Jussi Adler-Olsen : Verheißung

Verheißung
Originalausgabe: Den grænseløse Kopenhagen, 2014 Verheißung Übersetzung: Hannes Thies dtv, München 2015 ISBN: 978-3-423-28048-8, 596 Seiten ISBN: 978-3-423-42697-8 (eBook)
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

1997 starb die 19-jährige Schülerin Alberte Goldschmid auf Bornholm. Sie stand wohl am Straßenrand, als ein Auto sie erfasste. Unklar ist, ob es sich um einen Unfall mit Fahrerflucht oder um Mord handelte. Am Tag seiner Pensionierung erschießt sich der Polizist Christian Habersaat, der 17 Jahre lang obsessiv in dem Fall ermittelte. Und gleich darauf schneidet sich sein Sohn die Pulsadern auf. Das von Carl Mørck geleitete Sonderdezernat Q der Mord­kommis­sion in Kopenhagen schaltet sich ein ...
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Kritik

In dem Thriller "Verheißung. Der Grenzenlose" geht es nicht zuletzt um Humor, Komik und Unterhaltung. Immer wieder lockt uns Jussi Adler-Olsen auf falsche Fährten und überrascht uns mit einem plot twist.
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Vizekriminalkommissar Carl Mørck leitet das Sonderdezernat Q für unaufgeklärte Fälle in Kopenhagen. Er und seine Mitarbeiter Hafez el-Assad, Rose Knudsen und Gordon Taylor unterstehen Lars Bjørn, dem Chef der Mordkommission. Die Büros befinden sich im Keller des Polizeipräsidiums.

Am 29. April 2014 erhält Carl Mørck einen Anruf von Christian Habersaat, einem Polizeiassistenten in Rønne auf der Ostseeinsel Bornholm, dessen Pensionierung für den folgenden Tag ansteht. Offenbar möchte er das Sonderdezernat Q für Ermittlungen in einem hoffnungslosen Fall gewinnen. Aber Carl Mørck weist ihn brüsk ab.

Bei der Abschiedsfeier am 30. April im Bürgerhaus von Listed erschießt sich Christian Habersaat vor den Augen der wenigen Gäste.

Der Suizid ruft nun doch das Sonderdezernat Q auf den Plan. Es stellt sich heraus, dass Christian Habersaat obsessiv versuchte, den Tod der 19-jährigen Schülerin Alberte Goldschmid am 20. November 1997 aufzuklären. Sie hatte vermutlich mit ihrem Rad am Straßenrand gestanden, als sie von einem Auto erfasst worden war. Christian Habersaat fand die in zwei Meter Höhe über den Ast eines Baumes hängende Leiche. War es ein tödlicher Unfall mit Fahrerflucht oder Mord? Die Frage ist noch immer ungeklärt.

Ermittlungen in einem 17 Jahre alten Fall

Carl Mørck und Hafez el-Assad sprechen mit June Kofoed, der geschiedenen Ehefrau des Selbstmörders. Den 35-jährigen Sohn Bjarke Habersaat finden sie in seinem Zimmer bei der Vermieterin Nelly Rasmussen mit aufgeschnittenen Pulsadern verblutet vor.

Die Ermittler befragen Kristoffer Dalby, der 1997 eine Affäre mit Alberte Goldschmid gehabt haben soll. Damals hießt er noch Studsgaard. Später nahm er den Nachnamen seiner Ehefrau Inge Dalby an, die zugleich ihren Geburtsnamen Kure gegen den Mädchennamen ihrer Mutter austauschte. Das Paar wohnt mit zwei Kindern in einer Kate nordwestlich von Vestermarie. Als Kristoffer sich in Alberte verliebte, war er bereits seit einem halben Jahr mit Inge zusammen. Alberte beendete die Affäre nach kurzer Zeit, weil sie einen anderen Mann kennengelernt hatte, von dem Kristoffer Dalby nur weiß, dass er in einer Hippiekommune bei Ølene wohnte.

Anfang Mai 2014 finden die Ermittler vom Sonderdezernat Q heraus, dass nicht nur Kristoffer seine Freundin Inge 1997 mit Alberte betrog, sondern sie ihn zur gleichen Zeit mit dem Mann, mit dem Alberte dann zusammen war. Bei dem Unbekannten muss es sich um einen Don Juan gehandelt haben, denn er hatte damals wohl außerdem eine sexuelle Beziehung mit June Habersaat, der Ehefrau des Polizisten.

Es dauert einige Zeit, bis Carl Mørck und sein Team den Namen des Mannes herausfinden. Er heißt Frank Brennan und ist 43 Jahre alt. Inzwischen nennt er sich Atu Abanshamash Dumuzi und leitet das „Zentrum zur Transzendentalen Vereinigung von Mensch und Natur“ auf der schwedischen Insel Öland.

