwischen in eine der Häftlingsbaracken gebracht wurde. Wütend führen sie André Höfel und Marian Korpinski ab, sperren sie in den berüchtigten „Bunker“ und lassen sie von Mandrill (Fred Ludwig) foltern. Während sie von Korpinski nur das Versteck des Kindes erfahren wollen, geht es ihnen bei dem Kapo um mehr: Von ihm glauben sie zu wissen, dass er einer Untergrundorganisation im KZ Buchenwald angehört, und deshalb wollen sie ihn dazu bringen, Namen anderer Mitglieder zu verraten.

Walter Krämer (Erwin Geschonneck), der Lagerälteste, der ebenfalls zu den Verschwörern gehört, sieht nur eine Möglichkeit, den beiden Häftlingen im Bunker zu helfen: Zweiling. Der hat sie hineingebracht; jetzt soll er sie wieder herausholen. Pippich erhält den Auftrag, Zweilings Angst vor den Amerikanern zu schüren. Wenn die hier eintreffen, wäre es doch gut, wenn er sich darauf berufen könnte, zwei KZ-Häftlinge vor dem Tod unter der Folter bewahrt zu haben. Hauptscharführer Zweiling wendet sich an Reineboth, aber der hat längst durchschaut, dass er versucht, sich auf die Ankunft der Amerikaner vorzubereiten und geht deshalb nicht auf seinen Vorschlag ein. Im Gegenteil: Er verlangt von ihm, Mitglieder der Widerstandsgruppe zu entlarven.

Untersturmführer Reineboth überstellt die Hälfte der in der Effektenkammer arbeitenden Häftlinge der Gestapo, darunter auch Pippich und August Rose (Peter Sturm), der älteste der Männer, der auf keinen Fall kurz vor der Befreiung des Konzentrationslagers umkommen möchte. Pippich durchschaut, warum man ihn und Rose zusammen in eine Zelle gesperrt hat: Man wird ihn beim Verhör zusammenschlagen, damit Rose bei seinem Anblick erschrickt und aus Angst alles verrät. Genauso kommt es. Pippich stirbt an seinen Verletzungen. Aber das Kind ist nicht mehr in Block 61 zu finden, denn einer der Häftlinge hat es rechtzeitig in ein anderes Versteck gebracht.

Zweiling, der den Häftling Maximilian Wurach (Hermann Eckhardt) als Spitzel auf die Untergrundorganisation angesetzt hat, meldet schließlich sechsundvierzig Namen. Standartenführer Schwahl (Heinz Scholz) streicht Walter Krämer von der Liste und befiehlt, die übrigen Häftlinge zu erschießen. Die Gesuchten tauchen jedoch in der Nacht ab, und als sie beim Morgenappell heraustreten sollen, fehlen sie.

Die Amerikaner haben inzwischen Gotha erreicht. Obwohl bereits mehrere Marschkolonnen das Lager verlassen haben, befinden sich noch immer 21 000 Häftlinge und 6000 SS-Männer im KZ Buchenwald. Als die Amerikaner weiter nach Weimar vorrücken, ordnet Reineboth die Evakuierung des KZs für den 11. April 1945 an, doch Krämer und die wieder aus ihren Verstecken aufgetauchten Mitglieder der Untergrundorganisation sorgen für ein Chaos und widersetzen sich dem Befehl. Krämer wird angeschossen. Die Wachmannschaften ziehen ab, um sich in Sicherheit zu bringen. Zweiling wird in Häftlingskleidung gesehen; Reineboth hat die Uniform mit einem Straßenanzug vertauscht. Höfel und Kropinski werden aus aus dem Bunker befreit.

Auch der kleine Junge – das Kind von Buchenwald – hat überlebt.

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Der Schriftsteller Bruno Apitz, der selbst acht Jahre lang KZ-Häftling gewesen war, aber „das Kind von Buchenwald“ nur vom Hörensagen kannte, veröffentlichte 1958 den Roman „Nackt unter Wölfen“, der allerdings keinen dokumentarischen, sondern rein fiktiven Charakter hat. Damit das Buch der in der DDR vorgegebenen Sprachregelung entsprach, tat Bruno Apitz so, als habe es sich bei den Mitgliedern der Untergrundorganisation im Konzentrationslager Buchenwald ausschließlich um Kommunisten gehandelt, und dass es die Amerikaner gewesen waren, die Buchenwald im April 1945 befreit hatten, verschwieg er. Tatsächlich gab es im Konzentrationslager Buchenwald einen dreieinhalbjährigen jüdischen Jungen. Sein Name lautete Stefan Jerzy Zweig. Er wurde allerdings nicht im Frühjahr 1945 von einem Polen ins KZ Buchenwald geschmuggelt, sondern im August 1944 mit seinem Vater Dr. Zacharias Zweig eingeliefert und unter der Häftlingsnummer 67509 registriert.

Frank Beyer verfilmte Bruno Apitz‘ Bestseller „Nackt unter Wölfen“ 1963 für die DEFA. Obwohl auch er sich dabei weitgehend an die Richtlinien der SED hielt, gehört der antifaschistische Film auch nach der Wende noch zu den deutschen Kino-Klassikern, denn es handelt sich um ein spannendes und gut gespieltes Drama.

Frank Beyer (*1932) studierte Theaterwissenschaften und an der Prager Filmhochschule. Als Filmregisseur machte er 1963 mit „Nackt unter Wölfen“ von sich reden. Die weitere Aufführung seines Films „Spur der Steine“ wurde 1966 drei Tage nach der Premiere verboten, und Frank Beyer durfte zunächst auch keine Filme mehr drehen. Er arbeitete am Theater, bis er Jurek Beckers Roman „Jakob der Lügner“ für die DEFA verfilmen konnte („Jakob der Lügner“, 1974). Weil er 1977 gegen die Ausbürgerung des Liedermachers Wolf Biermann protestierte, geriet er erneut in Schwierigkeiten.

Nachtrag:

2012 erschien eine erweiterte und überarbeitete Neuausgabe der Romanvorlage von Bruno Apitz: „Nackt unter Wölfen“, Hg.: Susanne Hantke und Angela Drescher, Aufbau Verlag, Berlin 2012, 586 Seiten.

Philipp Kadelbach verfilmte den Roman „Nackt unter Wölfen“ noch einmal neu für die ARD (Erstausstrahlung: 1. April 2015).

Originaltitel: Nackt unter Wölfen – Regie: Philipp Kadelbach – Drehbuch: Bruno Apitz, nach einem Drehbuch von Bruno Apitz und Frank Beyer bzw. dem Roman „Nackt unter Wölfen“ von Bruno Apitz – Kamera: Kolja Brandt – Schnitt: Bernd Schlegel – Musik: Michael Kadelbach – Darsteller: Florian Stetter, Peter Schneider, Sylvester Groth, Sabin Tambrea, Robert Gallinowski, Rainer Bock, Rafael Stachowiak, Thorsten Merten, Torsten Michaelis, Robert Mika, Matthias Bundschuh, Ulrich Brandhoff, Torsten Ranft, Andreas Lust, Marko Mandic u.a. – 2015; 105 Minuten

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2005 / 2012

Stefan Jerzy Zweig (Kurzbiografie)
Konzentrationslager Buchenwald

Frank Beyer: Jakob der Lügner
Frank Beyer: Das Versteck
Frank Beyer: Der Aufenthalt
Frank Beyer: Der Hauptmann von Köpenick

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