Paul Auster : Mond über Manhattan

Mond über Manhattan
Originalausgabe: Moon Palace, 1989 Mond über Manhattan Übersetzung: Werner Schmitz Rowohlt Verlag, Reinbek 1990 ISBN: 3-498-00028-4, 382 Seiten
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Wer sein Vater ist, weiß Marco Stanley Fogg nicht. Seine unverheiratete Mutter Emily Fogg kommt bei einem Verkehrsunfall ums Leben, als er elf Jahre alt ist. Er wächst bei einem Onkel auf. Mit 23 lässt Marco sich von einem 86-Jährigen dessen Lebensgeschichte erzählen und verfasst auftragsgemäß einen Nachruf. Dadurch soll der Sohn des Greises, der annimmt, sein Vater sei 1916 tödlich verunglückt, nach dessen Tod erfahren, wie er seit damals unter einer neuen Identität lebte ...
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Kritik

Paul Auster erzählt in seinem Roman "Mond über Manhattan" vier verschachtelte Geschichten, die sich gegenseitig spiegeln. Wie gewohnt spielt er mit Zufällen und überzeugt nicht zuletzt durch seine geschliffene Sprache.
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Es war der Sommer, in dem zum erstenmal Menschen den Mond betraten. Ich war damals noch sehr jung, glaubte aber an keinerlei Zukunft. Ich wollte gefährlich leben, bis an meine Grenzen vordringen und sehen, was mich dort erwartete. Wie sich herausstellte, ging ich daran fast zugrunde. (Seite 9)

Mit diesen Sätzen beginnt Paul Auster seinen Roman „Mond über Manhattan“.

Marco Stanley Fogg assoziiert seinen Namen mit drei Reisenden: Marco Polo (um 1254 – 1324), Henry Morton Stanley (1841 – 1904) und Phileas Fogg in dem Roman „In 80 Tagen um die Welt“ von Jules Verne. Wer sein Vater war, weiß er nicht. Er wuchs bei seiner unverheirateten Mutter Emily Fogg auf, bis diese Anfang 1958 bei einem Verkehrsunfall in Boston ums Leben kam. Im Februar 1958 wurde der verwaiste Elfjährige vom ältesten Bruder seiner verstorbenen Mutter in Chicago aufgenommen. Victor Fogg war Klarinettist. Im Juli 1958 zogen sie nach Saint Paul, Minnesota, aber im Jahr darauf kehrte Onkel Victor überstürzt mit seinem Neffen nach Chicago zurück, ohne ihm den Grund zu erklären.

Kurz nach seinem 14. Geburtstag bekam Marco eine Stiefmutter: Dora Shamsky war Mitte vierzig und seit sechs Jahren Witwe. Marco wurde in ein Internat in New Hampshire geschickt.

Im Herbst 1965 zieht der inzwischen Achtzehnjährige zum Studium an der Columbia University nach New York. Sein Onkel Victor stirbt im Frühjahr 1967 in Boise, Idaho. Der Tod seiner einzigen Bezugsperson wirft Marco aus der Bahn. Er lässt sich gehen und verkauft sukzessive die von seinem Onkel geerbten Bücher, aber das Geld, das er dafür bekommt, reicht kaum zum Leben.

In seiner Not sucht Marco nach David Zimmer, mit dem er sich anfangs im Studentenwohnheim ein Zimmer geteilt hatte. Dabei stößt er auf eine Gruppe von fünf oder sechs Studenten der Juillard, die gerade frühstücken und ihn einladen sich dazuzusetzen. Auf diese Weise lernt Marco die neunzehnjährige Studentin Kitty Wu kennen, die ihn zum Abschied überraschend auf den Mund küsst.

Ihr Vater war im vorrevolutionären China Kuomintang-General und Militärgouverneur von Peking. Nach der Revolution von Mao Tse-tung zog er mit seiner Ehefrau, zwei Konkubinen, fünf oder sechs Kindern und dem Personal nach Taiwan. Dort wurde Kitty im Februar 1950 von der zweiten Konkubine geboren. Sechzehn Monate später wurde ihr Vater Botschafter in Japan und nahm seine Familie mit nach Tokio. 1964 schickte er Kitty, deren Mutter zu diesem Zeitpunkt bereits tot war, auf die Fielding Academy in Massachusetts. Sie blieb in den USA und studiert inzwischen an der Schauspielschule Juillard in New York.