Pirjo Abanshamash Dumuzi

Die engste Mitarbeiterin des Gurus im „Zentrum zur Transzendentalen Vereinigung von Mensch und Natur“ nennt sich Pirjo Abanshamash Dumuzi. Die Vestalin genießt das volle Vertrauen ihres Idols, aber damit ist sie nicht zufrieden: Vor dem nahen Klimakterium will sie unbedingt von ihm geschwängert werden und wenigstens ein Kind für ihn gebären. Aber trotz seiner Virilität und seiner zahlreichen Affären begehrt er sie nicht und behandelt sie asexuell wie eine Schwester.

Als sich die schöne Latina Wanda Phinn, die Atu bereits bei einem Seminar in London schwer beeindruckte, von Pirjo nicht davon abhalten lässt, im Oktober 2013 nach Öland zu reisen, holt Pirjo sie am Bahnhof in Kalmar mit einer Vespa ab – und erschlägt die Rivalin in einer abgelegenen Gegend mit einem Spaten. In dem weichen Boden des Alvar lässt sich die Tote leicht vergraben.

Im Zentrum warten alle aufgeregt auf sie. Die Französin Malena Michel, mit der Atu zuletzt schlief, erlitt während Pirjos Abwesenheit eine Fehlgeburt und wurde nach Kalmar ins Krankenhaus gebracht. Pirjo besucht sie dort und redet ihr ein, dass der Guru bereits zwei von ihm geschwängerte Frauen, die einen Abortus erlitten hatten, „in den Kreislauf der Natur zurückgeschickt“ habe. Mit dieser Lüge erreicht sie, dass Malena die schwedische Insel am nächsten Tag verlässt, ohne sich im Zentrum zu verabschieden.

Bald darauf gelingt es Pirjo, von Atu penetriert zu werden. Sie hat ihn einfach überrascht. Obwohl er nur ein einziges Mal Sex mit ihr hat, erfüllt sich ihr Traum von einer Schwangerschaft.

Zwei Monate später kommt überraschend Wanda Phinns engste Freundin Shirley aus London. Man sagt ihr, dass Wanda Phinn nie im Zentrum eingetroffen sei. Das wundert Shirley, und sie ist enttäuscht darüber, dass ihre Freundin seit der Abreise aus London nichts mehr von sich hören ließ. Nun will sie selbst im „Zentrum zur Transzendentalen Vereinigung von Mensch und Natur“ aufgenommen werden.

Am 17. März 2014 findet Shirley den Gürtel, den sie Wanda zum Abschied schenkte. Pirjo redet Shirley ein, dass das ein anderer, gleich aussehender Gürtel sein müsse. Aber bei der Engländerin bleiben Zweifel. Im Mai sperrt Pirjo sie in einem fensterlosen Raum eines noch unbenutzten Neubaus ein und dreht das Wasser ab. Als Shirley begreift, dass sie verdursten und verhungern soll, überwindet sie ihren Ekel, trinkt Wasser aus der Toilette und benutzt sie nicht mehr für ihre Ausscheidungen. Aber nachts setzt sie sich schlaftrunken auf die Toilette und betätigt die Spülung. Entsetzt begreift sie, dass sie mehrere Liter Wasser aus dem Spülkasten verschwendet hat.


Wenn Sie noch nicht erfahren möchten, wie es weitergeht,
überspringen Sie bitte vorerst den Rest der Inhaltsangabe.


 

Spoiler

Am Tag darauf, es ist der 16. Mai 2014, treffen Carl Mørck und Hafez el-Assad im „Zentrum zur Transzendentalen Vereinigung von Mensch und Natur“ ein.

Pirjo schleicht sich von hinten an die beiden Polizisten heran und schlägt sie mit einem schweren Gummihammer nieder. Dann zerrt sie die Bewusstlosen in den Technikraum und fesselt sie dort. Sie klemmt die Einspeisung der Solaranlage ab, legt das eine Kabelende um das links Daumengelenk des Dunkelhäutigen und das andere um einen Fußknöchel des weißen Kommissars. Noch ist es bewölkt, aber den zu erwartenden Sonnenschein werden die beiden Besucher nicht überleben.

Gleich darauf krümmt sie sich in ihrem Büro vor Schmerzen und erleidet eine Fehlgeburt.

Sie hat zwar das Kind des Gurus verloren, aber sie wird sich für ihn opfern. Statt Alarm zu schlagen und sich ins Krankenhaus bringen zu lassen, beginnt sie ein umfassendes Geständnis zu tippen. Sie behauptet, 1997 Alberte Goldschmid totgefahren zu haben, obwohl sie überzeugt ist, dass es Atu war. Bei ihr kommt es ohnehin nicht mehr auf einen Mord mehr oder weniger an, zumal sie verblutet sein wird, wenn jemand das Geständnis liest. Sie tötete nicht nur Wanda Phinn und inzwischen wohl auch deren Freundin Shirley sowie die beiden Polizisten, sondern zuvor schon zwei weitere Rivalinnen.

Während Atu die beiden bewusstlosen Fremden im Technikraum findet und von den Kabeln befreit, wird Feueralarm ausgelöst: Im Neubau brennt es. Atu eilt zum Telefon. Kurz darauf treffen der Notarzt und die Feuerwehr ein.

Pirjo Abanshamash Dumuzi ist tot. Die dänischen Polizisten überleben ebenso wie die eingesperrte Engländerin. Der Guru ist verschwunden.

Er reist nach Bornholm, um Alberte Goldschmid zu rächen. Dass Pirjo ihm einen Mord zutraute, hat ihn erschüttert. Seiner Meinung nach war es der damalige Pfadfinder Bjarke Habersaat, der sich 1997 in ihn verliebt hatte und von ihm zurückgewiesen worden war.

Nachdem er von Nelly Rasmussen erfahren hat, dass ihr Untermieter tot ist, taucht er bei Bjarke Habersaats Beerdigung am 17. Mai 2014 in Østerlars auf, gerade, als June Kofoed eine Pistole aus der Tasche zieht, um ihrem Sohn ins Grab zu folgen. Sie erschießt Atu, und bevor sie sich selbst töten kann, schlägt ihr der Geistliche die Waffe aus der Hand. June flüchtet.

Carl Mørck und Hafez el-Assad holen sie ein und stellen sie. June Kofoed gesteht, Alberte absichtlich totgefahren zu haben, weil Atu sich wegen der Schülerin von ihr getrennt hatte. Ausgerechnet ihr Mann entdeckte die Tote. Bjarke durchschaute, was sie getan hatte, sagte jedoch seinem Vater nie etwas darüber. Als der sich am Tag der Pensionierung erschoss, weil er am Fall Alberte Goldschmid verzweifelt war, nahm Bjarke sich ebenfalls das Leben.

Die Ermittler können nicht verhindern, dass June Kofoed sich nach dem Geständnis von einer Burgmauer in den Tod stürzt.

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„Verheißung. Der Grenzenlose“ lautet der Titel des sechsten Kriminalromans von Jussi Adler-Olsen über Carl Mørck und das Sonderdezernat Q der Mordkommission in Kopenhagen. Die Buchreihe umfasst bisher folgende Bände, die alle von Hannes Thiess ins Deutsche übersetzt wurden:

  1. Erbarmen (2007)
  2. Schändung (2008)
  3. Erlösung (2009)
  4. Verachtung (2010)
  5. Erwartung (2012)
  6. Verheißung (2014)
  7. Selfies (2016)

 

In „Verheißung. Der Grenzenlose“ veranschaulicht Jussi Adler-Olsen, wie leicht Menschen sich manipulieren lassen. Seine Darstellung der Friedensbewegung und des Hippie-Kults, von Esoterik und Sektentum bleibt allerdings ebenso oberflächlich wie klischeehaft.

Der Prolog von „Verheißung. Der Grenzenlose“ spielt am 20. November 1997. Dann entwickelt Jussi Adler-Olsen die Handlung chronologisch vom 29. April bis 17. Mai 2014. Dabei springt er ständig zwischen zwei Handlungssträngen hin und her, erzählt einmal von den Ermittlungen, dann wieder von der Sekten-Vestalin Pirjo Abanshamash Dumuzi. Entsprechend wechselt die Perspektive, bis die beiden Handlungsstränge am 16. Mai 2014 zusammenlaufen.

Die Handlung ist großenteils unrealistisch, und vielleicht hätte Jussi Adler-Olsen sie auch etwas straffen können. Aber das Ausufernde gehört wohl zum Stil, denn es geht in „Verheißung. Der Grenzenlose“ nicht zuletzt um Humor, Komik und Unterhaltung.

Immer wieder lockt uns Jussi Adler-Olsen auf falsche Fährten. Wenn wir glauben, das Spiel durchschaut zu haben, überrascht uns der Autor erneut mit einem plot twist, und wir stellen fest, dass wir zum wiederholten Mal auf die falsche Person als Täter bzw. Täterin tippten.

Den Roman „Verheißung. Der Grenzenlose“ von Jussi Adler-Olsen gibt es auch als Hörbuch, gelesen von Wolfram Koch (Regie: Hannes Hametner, ISBN 978-3-86231-503-1).

 

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2017
Textauszüge: © dtv Verlagsgesellschaft

Jussi Adler-Olsen: Erbarmen
Jussi Adler-Olsen: Schändung
Jussi Adler-Olsen: Erlösung (Verfilmung)

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