Als Marco die Miete für sein Apartment nicht mehr bezahlen kann, wirft ihn der Hauswart Simon Fernandez Ende August 1969 hinaus. Er schläft im Central Park und ernährt sich aus Mülltonnen. Einmal, als er völlig durchnässt ist, setzt er sich in eine öffentliche Bibliothek, aber als die Kleidung allmählich trocknet, beginnt sie zu stinken.

Beim Versuch, Marco zu besuchen, erfährt Kitty, dass er obdachlos ist. Besorgt setzt sie sich mit David Zimmer in Verbindung. Die beiden finden Marco schließlich; er liegt unterernährt und fiebernd auf einer Wiese. David, der an der Columbia University Literaturwissenschaften studiert und in einem Mietshaus in West Village wohnt, nimmt ihn bei sich auf. Kitty schaut alle paar Tage nach ihm, und während Davids Abwesenheit schlafen sie zum ersten Mal miteinander.

Durch die Liebesbeziehung mit Kitty findet Marco neuen Lebensmut. Er übernimmt für David eine Übersetzung von hundert Seiten aus dem Französischen, und als er damit fertig ist, feiert er dies mit Kitty und David bei einem Essen im Chinarestaurant Moon Palace.

Kurz darauf bewirbt er sich bei einem Sechsundachtzigjährigen, der wegen seiner gelähmten Beine im Rollstuhl sitzt und jemanden als Vorleser bzw. für Sekretariatsarbeiten sucht. Thomas Effing, so nennt er sich, ist ein Kotzbrocken, aber er stellt Marco ein. Zwar tyrannisiert er ihn ebenso wie die Witwe Rita Hume, die ihn seit neun Jahren pflegt und ihm den Haushalt führt, aber Marco findet sich damit ab und liest dem Greis aus Reisebüchern vor.

Nach einiger Zeit erhält Marco den Auftrag, ein Notizbuch zu kaufen. Effing will ihm nämlich sein Leben erzählen, damit Marco einen Nachruf verfassen kann.

Effing behauptet, eigentlich Julian Barber zu heißen und früher ein begabter Maler gewesen zu sein.

Die Geschichte beginnt 1916 in Shoreham, New Hampshire. Der dreiunddreißig Jahre alte Künstler Julian Barber, der seinen reichen Vater beerbt hat und sich keine finanziellen Sorgen zu machen braucht, heiratet Elizabeth Wheeler, die ebenfalls aus einer begüterten Familie stammt. In der Hochzeitsnacht stellt er fest, dass sie frigid ist. Um ihr zu entkommen, lässt er sich darauf ein, mit Edward Byrne, dem achtzehnjährigen Sohn eines Freundes, der Vermessungsingenieur werden möchte, einen Ausflug an die Westküste zu machen. Während Edward in den Canyons Vermessungen durchführt, zeichnet Julian. Plötzlich strauchelt Edwards Pferd und stürzt samt dem Reiter über einen Abhang hinunter. Der Führer Jack Scoresby erschießt das Pferd und legt auch auf Edward an, um ihm den Gnadenschuss zu geben, aber Julian hält ihn davon ab. Obwohl keine Aussicht besteht, den Schwerverletzten lebend zu bergen, will Julian ihn nicht im Stich lassen. Scoresby reitet allein weiter. Nachdem Edward tot ist, begräbt Julian ihn. Ohne Führer hat er kaum eine Chance, aus dem Canyon herauszufinden. Aber nach vier Tagen, als er bereits halb verdurstet ist, entdeckt er die Höhle eines Einsiedlers, der offenbar vor kurzer Zeit erschossen wurde. Julian bestattet auch diesen Toten und richtet sich in der Höhle ein, in der er eine große Menge an Vorräten findet.

Nach Monaten kommt ein Indianer vorbei, George Ugly Mouth, der den Einsiedler Tom kannte und nicht merkt, dass ein anderer dessen Stelle eingenommen hat.

Ein Jahr nach dem Beginn der verhängnisvollen Reise tauchen drei Reiter auf, die – so schließt Julian aus ihren Äußerungen – den Einsiedler erschossen hatten. Er belauert die drei Brüder und wartet, bis zwei von ihnen schlafen. Dann überrumpelt er sie in der Höhle und erschießt sie. In ihren sechs Satteltaschen findet er 20 000 Dollar in bar, dazu Wertpapiere, Uhren und Schmuck.

Mit diesem Vermögen reitet er nach Bluff, Utah, und reist über Salt Lake City nach San Francisco, wo er sich als „Thomas Effing“ ins Gästebuch eines Hotels einschreibt. (Der Name fiel ihm ein, weil er „fucking Thomas“ bzw. „f-ing Thomas“ dachte.)

Thomas Effing legt das mitgebrachte Kapital an und vermehrt es kräftig.

Bei einer Dinnerparty im November 1918 wundert sich ein anderer Gast über seine verblüffende Ähnlichkeit mit dem Maler Julian Barber. Daraufhin meidet Effing Gesellschaften und treibt sich nur noch in Spielsalons, Bordellen und Opiumhöhlen herum.

Eines Abends, als er zittrig vom Opium nach Hause torkelt, schlägt ein Dieb ihn von hinten nieder. Effing geht zu Boden, rutscht die abschüssige Straße hinunter und kracht gegen einen Laternenpfahl. Dabei bricht sein Rückgrat. Er bleibt gelähmt.

Nachdem er aus dem Krankenhaus entlassen wurde, lässt er sich einen Pass auf den Namen Thomas Effing fälschen und schifft sich im September 1920 an Bord der S. S. Descartes nach Frankreich ein.

Dort lernt er 1932 den Weißrussen Pavel Shumansky kennen, der sein bester Freund wird, ohne etwas von der alten Identität Effings zu ahnen. Als der Zweite Weltkrieg beginnt, verlassen sie zusammen Frankreich und ziehen nach New York.

Damit beendet Thomas Effing seine Erinnerungen. Marco weiß bereits, dass Pavel Shum, wie er sich in den USA nannte, vor zwei Monaten von einem Auto überfahren und getötet wurde.

Drei Wochen lang tippt Marco auf einer alten Schreibmaschine, bis er aus seinen Notizen die Kurzfassung eines Nachrufs für die Zeitungen, eine ausführlichere Version für eine Kunstzeitschrift („Das geheimnisvolle Leben des Julian Barber“) und eine Langfassung verfasst hat.

Effing beauftragt Marco, die Nachrufe nach seinem Tod an die Medien zu verschicken und die längste Version Solomon Barber zukommen zu lassen.

Unschwer ist zu erraten, dass es sich bei Solomon Barber um Effings Sohn handelt. Seine Frau Elizabeth war schwanger, als er sie 1916 verließ. 1947 stieß Effing zufällig auf den Namen des Historikers Solomon Barber, und Pavels Nachforschungen ergaben, dass dieser 1917 in Shoreham, Long Island, geboren wurde. Es heißt, sein Vater sei ein 1916 in einem Canyon in Utah ums Leben gekommener Maler gewesen. Solomons geisteskranke Mutter starb 1939 in einem Pflegeheim. Effing nahm zwar keinen Kontakt mit seinem Sohn auf, aber nach seinem Tod soll Solomon erfahren, wer sein Vater war und ihn zusammen mit Rita Hume beerben.

Effing hebt 20 000 Dollar ab und lässt sich den Betrag in 50-Dollar-Noten auszahlen. Dann muss Marco ihn im Rollstuhl durch die Straßen schieben, und sie verteilen das Geld an Bedürftige. Zweiundfünfzig Jahre, nachdem Effing mit den 20 000 Dollar ein neues Leben begonnen hatte, verschenkt er das Startkapital. Weil er darauf besteht, die Aktion auch bei Regen fortzusetzen, zieht er sich eine Lungenentzündung zu.

Wie zwei Monate zuvor angekündigt, stirbt der Greis am 12. Mai 1970. Rita Hume und ihr Bruder Charlie Bacon, Marco Fogg und seine Freundin Kitty Wu verstreuen die Asche vor der Freiheitsstatue aus der Staten-Island-Fähre.

Marco versuchte zwar, Solomon Barber zu erreichen, um ihm die Teilnahme zu ermöglichen, aber der Geschichtsprofessor befindet sich gerade auf einer Reise durch England. Deshalb schickt Marco ihm einen Brief und die Langversion von Effings Lebensbericht.

Zum Abschied übergibt Rita Hume dem dreiundzwanzigjährigen Autor der Nachrufe, die allerdings von keiner Zeitung veröffentlicht werden, im Auftrag des Verstorbenen eine Tüte mit 7000 Dollar.

Das Geld erlaubt es Marco, für sich und Kitty eine Wohnung in Chinatown zu mieten.

Vier Monate später, im September 1970, meldet sich Solomon Barber. Kurz darauf kommt er für ein langes Wochenende nach New York, um mit Marco über seinen Vater zu reden. Dabei stellt sich heraus, dass Marcos Mutter Emily Fogg eine der Studentinnen des Geschichtsprofessors war.

Im Alter von siebzehn Jahren schrieb Solomon Barber unter dem Titel „Keplers Blut“ einen (Schund-)Roman über seinen Vater, der allerdings nie veröffentlicht wurde. Nach dem Besuch in New York schickt er Marco das Manuskript.

Der Künstler John Kepler verabschiedet sich von seiner Ehefrau und seinem kleinen Sohn in Long Island, um für ein halbes Jahr Canyons in Utah und Arizona zu erkunden. Er stürzt einen Abhang hinunter. Aufgrund seiner Verletzungen kann er sich nicht bewegen. Indianer retten ihn und pflegen ihn gesund. Kepler bleibt bei ihnen, ohne seine Familie zu benachrichtigen. Als sein gleichnamiger Sohn achtzehn ist, sucht er nach ihm und erkennt ihn schließlich in einem Indianerhäuptling. Kepler verleugnet seine Identität jedoch – und wird von seinem zornigen Sohn erstochen. Keplers zwölfjähriger Sohn Jocomin, der den Mord beobachtet hat, reist Jahre später nach Osten, um seinen Vater zu rächen. Sein Halbbruder John Kepler jr. ist inzwischen ein wohlhabender Geschäftsmann, der mit seiner Ehefrau und seinem sechsjährigen Sohn in Brooklyn Heights wohnt. Jocomin entführt den Jungen, aber als er mit ihm an die Westküste zurückkommt, ist sein Volk ausgestorben. Er nennt den Sohn seines Halbbruders Numa. Zehn Jahre später verwandelt er sich in eine Frau, die den inzwischen Sechzehnjährigen verführt und neun Monate später ein Zwillingspärchen zur Welt bringt, das neue Nachkommen zeugen wird. Als John Kepler jr. nach seinem entführten Sohn an der Westküste sucht, glaubt er einen Kojoten als Silhouette gegen den Mond zu sehen. Er schießt darauf – und tötet unwissentlich seinen Sohn. Im nächsten Augenblick wird er von Kojoten zerrissen.

Ende März 1971 stellt Kitty fest, dass sie schwanger ist. Vergeblich versucht Marco, sie von einer Abtreibung abzuhalten. Der Konflikt lässt ihre Beziehung zerbrechen. Marco verlässt seine Lebensgefährtin und zieht vorübergehend zu Solomon Barber, der inzwischen eine Wohnung in New York gemietet hat.

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überspringen Sie bitte vorerst den Rest der Inhaltsangabe.

Solomon will die Höhle suchen, von der sein Vater erzählte, denn das wäre ein Indiz für die Richtigkeit der Darstellung. Marco lässt sich von ihm überreden, ihn zu begleiten. Sie fahren los. In Chicago besuchen sie das Grab von Marcos Mutter. Als Solomon dort die Hände vors Gesicht schlägt und schluchzt, begreift Marco, dass der Historiker Emily nicht nur als Studentin kannte, sondern sein Vater ist und gerät in Wut darüber, dass dieser ihm nichts gesagt hat. Solomon geht schluchzend weg und stürzt in ein frisch ausgehobenes Grab. Bevor er am 4. September 1971 im Cook County Hospital stirbt, kann er seinem Sohn noch von Emily Fogg erzählen.

Im Frühjahr 1946 schlief der damals neunundzwanzig Jahre alte Geschichtsprofessor ein einziges Mal mit seiner zehn Jahre jüngeren Studentin Emily Fogg. Eine Putzfrau entdeckte die beiden nackt im Bett. Aufgrund des Skandals floh Emily nach Chicago, und Solomon Barber wurde entlassen. Er bekam nur noch Anstellungen in unbedeutenden Colleges. Und weil er in den Dreißigerjahren ein Mitläufer der Friedensbewegung gewesen war, geriet er in der McCarthy-Ära erneut in Schwierigkeiten. Dass Emily 1946 schwanger geworden war, ahnte er nicht. 1959, als er am Macalester College in Saint Paul, Minnesota, unterrichtete, fiel ihm eine Zeitungsanzeige auf, in der Victor Fogg Klarinettenunterricht anbot. Solomon schrieb ihm und erfuhr, dass Emily Fogg tatsächlich die Schwester des Musikers war, aber vor acht Monaten bei einem Verkehrsunfall getötet wurde. Solomon fragte weiter, erhielt aber keine Antwort mehr. Und Marco versteht nun den Grund, warum sein Onkel 1959 überstürzt mit ihm von Saint Paul nach Chicago zurückkehrte: Victor wollte nicht, dass sein Vater ihn fand.

Als sein Vater tot ist, ruft Marco noch von Chicago aus Kitty in New York an. Er möchte wieder zu ihr, aber sie hat sich inzwischen mit der schmerzvollen Trennung abgefunden und lehnt einen neuen Versuch ab.

Mit den mehr als 10 000 Dollar, die er von seinem Vater geerbt hat, fährt Marco nach Bluff in Utah und erkundet einen Monat lang die Gegend. Die von Thomas Effing beschriebene Höhle findet er nicht. Aber sein Auto wird mitsamt dem Geld im Kofferraum gestohlen.

Da wandert er zu Fuß los. Am 3. Januar 1972 kauft er sich in Lake Elsinore, Kalifornien, das fünfte Paar Schuhe.

Mein fünftes Paar Schuhe kaufte ich mir am 3. Januar 1972 in einem Ort namens Lake Elsinore. Drei Tage später stieg ich, fix und fertig vor Erschöpfung, mit 413 Dollar in der Tasche über die Hügel nach Laguna Beach hinunter. Vom Gipfel des Vorgebirges aus konnte ich bereits den Ozean sehen, aber ich ging weiter, bis ich ganz unten am Wasser war. Es war vier Uhr nachmittags, als ich meine Schuhe auszog und den Sand an meinen Fußsohlen spürte. Ich hatte das Ende der Welt erreicht, dahinter waren nur noch Luft und Wellen, eine Leere, die sich bis an die Küsten von China erstreckte. Hier fange ich an, sagte ich zu mir, hier soll mein Leben anfangen.
Ich stand lange am Strand, wartete, bis die letzten Strahlen der Sonne verschwunden waren. hinter mir ging die Stadt ihren Geschäften nach und machte die vertrauten amerikanischen Geräusche des ausgehenden Jahrhunderts. Ich blickte den Bogen der Küste entlang und sah eins nach dem andern die Lichter in den Häusern angehen. Dann stieg der Mond hinter den Hügeln empor. Es war Vollmond, gelb und rund wie ein glühender Stein. Ich folgte ihm mit den Augen auf seinem Weg in den nächtlichen Himmel und wandte mich erst ab, als er seinen Platz in der Dunkelheit gefunden hatte. (Seite 382)

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Der Roman „Mond über Manhattan“ von Paul Auster dreht sich um Suche eines jungen Mannes namens Marco Stanley Fogg nach sich selbst. Die drei Bestandteile des Namens sind nicht zufällig mit großen Reisenden assoziiert, denn Marco befindet sich in dem Bemühen, sein Leben zu ordnen und seinen Weg zu finden, auf einer Reise in sein eigenes Inneres. Dieser 1969 bis 1972 spielende Handlungsstrang umrahmt die Geschichte des Greises Julian Barber alias Thomas Effing, der vor 52 Jahren eine neue Identität annahm, sowie die seines Sohnes Solomon Barber, der ihn für tot hielt, und die Inhaltsangabe eines unveröffentlichten Romanmanuskripts, das Solomon über seinen vermeintlich 1916 tödlich verunglückten Vater schrieb. Die Bestandteile des Romans „Mond über Manhattan“ variieren Leitmotive und spiegeln einander. Sie sind allerdings nicht so raffiniert verschachtelt wie die Handlungsstränge in „Nacht des Orakels“ oder in „Das Buch der Illusionen“.

Mit Julian Barber bzw. Thomas Effing fügt Paul Auster seinem literarischen Kosmos eine weitere skurrile Figur hinzu. Wie gewohnt spielt er mit Zufällen und überzeugt nicht zuletzt durch seine geschliffene Sprache.

Den Roman „Mond über Manhattan“ von Paul Auster gibt es auch in einer gekürzten Fassung als Hörbuch, gelesen von Hans Peter Hallwachs (Regie: Margrit Osterwold, München 2001, 4 CDs, ISBN: 3-453-18891-8).

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2010
Textauszüge: © Rowohlt Verlag

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